Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

folge Dir gerne, wo Dich auch Dein dämonischer Geist
hinführt.

Ich lege diese Blätter an die Mutter bei, die Dir
sie zu freundlicher Stunde senden mag, da ich Deine
Addresse nicht genau weiß. -- Lebe wohl und komme
Deinen Verheißungen nach.



Goethe.
An Goethe.


Wer kann's deuten und ermessen, was in mir vor-
geht? -- Ich bin glücklich jetzt im Andenken der Ver-
gangenheit, als ich kaum damals in der Gegenwart
war; mein erregtes Herz, die Überraschung bei Dir zu
sein, dies Kommen und Gehen und Wiederkehren in den
paar Tagen, das war alles wie eindringende Wolken
an meinem Himmel; er mußte durch meine zu große
Nähe zugleich meinen Schatten aufnehmen, so wie er
auch immer dunkler ist, wo er an die Erde gränzt; jetzt
in der Ferne wird er mild und hoch und ganz hell.

Ich möchte Deine liebe Hand mit meinen beiden

folge Dir gerne, wo Dich auch Dein dämoniſcher Geiſt
hinführt.

Ich lege dieſe Blätter an die Mutter bei, die Dir
ſie zu freundlicher Stunde ſenden mag, da ich Deine
Addreſſe nicht genau weiß. — Lebe wohl und komme
Deinen Verheißungen nach.



Goethe.
An Goethe.


Wer kann's deuten und ermeſſen, was in mir vor-
geht? — Ich bin glücklich jetzt im Andenken der Ver-
gangenheit, als ich kaum damals in der Gegenwart
war; mein erregtes Herz, die Überraſchung bei Dir zu
ſein, dies Kommen und Gehen und Wiederkehren in den
paar Tagen, das war alles wie eindringende Wolken
an meinem Himmel; er mußte durch meine zu große
Nähe zugleich meinen Schatten aufnehmen, ſo wie er
auch immer dunkler iſt, wo er an die Erde gränzt; jetzt
in der Ferne wird er mild und hoch und ganz hell.

Ich möchte Deine liebe Hand mit meinen beiden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="155"/>
folge Dir gerne, wo Dich auch Dein dämoni&#x017F;cher Gei&#x017F;t<lb/>
hinführt.</p><lb/>
          <p>Ich lege die&#x017F;e Blätter an die Mutter bei, die Dir<lb/>
&#x017F;ie zu freundlicher Stunde &#x017F;enden mag, da ich Deine<lb/>
Addre&#x017F;&#x017F;e nicht genau weiß. &#x2014; Lebe wohl und komme<lb/>
Deinen Verheißungen nach.</p><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Weimar, den 7. Augu&#x017F;t 1807.</hi> </dateline><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Goethe.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An Goethe.</salute><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#et">Ka&#x017F;&#x017F;el, den 13. Augu&#x017F;t 1807.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Wer kann's deuten und erme&#x017F;&#x017F;en, was in mir vor-<lb/>
geht? &#x2014; Ich bin glücklich jetzt im Andenken der Ver-<lb/>
gangenheit, als ich kaum damals in der Gegenwart<lb/>
war; mein erregtes Herz, die Überra&#x017F;chung bei Dir zu<lb/>
&#x017F;ein, dies Kommen und Gehen und Wiederkehren in den<lb/>
paar Tagen, das war alles wie eindringende Wolken<lb/>
an meinem Himmel; er mußte durch meine zu große<lb/>
Nähe zugleich meinen Schatten aufnehmen, &#x017F;o wie er<lb/>
auch immer dunkler i&#x017F;t, wo er an die Erde gränzt; jetzt<lb/>
in der Ferne wird er mild und hoch und ganz hell.</p><lb/>
          <p>Ich möchte Deine liebe Hand mit meinen beiden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0187] folge Dir gerne, wo Dich auch Dein dämoniſcher Geiſt hinführt. Ich lege dieſe Blätter an die Mutter bei, die Dir ſie zu freundlicher Stunde ſenden mag, da ich Deine Addreſſe nicht genau weiß. — Lebe wohl und komme Deinen Verheißungen nach. Weimar, den 7. Auguſt 1807. Goethe. An Goethe. Kaſſel, den 13. Auguſt 1807. Wer kann's deuten und ermeſſen, was in mir vor- geht? — Ich bin glücklich jetzt im Andenken der Ver- gangenheit, als ich kaum damals in der Gegenwart war; mein erregtes Herz, die Überraſchung bei Dir zu ſein, dies Kommen und Gehen und Wiederkehren in den paar Tagen, das war alles wie eindringende Wolken an meinem Himmel; er mußte durch meine zu große Nähe zugleich meinen Schatten aufnehmen, ſo wie er auch immer dunkler iſt, wo er an die Erde gränzt; jetzt in der Ferne wird er mild und hoch und ganz hell. Ich möchte Deine liebe Hand mit meinen beiden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/187
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/187>, abgerufen am 21.12.2024.