zu werfen, -- aber auf süßem, warmem, festem Ernst will ich ausruhen, und der bist Du, lachender Pro- phet. --
Ich sag' Dir's noch einmal: wer versteht's auf der weiten Erde was in mir vorgeht, wie ich so ruhig in Dir bin, so still, so ohne Wanken in meinem Gefühl; ich könnte, wie die Berge, Nächte und Tage in die Vergangenheit tragen, ohne nur zu zucken in Deinem Andenken. Und doch, wenn der Wind zuweilen von der ganzen blühenden Welt den Duft und Saamen zu- sammen auf der Berge Wipfel trägt, so werden sie auch berauscht, so wie ich gestern; da hab' ich die Welt geliebt, da war ich selig wie eine aufsprudelnde Quelle, in die die Sonne zum ersten Mal scheint.
Leb' wohl, Herrlicher, der mich blendet und mich verschüchtert. -- Von diesem steilen Fels, auf den sich meine Liebe mit Lebensgefahr gewagt hat, ist nicht mehr herunter zu klettern, daran ist gar nicht zu den- ken, da bräch' ich auf allen Fall den Hals.
Bettine.
Und so weit hatte ich gestern geschrieben, saß heute Morgen auf dem Sessel und las still und andächtig in einer Chronik, ohne mich zu bewegen, denn ich wurde dabei gemalt, so wie Du mich bald sehen sollst, -- da
zu werfen, — aber auf ſüßem, warmem, feſtem Ernſt will ich ausruhen, und der biſt Du, lachender Pro- phet. —
Ich ſag' Dir's noch einmal: wer verſteht's auf der weiten Erde was in mir vorgeht, wie ich ſo ruhig in Dir bin, ſo ſtill, ſo ohne Wanken in meinem Gefühl; ich könnte, wie die Berge, Nächte und Tage in die Vergangenheit tragen, ohne nur zu zucken in Deinem Andenken. Und doch, wenn der Wind zuweilen von der ganzen blühenden Welt den Duft und Saamen zu- ſammen auf der Berge Wipfel trägt, ſo werden ſie auch berauſcht, ſo wie ich geſtern; da hab' ich die Welt geliebt, da war ich ſelig wie eine aufſprudelnde Quelle, in die die Sonne zum erſten Mal ſcheint.
Leb' wohl, Herrlicher, der mich blendet und mich verſchüchtert. — Von dieſem ſteilen Fels, auf den ſich meine Liebe mit Lebensgefahr gewagt hat, iſt nicht mehr herunter zu klettern, daran iſt gar nicht zu den- ken, da bräch' ich auf allen Fall den Hals.
Bettine.
Und ſo weit hatte ich geſtern geſchrieben, ſaß heute Morgen auf dem Seſſel und las ſtill und andächtig in einer Chronik, ohne mich zu bewegen, denn ich wurde dabei gemalt, ſo wie Du mich bald ſehen ſollſt, — da
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zu werfen, — aber auf ſüßem, warmem, feſtem Ernſt
will ich ausruhen, und der biſt Du, lachender Pro-
phet. —
Ich ſag' Dir's noch einmal: wer verſteht's auf der
weiten Erde was in mir vorgeht, wie ich ſo ruhig in
Dir bin, ſo ſtill, ſo ohne Wanken in meinem Gefühl;
ich könnte, wie die Berge, Nächte und Tage in die
Vergangenheit tragen, ohne nur zu zucken in Deinem
Andenken. Und doch, wenn der Wind zuweilen von
der ganzen blühenden Welt den Duft und Saamen zu-
ſammen auf der Berge Wipfel trägt, ſo werden ſie
auch berauſcht, ſo wie ich geſtern; da hab' ich die Welt
geliebt, da war ich ſelig wie eine aufſprudelnde Quelle,
in die die Sonne zum erſten Mal ſcheint.
Leb' wohl, Herrlicher, der mich blendet und mich
verſchüchtert. — Von dieſem ſteilen Fels, auf den ſich
meine Liebe mit Lebensgefahr gewagt hat, iſt nicht
mehr herunter zu klettern, daran iſt gar nicht zu den-
ken, da bräch' ich auf allen Fall den Hals.
Bettine.
Und ſo weit hatte ich geſtern geſchrieben, ſaß heute
Morgen auf dem Seſſel und las ſtill und andächtig in
einer Chronik, ohne mich zu bewegen, denn ich wurde
dabei gemalt, ſo wie Du mich bald ſehen ſollſt, — da
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/189>, abgerufen am 21.11.2024.
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