kanntschaft von ihm, er besann sich hin und her und sagte: ja, ein lieber bekannter Engel sind Sie gewiß, aber ich kann mich nur nicht besinnen wann und wo ich Sie gesehen habe. Ich scherzte mit ihm und sagte: jetzt hab' ich's herausgekriegt daß Sie von mir träu- men, denn anderswo können Sie mich unmöglich ge- sehen haben. Von ihm ließ ich mir ein Billet an Ih- ren Sohn geben, ich hab' es mir nachher mitgenom- men und zum Andenken aufbewahrt; und hier schreib' ich's Ihr ab. "Bettina Brentano, Sophiens Schwester, Maxmilianens Tochter, Sophie La Rochens Enkelin wünscht Dich zu sehen, l. Br., und giebt vor, sie fürchte sich vor Dir, und ein Zettel- chen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman seyn, der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin, daß sie nur ihren Spaß mit mir treibt, so muß ich doch thun, was sie haben will, und es soll mich wun- dern, wenn Dir's nicht eben so wie mir geht."
Den 23. April 1807.
W.
Mit diesem Billet ging ich hin, das Haus liegt dem Brunnen gegenüber; wie rauschte mir das Wasser so betäubend, -- ich kam die einfache Treppe hinauf, in der Mauer stehen Statuen von Gyps, sie gebieten
1**
kanntſchaft von ihm, er beſann ſich hin und her und ſagte: ja, ein lieber bekannter Engel ſind Sie gewiß, aber ich kann mich nur nicht beſinnen wann und wo ich Sie geſehen habe. Ich ſcherzte mit ihm und ſagte: jetzt hab' ich's herausgekriegt daß Sie von mir träu- men, denn anderswo können Sie mich unmöglich ge- ſehen haben. Von ihm ließ ich mir ein Billet an Ih- ren Sohn geben, ich hab' es mir nachher mitgenom- men und zum Andenken aufbewahrt; und hier ſchreib' ich's Ihr ab. „Bettina Brentano, Sophiens Schweſter, Maxmilianens Tochter, Sophie La Rochens Enkelin wünſcht Dich zu ſehen, l. Br., und giebt vor, ſie fürchte ſich vor Dir, und ein Zettel- chen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman ſeyn, der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin, daß ſie nur ihren Spaß mit mir treibt, ſo muß ich doch thun, was ſie haben will, und es ſoll mich wun- dern, wenn Dir's nicht eben ſo wie mir geht.“
Den 23. April 1807.
W.
Mit dieſem Billet ging ich hin, das Haus liegt dem Brunnen gegenüber; wie rauſchte mir das Waſſer ſo betäubend, — ich kam die einfache Treppe hinauf, in der Mauer ſtehen Statuen von Gyps, ſie gebieten
1**
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0041"n="9"/>
kanntſchaft von ihm, er beſann ſich hin und her und<lb/>ſagte: ja, ein lieber bekannter Engel ſind Sie gewiß,<lb/>
aber ich kann mich nur nicht beſinnen wann und wo<lb/>
ich Sie geſehen habe. Ich ſcherzte mit ihm und ſagte:<lb/>
jetzt hab' ich's herausgekriegt daß Sie von mir träu-<lb/>
men, denn anderswo können Sie mich unmöglich ge-<lb/>ſehen haben. Von ihm ließ ich mir ein Billet an Ih-<lb/>
ren Sohn geben, ich hab' es mir nachher mitgenom-<lb/>
men und zum Andenken aufbewahrt; und hier ſchreib'<lb/>
ich's Ihr ab. „<hirendition="#g">Bettina Brentano, Sophiens<lb/>
Schweſter, Maxmilianens Tochter, Sophie<lb/>
La Rochens Enkelin</hi> wünſcht Dich zu ſehen, l. Br.,<lb/>
und giebt vor, ſie fürchte ſich vor Dir, und ein Zettel-<lb/>
chen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman ſeyn,<lb/>
der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin,<lb/>
daß ſie nur ihren Spaß mit mir treibt, ſo muß ich<lb/>
doch thun, was ſie haben will, und es ſoll mich wun-<lb/>
dern, wenn Dir's nicht eben ſo wie mir geht.“</p><lb/><dateline><hirendition="#et">Den 23. April 1807.</hi></dateline><lb/><closer><salute><hirendition="#et">W.</hi></salute></closer></div><lb/><divn="2"><p>Mit dieſem Billet ging ich hin, das Haus liegt<lb/>
dem Brunnen gegenüber; wie rauſchte mir das Waſſer<lb/>ſo betäubend, — ich kam die einfache Treppe hinauf,<lb/>
in der Mauer ſtehen Statuen von Gyps, ſie gebieten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">1**</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[9/0041]
kanntſchaft von ihm, er beſann ſich hin und her und
ſagte: ja, ein lieber bekannter Engel ſind Sie gewiß,
aber ich kann mich nur nicht beſinnen wann und wo
ich Sie geſehen habe. Ich ſcherzte mit ihm und ſagte:
jetzt hab' ich's herausgekriegt daß Sie von mir träu-
men, denn anderswo können Sie mich unmöglich ge-
ſehen haben. Von ihm ließ ich mir ein Billet an Ih-
ren Sohn geben, ich hab' es mir nachher mitgenom-
men und zum Andenken aufbewahrt; und hier ſchreib'
ich's Ihr ab. „Bettina Brentano, Sophiens
Schweſter, Maxmilianens Tochter, Sophie
La Rochens Enkelin wünſcht Dich zu ſehen, l. Br.,
und giebt vor, ſie fürchte ſich vor Dir, und ein Zettel-
chen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman ſeyn,
der ihr Muth gäbe. Wiewohl ich ziemlich gewiß bin,
daß ſie nur ihren Spaß mit mir treibt, ſo muß ich
doch thun, was ſie haben will, und es ſoll mich wun-
dern, wenn Dir's nicht eben ſo wie mir geht.“
Den 23. April 1807.
W.
Mit dieſem Billet ging ich hin, das Haus liegt
dem Brunnen gegenüber; wie rauſchte mir das Waſſer
ſo betäubend, — ich kam die einfache Treppe hinauf,
in der Mauer ſtehen Statuen von Gyps, ſie gebieten
1**
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/41>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.