Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

noch zurück: "Hast du meine Lieb' verschmäht, so kannst du jetzt
meinen Haß spüren." Auf den ängstlichen Hilferuf kamen die
drei Sennerinnen herbeigelaufen, und fanden die arme Resl
halb ohnmächtig in ihrer Hütte. -- Als die Nandl hörte was
vorgefallen, schrie sie: "Wart' nur, du Galgenfrüchtel! kommst
du noch einmal herauf, so mach' ich's dir wie selbige tapfere
Sennerin, die vor drei Jahren einem Dieb das Ohr abgehauen
hat." Dann lobte sie die Resl, weil sie sich so muthig gegen
den Michel gewehrt hat, und eine Jede wollte ihr etwas zum
Trost sagen; die Resl aber meinte, jetzt sei's doch gut, daß sie
bald zum Vater komme. Unterdessen entging ihnen ganz, daß
eine schwere, schwarze Wolke vom Schilchenstein heraufzog. Plötzlich
kam ein Windstoß, und ihm folgte ein furchtbarer Schlag. Alle
stürzten betäubt nieder, und Schwefelqualm drang in die Hütte.
Nach einigen schwächeren Schlägen hatte der Sturm die Wolke
weiter nach Osten gepeitscht und es wurde wieder still. -- Auch
die Betäubung der Sennerinnen war vorüber, und die Nandl
fuhr mit dem Ruf in die Höhe: "Das war ein Wetterschlag!
wenn er nur nicht gezündet hat." Schnell wollten sie nach ihren
Hütten sehen, als sie aber vor die Thüre kamen, sahen sie, daß
der Blitz an dem Bildstöckel vor Resl's Hütte herunterfuhr
und ein großes Donnerloch*) in den Boden schlug. Das Bild-
stöckel war auch ganz verkohlt, nur das Heiligenbild war un-
versehrt geblieben, und glänzte wie verklärt in der wiederkehren-
den Sonne. -- "Gelobt sei Gott!" rief die Nandl. "Unsere
liebe Frau ist bei uns geblieben. Freu' dich, Resl, das be-
deutet für dich Heil und Segen."

17. Das Echo auf der Halserspitz.

Schaut nur einmal, wie sich heute der Wiesbauer Franzl
so fein herausgeputzt hat! und vor seiner Thür steht des Wirths
Fuhrwerk, was hat das zu bedeuten? Nur Geduld, bald werden
wir es erfahren. Schon sehen wir, daß er seine kranke Mutter

*) Redensart der Sennerinnen.

noch zurück: „Haſt du meine Lieb’ verſchmäht, ſo kannſt du jetzt
meinen Haß ſpüren.“ Auf den ängſtlichen Hilferuf kamen die
drei Sennerinnen herbeigelaufen, und fanden die arme Resl
halb ohnmächtig in ihrer Hütte. — Als die Nandl hörte was
vorgefallen, ſchrie ſie: „Wart’ nur, du Galgenfrüchtel! kommſt
du noch einmal herauf, ſo mach’ ich’s dir wie ſelbige tapfere
Sennerin, die vor drei Jahren einem Dieb das Ohr abgehauen
hat.“ Dann lobte ſie die Resl, weil ſie ſich ſo muthig gegen
den Michel gewehrt hat, und eine Jede wollte ihr etwas zum
Troſt ſagen; die Resl aber meinte, jetzt ſei’s doch gut, daß ſie
bald zum Vater komme. Unterdeſſen entging ihnen ganz, daß
eine ſchwere, ſchwarze Wolke vom Schilchenſtein heraufzog. Plötzlich
kam ein Windſtoß, und ihm folgte ein furchtbarer Schlag. Alle
ſtürzten betäubt nieder, und Schwefelqualm drang in die Hütte.
Nach einigen ſchwächeren Schlägen hatte der Sturm die Wolke
weiter nach Oſten gepeitſcht und es wurde wieder ſtill. — Auch
die Betäubung der Sennerinnen war vorüber, und die Nandl
fuhr mit dem Ruf in die Höhe: „Das war ein Wetterſchlag!
wenn er nur nicht gezündet hat.“ Schnell wollten ſie nach ihren
Hütten ſehen, als ſie aber vor die Thüre kamen, ſahen ſie, daß
der Blitz an dem Bildſtöckel vor Resl’s Hütte herunterfuhr
und ein großes Donnerloch*) in den Boden ſchlug. Das Bild-
ſtöckel war auch ganz verkohlt, nur das Heiligenbild war un-
verſehrt geblieben, und glänzte wie verklärt in der wiederkehren-
den Sonne. — „Gelobt ſei Gott!“ rief die Nandl. „Unſere
liebe Frau iſt bei uns geblieben. Freu’ dich, Resl, das be-
deutet für dich Heil und Segen.“

17. Das Echo auf der Halſerſpitz.

Schaut nur einmal, wie ſich heute der Wiesbauer Franzl
ſo fein herausgeputzt hat! und vor ſeiner Thür ſteht des Wirths
Fuhrwerk, was hat das zu bedeuten? Nur Geduld, bald werden
wir es erfahren. Schon ſehen wir, daß er ſeine kranke Mutter

*) Redensart der Sennerinnen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <p><pb facs="#f0049"/>
noch zurück: &#x201E;Ha&#x017F;t du meine Lieb&#x2019; ver&#x017F;chmäht, &#x017F;o kann&#x017F;t du jetzt<lb/>
meinen Haß &#x017F;püren.&#x201C; Auf den äng&#x017F;tlichen Hilferuf kamen die<lb/>
drei Sennerinnen herbeigelaufen, und fanden die arme Resl<lb/>
halb ohnmächtig in ihrer Hütte. &#x2014; Als die <choice><sic>Nandl.</sic><corr>Nandl</corr></choice> hörte was<lb/>
vorgefallen, &#x017F;chrie &#x017F;ie: &#x201E;Wart&#x2019; nur, du Galgenfrüchtel! komm&#x017F;t<lb/>
du noch einmal herauf, &#x017F;o mach&#x2019; ich&#x2019;s dir wie &#x017F;elbige tapfere<lb/>
Sennerin, die vor drei Jahren einem Dieb das Ohr abgehauen<lb/>
hat.&#x201C; Dann lobte &#x017F;ie die Resl, weil &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o muthig gegen<lb/>
den Michel gewehrt hat, und eine Jede wollte ihr etwas zum<lb/>
Tro&#x017F;t &#x017F;agen; die Resl aber meinte, jetzt &#x017F;ei&#x2019;s doch gut, daß &#x017F;ie<lb/>
bald zum Vater komme. Unterde&#x017F;&#x017F;en entging ihnen ganz, daß<lb/>
eine &#x017F;chwere, &#x017F;chwarze Wolke vom Schilchen&#x017F;tein heraufzog. Plötzlich<lb/>
kam ein Wind&#x017F;toß, und ihm folgte ein furchtbarer Schlag. Alle<lb/>
&#x017F;türzten betäubt nieder, und Schwefelqualm drang in die Hütte.<lb/>
Nach einigen &#x017F;chwächeren Schlägen hatte der Sturm die Wolke<lb/>
weiter nach O&#x017F;ten gepeit&#x017F;cht und es wurde wieder &#x017F;till. &#x2014; Auch<lb/>
die Betäubung der Sennerinnen war vorüber, und die Nandl<lb/>
fuhr mit dem Ruf in die Höhe: &#x201E;Das war ein Wetter&#x017F;chlag!<lb/>
wenn er nur nicht gezündet hat.&#x201C; Schnell wollten &#x017F;ie nach ihren<lb/>
Hütten &#x017F;ehen, als &#x017F;ie aber vor die Thüre kamen, &#x017F;ahen &#x017F;ie, daß<lb/>
der Blitz an dem Bild&#x017F;töckel vor Resl&#x2019;s Hütte herunterfuhr<lb/>
und ein großes Donnerloch<note place="foot" n="*)">Redensart der Sennerinnen.<lb/></note> in den Boden &#x017F;chlug. Das Bild-<lb/>
&#x017F;töckel war auch ganz verkohlt, nur das Heiligenbild war un-<lb/>
ver&#x017F;ehrt geblieben, und glänzte wie verklärt in der wiederkehren-<lb/>
den Sonne. &#x2014; &#x201E;Gelobt &#x017F;ei Gott!&#x201C; rief die Nandl. &#x201E;Un&#x017F;ere<lb/>
liebe Frau i&#x017F;t bei uns geblieben. Freu&#x2019; dich, Resl, das be-<lb/>
deutet für dich Heil und Segen.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
      <div type="chapter">
        <head>17. Das Echo auf der Hal&#x017F;er&#x017F;pitz.</head><lb/>
        <p>Schaut nur einmal, wie &#x017F;ich heute der Wiesbauer Franzl<lb/>
&#x017F;o fein herausgeputzt hat! und vor &#x017F;einer Thür &#x017F;teht des Wirths<lb/>
Fuhrwerk, was hat das zu bedeuten? Nur Geduld, bald werden<lb/>
wir es erfahren. Schon &#x017F;ehen wir, daß er &#x017F;eine kranke Mutter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] noch zurück: „Haſt du meine Lieb’ verſchmäht, ſo kannſt du jetzt meinen Haß ſpüren.“ Auf den ängſtlichen Hilferuf kamen die drei Sennerinnen herbeigelaufen, und fanden die arme Resl halb ohnmächtig in ihrer Hütte. — Als die Nandl hörte was vorgefallen, ſchrie ſie: „Wart’ nur, du Galgenfrüchtel! kommſt du noch einmal herauf, ſo mach’ ich’s dir wie ſelbige tapfere Sennerin, die vor drei Jahren einem Dieb das Ohr abgehauen hat.“ Dann lobte ſie die Resl, weil ſie ſich ſo muthig gegen den Michel gewehrt hat, und eine Jede wollte ihr etwas zum Troſt ſagen; die Resl aber meinte, jetzt ſei’s doch gut, daß ſie bald zum Vater komme. Unterdeſſen entging ihnen ganz, daß eine ſchwere, ſchwarze Wolke vom Schilchenſtein heraufzog. Plötzlich kam ein Windſtoß, und ihm folgte ein furchtbarer Schlag. Alle ſtürzten betäubt nieder, und Schwefelqualm drang in die Hütte. Nach einigen ſchwächeren Schlägen hatte der Sturm die Wolke weiter nach Oſten gepeitſcht und es wurde wieder ſtill. — Auch die Betäubung der Sennerinnen war vorüber, und die Nandl fuhr mit dem Ruf in die Höhe: „Das war ein Wetterſchlag! wenn er nur nicht gezündet hat.“ Schnell wollten ſie nach ihren Hütten ſehen, als ſie aber vor die Thüre kamen, ſahen ſie, daß der Blitz an dem Bildſtöckel vor Resl’s Hütte herunterfuhr und ein großes Donnerloch *) in den Boden ſchlug. Das Bild- ſtöckel war auch ganz verkohlt, nur das Heiligenbild war un- verſehrt geblieben, und glänzte wie verklärt in der wiederkehren- den Sonne. — „Gelobt ſei Gott!“ rief die Nandl. „Unſere liebe Frau iſt bei uns geblieben. Freu’ dich, Resl, das be- deutet für dich Heil und Segen.“ 17. Das Echo auf der Halſerſpitz. Schaut nur einmal, wie ſich heute der Wiesbauer Franzl ſo fein herausgeputzt hat! und vor ſeiner Thür ſteht des Wirths Fuhrwerk, was hat das zu bedeuten? Nur Geduld, bald werden wir es erfahren. Schon ſehen wir, daß er ſeine kranke Mutter *) Redensart der Sennerinnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Andreas Hungeling / https://www.stimm-los.de/: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-06-17T10:39:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T10:39:18Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/49
Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/49>, abgerufen am 21.12.2024.