Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite
Oscar Linke.
Und wähnet heut auch manche gekrönte Stirn,
Des Sängers Beifall wiege so leicht wie Hauch
In jener Wagschal', welche spät're
Folgegeschlechter zu Händen nehmen,
O lasset sie hinleben und -- sterben auch
Dem dumpfen Traumwahn! Stillet den edlen Zorn,
Der heimlich aufbraust: eure Rache
Bleibe das ruhige, große Schweigen.
Was ewig lebt und lebend erfreuen soll
Die arme Menschheit, legen die Dichter nur
Ihr an das Herz, daß wie die Mutter
Freudig sie staune der Vielgeliebten!


Notturno.

Originalbeitrag.

O Schicksal, schweigendes Schicksal,
Nimm von mir die düst'ren Gedanken,
Die nieder wie brütende Nebel
Auf meine Seele sanken.
O warum kann ich nie wieder
Träumen in süßen Gedanken,
Gleich wie auf dem Felde die Blumen
Vom Winde beseligt schwanken?
Schon fühl' ich unter den Füßen
Den Boden zittern und schwanken ...
Gieb himmlische Flügel, o Schicksal,
Den schweren Todesgedanken!


Oscar Linke.
Und wähnet heut auch manche gekrönte Stirn,
Des Sängers Beifall wiege ſo leicht wie Hauch
In jener Wagſchal’, welche ſpät’re
Folgegeſchlechter zu Händen nehmen,
O laſſet ſie hinleben und — ſterben auch
Dem dumpfen Traumwahn! Stillet den edlen Zorn,
Der heimlich aufbrauſt: eure Rache
Bleibe das ruhige, große Schweigen.
Was ewig lebt und lebend erfreuen ſoll
Die arme Menſchheit, legen die Dichter nur
Ihr an das Herz, daß wie die Mutter
Freudig ſie ſtaune der Vielgeliebten!


Notturno.

Originalbeitrag.

O Schickſal, ſchweigendes Schickſal,
Nimm von mir die düſt’ren Gedanken,
Die nieder wie brütende Nebel
Auf meine Seele ſanken.
O warum kann ich nie wieder
Träumen in ſüßen Gedanken,
Gleich wie auf dem Felde die Blumen
Vom Winde beſeligt ſchwanken?
Schon fühl’ ich unter den Füßen
Den Boden zittern und ſchwanken …
Gieb himmliſche Flügel, o Schickſal,
Den ſchweren Todesgedanken!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0044" n="26"/>
            <fw place="top" type="header">Oscar Linke.</fw><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Und wähnet heut auch manche gekrönte Stirn,</l><lb/>
              <l>Des Sängers Beifall wiege &#x017F;o leicht wie Hauch</l><lb/>
              <l>In jener Wag&#x017F;chal&#x2019;, welche &#x017F;pät&#x2019;re</l><lb/>
              <l>Folgege&#x017F;chlechter zu Händen nehmen,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>O la&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ie hinleben und &#x2014; &#x017F;terben auch</l><lb/>
              <l>Dem dumpfen Traumwahn! Stillet den edlen Zorn,</l><lb/>
              <l>Der heimlich aufbrau&#x017F;t: eure Rache</l><lb/>
              <l>Bleibe das ruhige, große Schweigen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Was ewig lebt und lebend erfreuen &#x017F;oll</l><lb/>
              <l>Die arme Men&#x017F;chheit, legen die Dichter nur</l><lb/>
              <l>Ihr an das Herz, daß wie die Mutter</l><lb/>
              <l>Freudig &#x017F;ie &#x017F;taune der Vielgeliebten!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Notturno.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>O Schick&#x017F;al, &#x017F;chweigendes Schick&#x017F;al,</l><lb/>
              <l>Nimm von mir die dü&#x017F;t&#x2019;ren Gedanken,</l><lb/>
              <l>Die nieder wie brütende Nebel</l><lb/>
              <l>Auf meine Seele &#x017F;anken.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>O warum kann ich nie wieder</l><lb/>
              <l>Träumen in &#x017F;üßen Gedanken,</l><lb/>
              <l>Gleich wie auf dem Felde die Blumen</l><lb/>
              <l>Vom Winde be&#x017F;eligt &#x017F;chwanken?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Schon fühl&#x2019; ich unter den Füßen</l><lb/>
              <l>Den Boden zittern und &#x017F;chwanken &#x2026;</l><lb/>
              <l>Gieb himmli&#x017F;che Flügel, o Schick&#x017F;al,</l><lb/>
              <l>Den &#x017F;chweren Todesgedanken!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0044] Oscar Linke. Und wähnet heut auch manche gekrönte Stirn, Des Sängers Beifall wiege ſo leicht wie Hauch In jener Wagſchal’, welche ſpät’re Folgegeſchlechter zu Händen nehmen, O laſſet ſie hinleben und — ſterben auch Dem dumpfen Traumwahn! Stillet den edlen Zorn, Der heimlich aufbrauſt: eure Rache Bleibe das ruhige, große Schweigen. Was ewig lebt und lebend erfreuen ſoll Die arme Menſchheit, legen die Dichter nur Ihr an das Herz, daß wie die Mutter Freudig ſie ſtaune der Vielgeliebten! Notturno. Originalbeitrag. O Schickſal, ſchweigendes Schickſal, Nimm von mir die düſt’ren Gedanken, Die nieder wie brütende Nebel Auf meine Seele ſanken. O warum kann ich nie wieder Träumen in ſüßen Gedanken, Gleich wie auf dem Felde die Blumen Vom Winde beſeligt ſchwanken? Schon fühl’ ich unter den Füßen Den Boden zittern und ſchwanken … Gieb himmliſche Flügel, o Schickſal, Den ſchweren Todesgedanken!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/44
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/44>, abgerufen am 21.11.2024.