Ich habe mir meine Feder frisch abknipsen lassen und das vertrocknete Tintenfaß bis oben vollgegossen und weil es denn heute so abscheulich Wetter ist, daß man keinen Hund vor die Thür jagt, so sollst Du auch gleich eine Antwort haben. Liebe Bettine, ich vermisse Dich sehr in der bösen Winterzeit; wie bist Du doch im vorigen Jahre so vergnügt dahergesprungen kom- men? -- wenn's kreuz und quer schneite, da wußt ich das war so ein recht Wetter für Dich, ich braucht nicht lange zu warten, so warst Du da. Jetzt guck ich auch immer noch aus alter Gewohnheit nach der Ecke von der Katharinenpfort, aber Du kommst nicht, und weil ich das ganz gewiß meiß, so kümmert's mich. Es kom- men Visiten genug, das sind aber nur so Leutevisiten, mit denen ich nichts schwätzen kann.
Die Franzosen hab' ich auch gern, -- das ist im- mer ein ganz ander Leben, wenn die französische Ein- quartierung hier auf dem Platz ihr Brod und Fleisch ausgetheilt kriegt, als wenn die preußische oder hessische Holzböck' einrücken.
Goethe's Mutter an Bettine.
Am 14. März 1807.
Ich habe mir meine Feder friſch abknipſen laſſen und das vertrocknete Tintenfaß bis oben vollgegoſſen und weil es denn heute ſo abſcheulich Wetter iſt, daß man keinen Hund vor die Thür jagt, ſo ſollſt Du auch gleich eine Antwort haben. Liebe Bettine, ich vermiſſe Dich ſehr in der böſen Winterzeit; wie biſt Du doch im vorigen Jahre ſo vergnügt dahergeſprungen kom- men? — wenn's kreuz und quer ſchneite, da wußt ich das war ſo ein recht Wetter für Dich, ich braucht nicht lange zu warten, ſo warſt Du da. Jetzt guck ich auch immer noch aus alter Gewohnheit nach der Ecke von der Katharinenpfort, aber Du kommſt nicht, und weil ich das ganz gewiß meiß, ſo kümmert's mich. Es kom- men Viſiten genug, das ſind aber nur ſo Leuteviſiten, mit denen ich nichts ſchwätzen kann.
Die Franzoſen hab' ich auch gern, — das iſt im- mer ein ganz ander Leben, wenn die franzöſiſche Ein- quartierung hier auf dem Platz ihr Brod und Fleiſch ausgetheilt kriegt, als wenn die preußiſche oder heſſiſche Holzböck' einrücken.
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[IX/0029]
Goethe's Mutter an Bettine.
Am 14. März 1807.
Ich habe mir meine Feder friſch abknipſen laſſen
und das vertrocknete Tintenfaß bis oben vollgegoſſen
und weil es denn heute ſo abſcheulich Wetter iſt, daß
man keinen Hund vor die Thür jagt, ſo ſollſt Du auch
gleich eine Antwort haben. Liebe Bettine, ich vermiſſe
Dich ſehr in der böſen Winterzeit; wie biſt Du doch
im vorigen Jahre ſo vergnügt dahergeſprungen kom-
men? — wenn's kreuz und quer ſchneite, da wußt ich
das war ſo ein recht Wetter für Dich, ich braucht nicht
lange zu warten, ſo warſt Du da. Jetzt guck ich auch
immer noch aus alter Gewohnheit nach der Ecke von
der Katharinenpfort, aber Du kommſt nicht, und weil
ich das ganz gewiß meiß, ſo kümmert's mich. Es kom-
men Viſiten genug, das ſind aber nur ſo Leuteviſiten,
mit denen ich nichts ſchwätzen kann.
Die Franzoſen hab' ich auch gern, — das iſt im-
mer ein ganz ander Leben, wenn die franzöſiſche Ein-
quartierung hier auf dem Platz ihr Brod und Fleiſch
ausgetheilt kriegt, als wenn die preußiſche oder heſſiſche
Holzböck' einrücken.
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/29>, abgerufen am 03.12.2024.
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