Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.Glück versenkt, ruhig seine Straße dahin. Es war eine recht 23. Des Bösen Ende. Am andern Morgen erwartete die Resl von Stunde zu Endlich, endlich kam ein Kind und berichtete in seiner ganzen *) Die Bauern geben überhaupt nicht leicht einander an.
Glück verſenkt, ruhig ſeine Straße dahin. Es war eine recht 23. Des Böſen Ende. Am andern Morgen erwartete die Resl von Stunde zu Endlich, endlich kam ein Kind und berichtete in ſeiner ganzen *) Die Bauern geben überhaupt nicht leicht einander an.
<TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0067"/> Glück verſenkt, ruhig ſeine Straße dahin. Es war eine recht<lb/> dunkle Nacht, aber den Weg kannte er ja und Furcht war ihm<lb/> fremd. — Plötzlich flog ein Adler, der nicht fern dieſer Stelle<lb/> auf ſteiler Berghöhe ſein Neſt hatte, mit ſchwerem Flug über<lb/> ſein Haupt. Dies weckte den Franz aus ſeinen Träumen, und<lb/> als er um ſich blickte, glaubte er wenige Schritte von ſich im<lb/> Geſträuch eine kleine Bewegung und — wenn’s nicht Täuſchung<lb/> war — ein Paar blitzende Augen zu ſehen. Unverzagt ging er<lb/> auf die unheimliche Stelle los; da ſprang der Michel mit ge-<lb/> zücktem Meſſer auf ihn zu. Franz parirte aber den Stoß, und<lb/> wie ſchon früher einmal dem Feind, ſo fiel er jetzt ſeinem Mörder<lb/> mit Gewandtheit in den Arm. Ein kurzes Ringen, Franz hatte<lb/> das Meſſer in ſeiner Gewalt, und mit ſeiner ganzen Kraft ſchleu-<lb/> derte er’s ins dunkle Dickicht hinaus. — Jetzt erſt beſah er ſich<lb/> ſeinen Angreifer genauer und erkannte ihn. „Du biſt es!“ ſagte<lb/> er, „du Schurke haſt dich noch einmal an mich getraut? weißt<lb/> du, daß ich dich morgen an den Galgen bringen kann?“ „Thu’<lb/> was du magſt!“ war die trotzige Antwort. „Weil dein Haß nur<lb/> auf mich geht“, ſagte Franz, „ſo will ich dich laufen laſſen<note place="foot" n="*)">Die Bauern geben überhaupt nicht leicht einander an.<lb/></note>.<lb/> Kommſt du mir aber noch einmal in den Weg, das merk’ dir!<lb/> dann geht’s dir ſchlecht.“ — Mit einem Fluch verließ ihn der<lb/> Michel, und Franz ging mit einem innigen Dankgebet zu Haus.</p><lb/> </div> <div type="chapter"> <head>23. Des Böſen Ende.</head><lb/> <p>Am andern Morgen erwartete die Resl von Stunde zu<lb/> Stunde das goldene Ringlein, denn <hi rendition="#g">ſein</hi> Eintreffen konnte ihr<lb/> ein Zeichen ſein, daß ihr Verlobter geborgen iſt. Aber nichts<lb/> kam, und bis Mittag war ihre Angſt um ihn ſo geſtiegen, daß<lb/> ihr faſt die Sinne vergehen wollten.</p><lb/> <p>Endlich, endlich kam ein Kind und berichtete in ſeiner ganzen<lb/> Unſchuld, daß ſie der Wiesbauer Franz ſchön grüßen läßt, da<lb/> ſchicke er das verſprochene Ringel, und dazu laſſe er ihr noch<lb/> ſagen, daß er ſchon Recht gehabt, die Muttergottes müſſe die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0067]
Glück verſenkt, ruhig ſeine Straße dahin. Es war eine recht
dunkle Nacht, aber den Weg kannte er ja und Furcht war ihm
fremd. — Plötzlich flog ein Adler, der nicht fern dieſer Stelle
auf ſteiler Berghöhe ſein Neſt hatte, mit ſchwerem Flug über
ſein Haupt. Dies weckte den Franz aus ſeinen Träumen, und
als er um ſich blickte, glaubte er wenige Schritte von ſich im
Geſträuch eine kleine Bewegung und — wenn’s nicht Täuſchung
war — ein Paar blitzende Augen zu ſehen. Unverzagt ging er
auf die unheimliche Stelle los; da ſprang der Michel mit ge-
zücktem Meſſer auf ihn zu. Franz parirte aber den Stoß, und
wie ſchon früher einmal dem Feind, ſo fiel er jetzt ſeinem Mörder
mit Gewandtheit in den Arm. Ein kurzes Ringen, Franz hatte
das Meſſer in ſeiner Gewalt, und mit ſeiner ganzen Kraft ſchleu-
derte er’s ins dunkle Dickicht hinaus. — Jetzt erſt beſah er ſich
ſeinen Angreifer genauer und erkannte ihn. „Du biſt es!“ ſagte
er, „du Schurke haſt dich noch einmal an mich getraut? weißt
du, daß ich dich morgen an den Galgen bringen kann?“ „Thu’
was du magſt!“ war die trotzige Antwort. „Weil dein Haß nur
auf mich geht“, ſagte Franz, „ſo will ich dich laufen laſſen *).
Kommſt du mir aber noch einmal in den Weg, das merk’ dir!
dann geht’s dir ſchlecht.“ — Mit einem Fluch verließ ihn der
Michel, und Franz ging mit einem innigen Dankgebet zu Haus.
23. Des Böſen Ende.
Am andern Morgen erwartete die Resl von Stunde zu
Stunde das goldene Ringlein, denn ſein Eintreffen konnte ihr
ein Zeichen ſein, daß ihr Verlobter geborgen iſt. Aber nichts
kam, und bis Mittag war ihre Angſt um ihn ſo geſtiegen, daß
ihr faſt die Sinne vergehen wollten.
Endlich, endlich kam ein Kind und berichtete in ſeiner ganzen
Unſchuld, daß ſie der Wiesbauer Franz ſchön grüßen läßt, da
ſchicke er das verſprochene Ringel, und dazu laſſe er ihr noch
ſagen, daß er ſchon Recht gehabt, die Muttergottes müſſe die
*) Die Bauern geben überhaupt nicht leicht einander an.
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