Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

kanntschaft von ihm, er besann sich hin und her und
sagte: ja, ein lieber bekannter Engel sind Sie gewiß,
aber ich kann mich nur nicht besinnen wann und wo
ich Sie gesehen habe. Ich scherzte mit ihm und sagte:
jetzt hab' ich's herausgekriegt daß Sie von mir träu-
men, denn anderswo können Sie mich unmöglich ge-
sehen haben. Von ihm ließ ich mir ein Billet an Ih-
ren Sohn geben, ich hab' es mir nachher mitgenom-
men und zum Andenken aufbewahrt; und hier schreib'
ich's Ihr ab. "Bettina Brentano, Sophiens
Schwester, Maxmilianens Tochter, Sophie
La Rochens Enkelin
wünscht Dich zu sehen, l. Br.,
und giebt vor, sie fürchte sich vor Dir, und ein Zettel-
chen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman seyn,
der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin,
daß sie nur ihren Spaß mit mir treibt, so muß ich
doch thun, was sie haben will, und es soll mich wun-
dern, wenn Dir's nicht eben so wie mir geht."



W.

Mit diesem Billet ging ich hin, das Haus liegt
dem Brunnen gegenüber; wie rauschte mir das Wasser
so betäubend, -- ich kam die einfache Treppe hinauf,
in der Mauer stehen Statuen von Gyps, sie gebieten

1**

kanntſchaft von ihm, er beſann ſich hin und her und
ſagte: ja, ein lieber bekannter Engel ſind Sie gewiß,
aber ich kann mich nur nicht beſinnen wann und wo
ich Sie geſehen habe. Ich ſcherzte mit ihm und ſagte:
jetzt hab' ich's herausgekriegt daß Sie von mir träu-
men, denn anderswo können Sie mich unmöglich ge-
ſehen haben. Von ihm ließ ich mir ein Billet an Ih-
ren Sohn geben, ich hab' es mir nachher mitgenom-
men und zum Andenken aufbewahrt; und hier ſchreib'
ich's Ihr ab. „Bettina Brentano, Sophiens
Schweſter, Maxmilianens Tochter, Sophie
La Rochens Enkelin
wünſcht Dich zu ſehen, l. Br.,
und giebt vor, ſie fürchte ſich vor Dir, und ein Zettel-
chen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman ſeyn,
der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin,
daß ſie nur ihren Spaß mit mir treibt, ſo muß ich
doch thun, was ſie haben will, und es ſoll mich wun-
dern, wenn Dir's nicht eben ſo wie mir geht.“



W.

Mit dieſem Billet ging ich hin, das Haus liegt
dem Brunnen gegenüber; wie rauſchte mir das Waſſer
ſo betäubend, — ich kam die einfache Treppe hinauf,
in der Mauer ſtehen Statuen von Gyps, ſie gebieten

1**
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0041" n="9"/>
kannt&#x017F;chaft von ihm, er be&#x017F;ann &#x017F;ich hin und her und<lb/>
&#x017F;agte: ja, ein lieber bekannter Engel &#x017F;ind Sie gewiß,<lb/>
aber ich kann mich nur nicht be&#x017F;innen wann und wo<lb/>
ich Sie ge&#x017F;ehen habe. Ich &#x017F;cherzte mit ihm und &#x017F;agte:<lb/>
jetzt hab' ich's herausgekriegt daß Sie von mir träu-<lb/>
men, denn anderswo können Sie mich unmöglich ge-<lb/>
&#x017F;ehen haben. Von ihm ließ ich mir ein Billet an Ih-<lb/>
ren Sohn geben, ich hab' es mir nachher mitgenom-<lb/>
men und zum Andenken aufbewahrt; und hier &#x017F;chreib'<lb/>
ich's Ihr ab. &#x201E;<hi rendition="#g">Bettina Brentano, Sophiens<lb/>
Schwe&#x017F;ter, Maxmilianens Tochter, Sophie<lb/>
La Rochens Enkelin</hi> wün&#x017F;cht Dich zu &#x017F;ehen, l. Br.,<lb/>
und giebt vor, &#x017F;ie fürchte &#x017F;ich vor Dir, und ein Zettel-<lb/>
chen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman &#x017F;eyn,<lb/>
der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin,<lb/>
daß &#x017F;ie nur ihren Spaß mit mir treibt, &#x017F;o muß ich<lb/>
doch thun, was &#x017F;ie haben will, und es &#x017F;oll mich wun-<lb/>
dern, wenn Dir's nicht eben &#x017F;o wie mir geht.&#x201C;</p><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Den 23. April 1807.</hi> </dateline><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">W.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <p>Mit die&#x017F;em Billet ging ich hin, das Haus liegt<lb/>
dem Brunnen gegenüber; wie rau&#x017F;chte mir das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;o betäubend, &#x2014; ich kam die einfache Treppe hinauf,<lb/>
in der Mauer &#x017F;tehen Statuen von Gyps, &#x017F;ie gebieten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1**</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0041] kanntſchaft von ihm, er beſann ſich hin und her und ſagte: ja, ein lieber bekannter Engel ſind Sie gewiß, aber ich kann mich nur nicht beſinnen wann und wo ich Sie geſehen habe. Ich ſcherzte mit ihm und ſagte: jetzt hab' ich's herausgekriegt daß Sie von mir träu- men, denn anderswo können Sie mich unmöglich ge- ſehen haben. Von ihm ließ ich mir ein Billet an Ih- ren Sohn geben, ich hab' es mir nachher mitgenom- men und zum Andenken aufbewahrt; und hier ſchreib' ich's Ihr ab. „Bettina Brentano, Sophiens Schweſter, Maxmilianens Tochter, Sophie La Rochens Enkelin wünſcht Dich zu ſehen, l. Br., und giebt vor, ſie fürchte ſich vor Dir, und ein Zettel- chen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman ſeyn, der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin, daß ſie nur ihren Spaß mit mir treibt, ſo muß ich doch thun, was ſie haben will, und es ſoll mich wun- dern, wenn Dir's nicht eben ſo wie mir geht.“ Den 23. April 1807. W. Mit dieſem Billet ging ich hin, das Haus liegt dem Brunnen gegenüber; wie rauſchte mir das Waſſer ſo betäubend, — ich kam die einfache Treppe hinauf, in der Mauer ſtehen Statuen von Gyps, ſie gebieten 1**

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/41
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/41>, abgerufen am 21.11.2024.