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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Carl Bleibtreu.
Davids Psalmen.
I.
Wie der Hirsch nach Wasser, lechzet
Meine Seele, Gott, zu dir --
Sie verschmachtet und sie ächzet --
Thränen nur sind Labung mir.
Galle bietet man allein
Dem Verschmachtenden als Wein.
Ueber der Gerechten Weinen
Triumphirt der Thoren Spott,
Denn in ihren Herzen meinen
Alle sie: "Es ist kein Gott!"
Und sie höhnen meine Noth:
"Wo ist nun dein Zebaoth?"
Siehst du Ihn herniederfahren
Von dem Sonnenzelte stracks
Mit bewehrten Seraphschaaren?
Berge schmelzen ein wie Wachs
Vor dem Glanz von seinem Zelt,
Das verdunkelt rings die Welt.
Hagel sprüht sein Wolkenwagen,
Welchen Herolds-Cherubim
Auf des Windes Fittich tragen.
Sturm-Posaune her vor ihm
Bläst und mit dem Blasen trennt
Jeden Dunst am Firmament.
Wer in seinem Schirme sitzet,
In der Allmacht Schatten lebt,
Ist geborgen, wenn es blitzet,
Wo der Ungerechte bebt.
Wie ein Oelbaum in Gewittern
Grünt er, doch die Bösen zittern.

Carl Bleibtreu.
Davids Pſalmen.
I.
Wie der Hirſch nach Waſſer, lechzet
Meine Seele, Gott, zu dir —
Sie verſchmachtet und ſie ächzet —
Thränen nur ſind Labung mir.
Galle bietet man allein
Dem Verſchmachtenden als Wein.
Ueber der Gerechten Weinen
Triumphirt der Thoren Spott,
Denn in ihren Herzen meinen
Alle ſie: „Es iſt kein Gott!“
Und ſie höhnen meine Noth:
„Wo iſt nun dein Zebaoth?“
Siehſt du Ihn herniederfahren
Von dem Sonnenzelte ſtracks
Mit bewehrten Seraphſchaaren?
Berge ſchmelzen ein wie Wachs
Vor dem Glanz von ſeinem Zelt,
Das verdunkelt rings die Welt.
Hagel ſprüht ſein Wolkenwagen,
Welchen Herolds-Cherubim
Auf des Windes Fittich tragen.
Sturm-Poſaune her vor ihm
Bläſt und mit dem Blaſen trennt
Jeden Dunſt am Firmament.
Wer in ſeinem Schirme ſitzet,
In der Allmacht Schatten lebt,
Iſt geborgen, wenn es blitzet,
Wo der Ungerechte bebt.
Wie ein Oelbaum in Gewittern
Grünt er, doch die Böſen zittern.

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[4/0326] Carl Bleibtreu. Davids Pſalmen. I. Wie der Hirſch nach Waſſer, lechzet Meine Seele, Gott, zu dir — Sie verſchmachtet und ſie ächzet — Thränen nur ſind Labung mir. Galle bietet man allein Dem Verſchmachtenden als Wein. Ueber der Gerechten Weinen Triumphirt der Thoren Spott, Denn in ihren Herzen meinen Alle ſie: „Es iſt kein Gott!“ Und ſie höhnen meine Noth: „Wo iſt nun dein Zebaoth?“ Siehſt du Ihn herniederfahren Von dem Sonnenzelte ſtracks Mit bewehrten Seraphſchaaren? Berge ſchmelzen ein wie Wachs Vor dem Glanz von ſeinem Zelt, Das verdunkelt rings die Welt. Hagel ſprüht ſein Wolkenwagen, Welchen Herolds-Cherubim Auf des Windes Fittich tragen. Sturm-Poſaune her vor ihm Bläſt und mit dem Blaſen trennt Jeden Dunſt am Firmament. Wer in ſeinem Schirme ſitzet, In der Allmacht Schatten lebt, Iſt geborgen, wenn es blitzet, Wo der Ungerechte bebt. Wie ein Oelbaum in Gewittern Grünt er, doch die Böſen zittern.

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/326>, abgerufen am 03.12.2024.