Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Oscar Linke. Hadrian. Originalbeitrag. Du Freund von Hellas! Weiser! O Hadrian! Als deinen Freund wegraffte die Flut des Nil, Als du, im Schmerz, der Wunderblume Jeglichen Strebens im Staub der Erde, So manchen Prachtbau weih'test und rings befahlst Der schalen Welt, Antinoos göttergleich Zu ehren, ruchlos thöricht schalten, Sinnender Träumer, dich viele Blinde! Noch heute, stumm voll glänzender Hoheit, lebt Dein holder Liebling, göttlichen Odem sprüht Sogar der Marmor noch, der kalte -- Selig beglückte, die sah'n das Urbild! Und manchesmal wohl sah ich dem Menschengott In's stille Antlitz, Schauer und Lust zugleich Empfand ich, Ehrfurcht, heil'ge Liebe Tief in dem Busen entgegenflammen. Gedanken, seltsam, nimmergewollt, und doch In süßem Bann mich haltend, befielen mich, Besiegten mich; wie Geisterflügel Hört' ich die Stimme des Herzens rauschen ... Ha, ich versteh' dich! Himmlischen Tiefsinns voll, Sprach deine That, was And're verschweigen! -- Ach, Es flieht der Thor selbst dann das Wahre, Leuchtet es still im Gewand der Schönheit! Oscar Linke. Hadrian. Originalbeitrag. Du Freund von Hellas! Weiſer! O Hadrian! Als deinen Freund wegraffte die Flut des Nil, Als du, im Schmerz, der Wunderblume Jeglichen Strebens im Staub der Erde, So manchen Prachtbau weih’teſt und rings befahlſt Der ſchalen Welt, Antinoos göttergleich Zu ehren, ruchlos thöricht ſchalten, Sinnender Träumer, dich viele Blinde! Noch heute, ſtumm voll glänzender Hoheit, lebt Dein holder Liebling, göttlichen Odem ſprüht Sogar der Marmor noch, der kalte — Selig beglückte, die ſah’n das Urbild! Und manchesmal wohl ſah ich dem Menſchengott In’s ſtille Antlitz, Schauer und Luſt zugleich Empfand ich, Ehrfurcht, heil’ge Liebe Tief in dem Buſen entgegenflammen. Gedanken, ſeltſam, nimmergewollt, und doch In ſüßem Bann mich haltend, befielen mich, Beſiegten mich; wie Geiſterflügel Hört’ ich die Stimme des Herzens rauſchen … Ha, ich verſteh’ dich! Himmliſchen Tiefſinns voll, Sprach deine That, was And’re verſchweigen! — Ach, Es flieht der Thor ſelbſt dann das Wahre, Leuchtet es ſtill im Gewand der Schönheit! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="31" facs="#f0049"/> <fw type="header" place="top">Oscar Linke.</fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Hadrian</hi>.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du Freund von Hellas! Weiſer! O Hadrian!</l><lb/> <l>Als deinen Freund wegraffte die Flut des Nil,</l><lb/> <l>Als du, im Schmerz, der Wunderblume</l><lb/> <l>Jeglichen Strebens im Staub der Erde,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>So manchen Prachtbau weih’teſt und rings befahlſt</l><lb/> <l>Der ſchalen Welt, <hi rendition="#g">Antinoos</hi> göttergleich</l><lb/> <l>Zu ehren, ruchlos thöricht ſchalten,</l><lb/> <l>Sinnender Träumer, dich viele Blinde!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Noch heute, ſtumm voll glänzender Hoheit, lebt</l><lb/> <l>Dein holder Liebling, göttlichen Odem ſprüht</l><lb/> <l>Sogar der Marmor noch, der kalte —</l><lb/> <l>Selig beglückte, die ſah’n das Urbild!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und manchesmal wohl ſah ich dem Menſchengott</l><lb/> <l>In’s ſtille Antlitz, Schauer und Luſt zugleich</l><lb/> <l>Empfand ich, Ehrfurcht, heil’ge Liebe</l><lb/> <l>Tief in dem Buſen entgegenflammen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Gedanken, ſeltſam, nimmergewollt, und doch</l><lb/> <l>In ſüßem Bann mich haltend, befielen mich,</l><lb/> <l>Beſiegten mich; wie Geiſterflügel</l><lb/> <l>Hört’ ich die Stimme des Herzens rauſchen …</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ha, ich verſteh’ dich! Himmliſchen Tiefſinns voll,</l><lb/> <l>Sprach deine That, was And’re verſchweigen! — Ach,</l><lb/> <l>Es flieht der Thor ſelbſt dann das Wahre,</l><lb/> <l>Leuchtet es ſtill im Gewand der Schönheit!</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </body> </text> </TEI> [31/0049]
Oscar Linke.
Hadrian.
Originalbeitrag.
Du Freund von Hellas! Weiſer! O Hadrian!
Als deinen Freund wegraffte die Flut des Nil,
Als du, im Schmerz, der Wunderblume
Jeglichen Strebens im Staub der Erde,
So manchen Prachtbau weih’teſt und rings befahlſt
Der ſchalen Welt, Antinoos göttergleich
Zu ehren, ruchlos thöricht ſchalten,
Sinnender Träumer, dich viele Blinde!
Noch heute, ſtumm voll glänzender Hoheit, lebt
Dein holder Liebling, göttlichen Odem ſprüht
Sogar der Marmor noch, der kalte —
Selig beglückte, die ſah’n das Urbild!
Und manchesmal wohl ſah ich dem Menſchengott
In’s ſtille Antlitz, Schauer und Luſt zugleich
Empfand ich, Ehrfurcht, heil’ge Liebe
Tief in dem Buſen entgegenflammen.
Gedanken, ſeltſam, nimmergewollt, und doch
In ſüßem Bann mich haltend, befielen mich,
Beſiegten mich; wie Geiſterflügel
Hört’ ich die Stimme des Herzens rauſchen …
Ha, ich verſteh’ dich! Himmliſchen Tiefſinns voll,
Sprach deine That, was And’re verſchweigen! — Ach,
Es flieht der Thor ſelbſt dann das Wahre,
Leuchtet es ſtill im Gewand der Schönheit!
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Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/49>, abgerufen am 01.03.2025. |