Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.Albert spricht zur Herzogin: "Das war nicht der Rede Sinn, "Meinte unsre eignen Augen, "Wie wir nicht zusammen taugen." Beyde Kinder unverweset Liegen noch im Marmorsarge, Als wär heut der Mord gewesen, Recht zum Trotze allem Argen. Auf diese Gunst machen alle Gewerbe Anspruch. Es war einmal ein Zimmergesell, War gar ein jung frisch Blut, Er baut dem jungen Markgrafen ein Haus, Sechshundert Schauläden hinaus. Und als das Haus gebauet war, Legt er sich nieder und schlief, Da kam des jungen Markgrafen sein Weib, Zum zweiten und drittenmal rief. "Steh auf, steh auf gut Zimmergesell, "Denn es ist an der Stund "Hast du so wohl ja gebauet das Haus "So küß' mich an meinen Mund." "Ach nein, ach nein, Markgräfin fein, "Das wär uns beiden ein Schand, "Und wenn es der junge Markgrafe erführ, "Mußt ich wohl meiden das Land." Albert ſpricht zur Herzogin: „Das war nicht der Rede Sinn, „Meinte unſre eignen Augen, „Wie wir nicht zuſammen taugen.“ Beyde Kinder unverweſet Liegen noch im Marmorſarge, Als waͤr heut der Mord geweſen, Recht zum Trotze allem Argen. Auf dieſe Gunſt machen alle Gewerbe Anſpruch. Es war einmal ein Zimmergeſell, War gar ein jung friſch Blut, Er baut dem jungen Markgrafen ein Haus, Sechshundert Schaulaͤden hinaus. Und als das Haus gebauet war, Legt er ſich nieder und ſchlief, Da kam des jungen Markgrafen ſein Weib, Zum zweiten und drittenmal rief. „Steh auf, ſteh auf gut Zimmergeſell, „Denn es iſt an der Stund „Haſt du ſo wohl ja gebauet das Haus „So kuͤß' mich an meinen Mund.“ „Ach nein, ach nein, Markgraͤfin fein, „Das waͤr uns beiden ein Schand, „Und wenn es der junge Markgrafe erfuͤhr, „Mußt ich wohl meiden das Land.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0247" n="235"/> <lg n="29"> <l>Albert ſpricht zur Herzogin:</l><lb/> <l>„Das war nicht der Rede Sinn,</l> </lg><lb/> <lg n="30"> <l>„Meinte unſre eignen Augen,</l><lb/> <l>„Wie wir nicht zuſammen taugen.“</l> </lg><lb/> <lg n="31"> <l>Beyde Kinder unverweſet</l><lb/> <l>Liegen noch im Marmorſarge,</l><lb/> <l>Als waͤr heut der Mord geweſen,</l><lb/> <l>Recht zum Trotze allem Argen.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Auf dieſe Gunſt machen alle Gewerbe<lb/> Anſpruch</hi>.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein Zimmergeſell,</l><lb/> <l>War gar ein jung friſch Blut,</l><lb/> <l>Er baut dem jungen Markgrafen ein Haus,</l><lb/> <l>Sechshundert Schaulaͤden hinaus.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und als das Haus gebauet war,</l><lb/> <l>Legt er ſich nieder und ſchlief,</l><lb/> <l>Da kam des jungen Markgrafen ſein Weib,</l><lb/> <l>Zum zweiten und drittenmal rief.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>„Steh auf, ſteh auf gut Zimmergeſell,</l><lb/> <l>„Denn es iſt an der Stund</l><lb/> <l>„Haſt du ſo wohl ja gebauet das Haus</l><lb/> <l>„So kuͤß' mich an meinen Mund.“</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>„Ach nein, ach nein, Markgraͤfin fein,</l><lb/> <l>„Das waͤr uns beiden ein Schand,</l><lb/> <l>„Und wenn es der junge Markgrafe erfuͤhr,</l><lb/> <l>„Mußt ich wohl meiden das Land.“</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [235/0247]
Albert ſpricht zur Herzogin:
„Das war nicht der Rede Sinn,
„Meinte unſre eignen Augen,
„Wie wir nicht zuſammen taugen.“
Beyde Kinder unverweſet
Liegen noch im Marmorſarge,
Als waͤr heut der Mord geweſen,
Recht zum Trotze allem Argen.
Auf dieſe Gunſt machen alle Gewerbe
Anſpruch.
Es war einmal ein Zimmergeſell,
War gar ein jung friſch Blut,
Er baut dem jungen Markgrafen ein Haus,
Sechshundert Schaulaͤden hinaus.
Und als das Haus gebauet war,
Legt er ſich nieder und ſchlief,
Da kam des jungen Markgrafen ſein Weib,
Zum zweiten und drittenmal rief.
„Steh auf, ſteh auf gut Zimmergeſell,
„Denn es iſt an der Stund
„Haſt du ſo wohl ja gebauet das Haus
„So kuͤß' mich an meinen Mund.“
„Ach nein, ach nein, Markgraͤfin fein,
„Das waͤr uns beiden ein Schand,
„Und wenn es der junge Markgrafe erfuͤhr,
„Mußt ich wohl meiden das Land.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |