Heute hab' ich mit der Mutter Wahl gehalten, was ich Ihnen für einen Titel geben darf; da hat sie mir die beiden frei gelassen, -- ich hab' sie beide hingeschrie- ben; ich seh' der Zeit entgegen wo meine Feder anders dahin tanzen wird, -- unbekümmert, wo die Flammen hinausschlagen; wo ich Ihnen mein verborgnes Herz entdecke, das so ungestüm schlägt und doch zittert. Wer- den Sie mir solche Ungereimtheiten auch auflösen? -- Wenn ich in derselben Natur mich weiß, deren inneres Leben durch ihren Geist mir verständlich wird, dann kann ich oft beide nicht mehr von einander unterschei- den; ich leg' mich an grünen Rasen nieder mit umfas- senden Armen, und fühle mich Ihnen so nah wie da- mals, wo Sie den Aufruhr in meinem Herzen zu be- schwichtigen, zu dem einfachen Zaubermittel griffen, von meinen Armen umfaßt, so lange mich ruhig anzusehen, bis ich von der Gewißheit meines Glückes mich durch- drungen fühlte.
Lieber Freund! wer dürfte zweifeln, daß das, was einmal so erkannt und so ergriffen war, wieder verlo-
Lieber Goethe! lieber Freund! —
14ten Juni.
Heute hab' ich mit der Mutter Wahl gehalten, was ich Ihnen für einen Titel geben darf; da hat ſie mir die beiden frei gelaſſen, — ich hab' ſie beide hingeſchrie- ben; ich ſeh' der Zeit entgegen wo meine Feder anders dahin tanzen wird, — unbekümmert, wo die Flammen hinausſchlagen; wo ich Ihnen mein verborgnes Herz entdecke, das ſo ungeſtüm ſchlägt und doch zittert. Wer- den Sie mir ſolche Ungereimtheiten auch auflöſen? — Wenn ich in derſelben Natur mich weiß, deren inneres Leben durch ihren Geiſt mir verſtändlich wird, dann kann ich oft beide nicht mehr von einander unterſchei- den; ich leg' mich an grünen Raſen nieder mit umfaſ- ſenden Armen, und fühle mich Ihnen ſo nah wie da- mals, wo Sie den Aufruhr in meinem Herzen zu be- ſchwichtigen, zu dem einfachen Zaubermittel griffen, von meinen Armen umfaßt, ſo lange mich ruhig anzuſehen, bis ich von der Gewißheit meines Glückes mich durch- drungen fühlte.
Lieber Freund! wer dürfte zweifeln, daß das, was einmal ſo erkannt und ſo ergriffen war, wieder verlo-
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Lieber Goethe! lieber Freund! —
14ten Juni.
Heute hab' ich mit der Mutter Wahl gehalten, was
ich Ihnen für einen Titel geben darf; da hat ſie mir
die beiden frei gelaſſen, — ich hab' ſie beide hingeſchrie-
ben; ich ſeh' der Zeit entgegen wo meine Feder anders
dahin tanzen wird, — unbekümmert, wo die Flammen
hinausſchlagen; wo ich Ihnen mein verborgnes Herz
entdecke, das ſo ungeſtüm ſchlägt und doch zittert. Wer-
den Sie mir ſolche Ungereimtheiten auch auflöſen? —
Wenn ich in derſelben Natur mich weiß, deren inneres
Leben durch ihren Geiſt mir verſtändlich wird, dann
kann ich oft beide nicht mehr von einander unterſchei-
den; ich leg' mich an grünen Raſen nieder mit umfaſ-
ſenden Armen, und fühle mich Ihnen ſo nah wie da-
mals, wo Sie den Aufruhr in meinem Herzen zu be-
ſchwichtigen, zu dem einfachen Zaubermittel griffen, von
meinen Armen umfaßt, ſo lange mich ruhig anzuſehen,
bis ich von der Gewißheit meines Glückes mich durch-
drungen fühlte.
Lieber Freund! wer dürfte zweifeln, daß das, was
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/160>, abgerufen am 30.12.2024.
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