Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite
Was zog er von seinem Finger?
Ein'n Ring von reinem Gold gar fein.
Er warf den Ring in ihren Schooß,
Sie weinte, daß der Ring gar floß.
Was zog er aus seiner Taschen?
Ein Tuch sehr weiß gewaschen.
"Trockne ab, trockne ab dein Aeugelein,
"Du sollst hinfort mein eigen seyn.
"Ich thu dich nur versuchen,
"Ob du würd'st schwören oder fluchen;
"Hätt'st du einen Fluch oder Schwur gethan,
"So wär ich gleich geritten davon."


Der Falke.

Mündlich.

Wär ich ein wilder Falke,
Ich wollt mich schwingen auf,
Und wollt mich niederlassen
Vor meines Grafen Haus.
Und wollt mit starken Flügel,
Da schlagen an Liebchens Thür,
Daß springen sollt der Riegel,
Mein Liebchen trät herfür.
"Hörst du die Schlüssel klingen,
"Dein Mutter ist nicht weit,
Was zog er von ſeinem Finger?
Ein'n Ring von reinem Gold gar fein.
Er warf den Ring in ihren Schooß,
Sie weinte, daß der Ring gar floß.
Was zog er aus ſeiner Taſchen?
Ein Tuch ſehr weiß gewaſchen.
„Trockne ab, trockne ab dein Aeugelein,
„Du ſollſt hinfort mein eigen ſeyn.
„Ich thu dich nur verſuchen,
„Ob du wuͤrd'ſt ſchwoͤren oder fluchen;
„Haͤtt'ſt du einen Fluch oder Schwur gethan,
„So waͤr ich gleich geritten davon.“


Der Falke.

Muͤndlich.

Waͤr ich ein wilder Falke,
Ich wollt mich ſchwingen auf,
Und wollt mich niederlaſſen
Vor meines Grafen Haus.
Und wollt mit ſtarken Fluͤgel,
Da ſchlagen an Liebchens Thuͤr,
Daß ſpringen ſollt der Riegel,
Mein Liebchen traͤt herfuͤr.
„Hoͤrſt du die Schluͤſſel klingen,
„Dein Mutter iſt nicht weit,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0072" n="63"/>
            <lg n="8">
              <l>Was zog er von &#x017F;einem Finger?</l><lb/>
              <l>Ein'n Ring von reinem Gold gar fein.</l><lb/>
              <l>Er warf den Ring in ihren Schooß,</l><lb/>
              <l>Sie weinte, daß der Ring gar floß.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Was zog er aus &#x017F;einer Ta&#x017F;chen?</l><lb/>
              <l>Ein Tuch &#x017F;ehr weiß gewa&#x017F;chen.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Trockne ab, trockne ab dein Aeugelein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Du &#x017F;oll&#x017F;t hinfort mein eigen &#x017F;eyn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>&#x201E;Ich thu dich nur ver&#x017F;uchen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ob du wu&#x0364;rd'&#x017F;t &#x017F;chwo&#x0364;ren oder fluchen;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ha&#x0364;tt'&#x017F;t du einen Fluch oder Schwur gethan,</l><lb/>
              <l>&#x201E;So wa&#x0364;r ich gleich geritten davon.&#x201C;</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Der Falke</hi>.</head><lb/>
          <p rendition="#c">Mu&#x0364;ndlich.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>a&#x0364;r ich ein wilder Falke,</l><lb/>
              <l>Ich wollt mich &#x017F;chwingen auf,</l><lb/>
              <l>Und wollt mich niederla&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Vor meines Grafen Haus.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Und wollt mit &#x017F;tarken Flu&#x0364;gel,</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;chlagen an Liebchens Thu&#x0364;r,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;pringen &#x017F;ollt der Riegel,</l><lb/>
              <l>Mein Liebchen tra&#x0364;t herfu&#x0364;r.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>&#x201E;Ho&#x0364;r&#x017F;t du die Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el klingen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dein Mutter i&#x017F;t nicht weit,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0072] Was zog er von ſeinem Finger? Ein'n Ring von reinem Gold gar fein. Er warf den Ring in ihren Schooß, Sie weinte, daß der Ring gar floß. Was zog er aus ſeiner Taſchen? Ein Tuch ſehr weiß gewaſchen. „Trockne ab, trockne ab dein Aeugelein, „Du ſollſt hinfort mein eigen ſeyn. „Ich thu dich nur verſuchen, „Ob du wuͤrd'ſt ſchwoͤren oder fluchen; „Haͤtt'ſt du einen Fluch oder Schwur gethan, „So waͤr ich gleich geritten davon.“ Der Falke. Muͤndlich. Waͤr ich ein wilder Falke, Ich wollt mich ſchwingen auf, Und wollt mich niederlaſſen Vor meines Grafen Haus. Und wollt mit ſtarken Fluͤgel, Da ſchlagen an Liebchens Thuͤr, Daß ſpringen ſollt der Riegel, Mein Liebchen traͤt herfuͤr. „Hoͤrſt du die Schluͤſſel klingen, „Dein Mutter iſt nicht weit,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/72
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/72>, abgerufen am 19.11.2024.