ich endlich oben bin, da seh ich aus der Thurmluke den weiten Himmel, und frier' gar nicht; und da ist's als müsse ich die gesammelten Thränen abladen, und dann bin ich am andern Tag so heiter und so neuge- boren, und ich suche mit List nach einem Scherz den ich ausführen möchte; und kannst Du mir glauben? das alles bist Du.
Bettine.
Die Mutter kommt oft zu uns, wir machen ihr Maskeraden und alle mögliche Ergötzlichkeit; sie hat unsere ganze Familie in ihren Schutz genommen, ist frisch und gesund.
An Bettine.
Die Documente philanthropischer Christen- und Ju- denschaft sind glücklich angekommen, und Dir soll da- für, liebe kleine Freundin, der beste Dank werden. Es ist recht wunderlich, daß man eben zur Zeit, da so viele Menschen todt geschlagen werden, die übrigen auf's beste und zierlichste auszuputzen sucht. Fahre fort, mir von diesen heilsamen Anstalten, als Beschützerin dersel-
ich endlich oben bin, da ſeh ich aus der Thurmluke den weiten Himmel, und frier' gar nicht; und da iſt's als müſſe ich die geſammelten Thränen abladen, und dann bin ich am andern Tag ſo heiter und ſo neuge- boren, und ich ſuche mit Liſt nach einem Scherz den ich ausführen möchte; und kannſt Du mir glauben? das alles biſt Du.
Bettine.
Die Mutter kommt oft zu uns, wir machen ihr Maskeraden und alle mögliche Ergötzlichkeit; ſie hat unſere ganze Familie in ihren Schutz genommen, iſt friſch und geſund.
An Bettine.
Die Documente philanthropiſcher Chriſten- und Ju- denſchaft ſind glücklich angekommen, und Dir ſoll da- für, liebe kleine Freundin, der beſte Dank werden. Es iſt recht wunderlich, daß man eben zur Zeit, da ſo viele Menſchen todt geſchlagen werden, die übrigen auf's beſte und zierlichſte auszuputzen ſucht. Fahre fort, mir von dieſen heilſamen Anſtalten, als Beſchützerin derſel-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0239"n="207"/>
ich endlich oben bin, da ſeh ich aus der Thurmluke<lb/>
den weiten Himmel, und frier' gar nicht; und da iſt's<lb/>
als müſſe ich die geſammelten Thränen abladen, und<lb/>
dann bin ich am andern Tag ſo heiter und ſo neuge-<lb/>
boren, und ich ſuche mit Liſt nach einem Scherz den<lb/>
ich ausführen möchte; und kannſt Du mir glauben?<lb/>
das alles biſt Du.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Bettine.</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>Die Mutter kommt oft zu uns, wir machen ihr<lb/>
Maskeraden und alle mögliche Ergötzlichkeit; ſie hat<lb/>
unſere ganze Familie in ihren Schutz genommen, iſt<lb/>
friſch und geſund.</p></postscript></div><lb/><divn="2"><opener><salute>An Bettine.</salute></opener><lb/><p>Die Documente philanthropiſcher Chriſten- und Ju-<lb/>
denſchaft ſind glücklich angekommen, und Dir ſoll da-<lb/>
für, liebe kleine Freundin, der beſte Dank werden. Es<lb/>
iſt recht wunderlich, daß man eben zur Zeit, da ſo viele<lb/>
Menſchen todt geſchlagen werden, die übrigen auf's<lb/>
beſte und zierlichſte auszuputzen ſucht. Fahre fort, mir<lb/>
von dieſen heilſamen Anſtalten, als Beſchützerin derſel-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[207/0239]
ich endlich oben bin, da ſeh ich aus der Thurmluke
den weiten Himmel, und frier' gar nicht; und da iſt's
als müſſe ich die geſammelten Thränen abladen, und
dann bin ich am andern Tag ſo heiter und ſo neuge-
boren, und ich ſuche mit Liſt nach einem Scherz den
ich ausführen möchte; und kannſt Du mir glauben?
das alles biſt Du.
Bettine.
Die Mutter kommt oft zu uns, wir machen ihr
Maskeraden und alle mögliche Ergötzlichkeit; ſie hat
unſere ganze Familie in ihren Schutz genommen, iſt
friſch und geſund.
An Bettine.
Die Documente philanthropiſcher Chriſten- und Ju-
denſchaft ſind glücklich angekommen, und Dir ſoll da-
für, liebe kleine Freundin, der beſte Dank werden. Es
iſt recht wunderlich, daß man eben zur Zeit, da ſo viele
Menſchen todt geſchlagen werden, die übrigen auf's
beſte und zierlichſte auszuputzen ſucht. Fahre fort, mir
von dieſen heilſamen Anſtalten, als Beſchützerin derſel-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/239>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.