Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Julius Hart. Glashallen über uns, rings Menschenwirr'n, ... Halt! Und "Berlin!" Hinaus aus engem Wagen! "Berlin!" "Berlin!" Nun hoch die junge Stirn, Ins wilde Leben laß dich mächtig tragen! Berlin! Berlin! Die Menge drängt und wallt, Wirst du versinken hier in dunklen Massen ... Und über dich hinschreitend stumm und kalt, Wird Niemand deine schwache Hand erfassen? Du suchst -- du suchst die Welt in dieser Flut, Suchst glühende Rosen, grüne Lorbeerkronen, ... Schau dort hinaus! ... Die Luft durchquillt's wie Blut, Es brennt die Schlacht und Niemand wird dich schonen. Schau dort hinaus! Es flammt die Luft und glüht, Horch Geigenton zu Tanz und üpp'gem Reigen! Schau dort hinaus, der fahle Nebel sprüht, Aus dem Gerippe nackt herniedersteigen ... Zusammen liegt hier Tod und Lebenslust, Und Licht und Nebel in den langen Gassen -- -- -- Nun zeuch hinab, so stolz und selbstbewußt, Welch' Spur willst du in diesen Fluten lassen? Am Morgen. 1884. Originalbeitrag. Fahler Morgenglanz, Graues Dämmerlicht, Und im Spiegel dort Starrt mein Angesicht. Von dem letzten Kuß Bebt mein Mund noch bang, Horch, noch tönt sein Schritt Dumpf hinab den Gang. Julius Hart. Glashallen über uns, rings Menſchenwirr’n, … Halt! Und „Berlin!“ Hinaus aus engem Wagen! „Berlin!“ „Berlin!“ Nun hoch die junge Stirn, Ins wilde Leben laß dich mächtig tragen! Berlin! Berlin! Die Menge drängt und wallt, Wirſt du verſinken hier in dunklen Maſſen … Und über dich hinſchreitend ſtumm und kalt, Wird Niemand deine ſchwache Hand erfaſſen? Du ſuchſt — du ſuchſt die Welt in dieſer Flut, Suchſt glühende Roſen, grüne Lorbeerkronen, … Schau dort hinaus! … Die Luft durchquillt’s wie Blut, Es brennt die Schlacht und Niemand wird dich ſchonen. Schau dort hinaus! Es flammt die Luft und glüht, Horch Geigenton zu Tanz und üpp’gem Reigen! Schau dort hinaus, der fahle Nebel ſprüht, Aus dem Gerippe nackt herniederſteigen … Zuſammen liegt hier Tod und Lebensluſt, Und Licht und Nebel in den langen Gaſſen — — — Nun zeuch hinab, ſo ſtolz und ſelbſtbewußt, Welch’ Spur willſt du in dieſen Fluten laſſen? Am Morgen. 1884. Originalbeitrag. Fahler Morgenglanz, Graues Dämmerlicht, Und im Spiegel dort Starrt mein Angeſicht. Von dem letzten Kuß Bebt mein Mund noch bang, Horch, noch tönt ſein Schritt Dumpf hinab den Gang. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="6"> <pb facs="#f0075" n="57"/> <fw place="top" type="header">Julius Hart.</fw><lb/> <l>Glashallen über uns, rings Menſchenwirr’n, …</l><lb/> <l>Halt! Und „Berlin!“ Hinaus aus engem Wagen!</l><lb/> <l>„Berlin!“ „Berlin!“ Nun hoch die junge Stirn,</l><lb/> <l>Ins wilde Leben laß dich mächtig tragen!</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Berlin! Berlin! Die Menge drängt und wallt,</l><lb/> <l>Wirſt du verſinken hier in dunklen Maſſen …</l><lb/> <l>Und über dich hinſchreitend ſtumm und kalt,</l><lb/> <l>Wird Niemand deine ſchwache Hand erfaſſen?</l><lb/> <l>Du ſuchſt — du ſuchſt die Welt in dieſer Flut,</l><lb/> <l>Suchſt glühende Roſen, grüne Lorbeerkronen, …</l><lb/> <l>Schau dort hinaus! … Die Luft durchquillt’s wie Blut,</l><lb/> <l>Es brennt die Schlacht und Niemand wird dich ſchonen.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Schau dort hinaus! Es flammt die Luft und glüht,</l><lb/> <l>Horch Geigenton zu Tanz und üpp’gem Reigen!</l><lb/> <l>Schau dort hinaus, der fahle Nebel ſprüht,</l><lb/> <l>Aus dem Gerippe nackt herniederſteigen …</l><lb/> <l>Zuſammen liegt hier Tod und Lebensluſt,</l><lb/> <l>Und Licht und Nebel in den langen Gaſſen — — —</l><lb/> <l>Nun zeuch hinab, ſo ſtolz und ſelbſtbewußt,</l><lb/> <l>Welch’ Spur willſt du in dieſen Fluten laſſen?</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">Am Morgen.</hi><lb/> 1884.</head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Fahler Morgenglanz,</l><lb/> <l>Graues Dämmerlicht,</l><lb/> <l>Und im Spiegel dort</l><lb/> <l>Starrt mein Angeſicht.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Von dem letzten Kuß</l><lb/> <l>Bebt mein Mund noch bang,</l><lb/> <l>Horch, noch tönt ſein Schritt</l><lb/> <l>Dumpf hinab den Gang.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0075]
Julius Hart.
Glashallen über uns, rings Menſchenwirr’n, …
Halt! Und „Berlin!“ Hinaus aus engem Wagen!
„Berlin!“ „Berlin!“ Nun hoch die junge Stirn,
Ins wilde Leben laß dich mächtig tragen!
Berlin! Berlin! Die Menge drängt und wallt,
Wirſt du verſinken hier in dunklen Maſſen …
Und über dich hinſchreitend ſtumm und kalt,
Wird Niemand deine ſchwache Hand erfaſſen?
Du ſuchſt — du ſuchſt die Welt in dieſer Flut,
Suchſt glühende Roſen, grüne Lorbeerkronen, …
Schau dort hinaus! … Die Luft durchquillt’s wie Blut,
Es brennt die Schlacht und Niemand wird dich ſchonen.
Schau dort hinaus! Es flammt die Luft und glüht,
Horch Geigenton zu Tanz und üpp’gem Reigen!
Schau dort hinaus, der fahle Nebel ſprüht,
Aus dem Gerippe nackt herniederſteigen …
Zuſammen liegt hier Tod und Lebensluſt,
Und Licht und Nebel in den langen Gaſſen — — —
Nun zeuch hinab, ſo ſtolz und ſelbſtbewußt,
Welch’ Spur willſt du in dieſen Fluten laſſen?
Am Morgen.
1884.
Originalbeitrag.
Fahler Morgenglanz,
Graues Dämmerlicht,
Und im Spiegel dort
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Von dem letzten Kuß
Bebt mein Mund noch bang,
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