Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Carl Bleibtreu. Dein Bild nur leuchtet wie ein letzter Funken Von höchster Alpe der Vergangenheit, Bis auch dies Alpenglühen matt versunken Tief in den Schluchten der Vergessenheit. Gelassen reit' ich durch die Felsenflur -- Ich bange nicht dem Sturm, wie die Natur. Wenn auch kein Licht mein Auge mehr erblickt -- Ein todtes Herz vor Nichts erschrickt. Phaeton. Original-Beitrag. Deinen Sonnenwagen, ich will ihn lenken! Her mit den Zügeln, vorwärts in die Gestirne! Mag ich verrücken auch droben die ewige Ordnung, Frech sie störend. Warum ruht deiner heiligen Strahlen Abglanz, Goldumlockter Erzeuger, auf meiner Stirne? Mag mich höhnen die Welt -- ich fühle die Gluthen Olympischen Geistes! Falls ich nicht stürze sogleich beim kühnen Beginnen, Bleibe mir als Beweis des Sonnenfluges Statt blonder Locken, zu Aschenflocken versenget Ein grauer Scheitel! Stürze denn, unseliger Phaeton, stürze! Phöbus herrscht in ewig heiterem Gleichmaß. Phaetons Fall, zum Sturz geboren, beweinen Wird nur die Echo. Carl Bleibtreu. Dein Bild nur leuchtet wie ein letzter Funken Von höchſter Alpe der Vergangenheit, Bis auch dies Alpenglühen matt verſunken Tief in den Schluchten der Vergeſſenheit. Gelaſſen reit’ ich durch die Felſenflur — Ich bange nicht dem Sturm, wie die Natur. Wenn auch kein Licht mein Auge mehr erblickt — Ein todtes Herz vor Nichts erſchrickt. Phaëton. Original-Beitrag. Deinen Sonnenwagen, ich will ihn lenken! Her mit den Zügeln, vorwärts in die Geſtirne! Mag ich verrücken auch droben die ewige Ordnung, Frech ſie ſtörend. Warum ruht deiner heiligen Strahlen Abglanz, Goldumlockter Erzeuger, auf meiner Stirne? Mag mich höhnen die Welt — ich fühle die Gluthen Olympiſchen Geiſtes! Falls ich nicht ſtürze ſogleich beim kühnen Beginnen, Bleibe mir als Beweis des Sonnenfluges Statt blonder Locken, zu Aſchenflocken verſenget Ein grauer Scheitel! Stürze denn, unſeliger Phaëton, ſtürze! Phöbus herrſcht in ewig heiterem Gleichmaß. Phaëtons Fall, zum Sturz geboren, beweinen Wird nur die Echo. <TEI> <text> <back> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb n="2" facs="#f0324"/> <fw type="header" place="top">Carl Bleibtreu.</fw><lb/> <lg n="4"> <l>Dein Bild nur leuchtet wie ein letzter Funken</l><lb/> <l>Von höchſter Alpe der Vergangenheit,</l><lb/> <l>Bis auch dies Alpenglühen matt verſunken</l><lb/> <l>Tief in den Schluchten der Vergeſſenheit.</l><lb/> <l>Gelaſſen reit’ ich durch die Felſenflur —</l><lb/> <l>Ich bange nicht dem Sturm, wie die Natur.</l><lb/> <l>Wenn auch kein Licht mein Auge mehr erblickt —</l><lb/> <l>Ein todtes Herz vor Nichts erſchrickt.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Pha<hi rendition="#aq">ë</hi>ton.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Original-Beitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Deinen Sonnenwagen, ich will ihn lenken!</l><lb/> <l>Her mit den Zügeln, vorwärts in die Geſtirne!</l><lb/> <l>Mag ich verrücken auch droben die ewige Ordnung,</l><lb/> <l>Frech ſie ſtörend.</l><lb/> <l>Warum ruht deiner heiligen Strahlen Abglanz,</l><lb/> <l>Goldumlockter Erzeuger, auf meiner Stirne?</l><lb/> <l>Mag mich höhnen die Welt — ich fühle die Gluthen</l><lb/> <l>Olympiſchen Geiſtes!</l><lb/> <l>Falls ich nicht ſtürze ſogleich beim kühnen Beginnen,</l><lb/> <l>Bleibe mir als Beweis des Sonnenfluges</l><lb/> <l>Statt blonder Locken, zu Aſchenflocken verſenget</l><lb/> <l>Ein grauer Scheitel!</l><lb/> <l>Stürze denn, unſeliger Pha<hi rendition="#aq">ë</hi>ton, ſtürze!</l><lb/> <l>Phöbus herrſcht in ewig heiterem Gleichmaß.</l><lb/> <l>Pha<hi rendition="#aq">ë</hi>tons Fall, zum Sturz geboren, beweinen</l><lb/> <l>Wird nur die Echo.</l> </lg> </lg> </div><lb/> </div> </div> </back> </text> </TEI> [2/0324]
Carl Bleibtreu.
Dein Bild nur leuchtet wie ein letzter Funken
Von höchſter Alpe der Vergangenheit,
Bis auch dies Alpenglühen matt verſunken
Tief in den Schluchten der Vergeſſenheit.
Gelaſſen reit’ ich durch die Felſenflur —
Ich bange nicht dem Sturm, wie die Natur.
Wenn auch kein Licht mein Auge mehr erblickt —
Ein todtes Herz vor Nichts erſchrickt.
Phaëton.
Original-Beitrag.
Deinen Sonnenwagen, ich will ihn lenken!
Her mit den Zügeln, vorwärts in die Geſtirne!
Mag ich verrücken auch droben die ewige Ordnung,
Frech ſie ſtörend.
Warum ruht deiner heiligen Strahlen Abglanz,
Goldumlockter Erzeuger, auf meiner Stirne?
Mag mich höhnen die Welt — ich fühle die Gluthen
Olympiſchen Geiſtes!
Falls ich nicht ſtürze ſogleich beim kühnen Beginnen,
Bleibe mir als Beweis des Sonnenfluges
Statt blonder Locken, zu Aſchenflocken verſenget
Ein grauer Scheitel!
Stürze denn, unſeliger Phaëton, ſtürze!
Phöbus herrſcht in ewig heiterem Gleichmaß.
Phaëtons Fall, zum Sturz geboren, beweinen
Wird nur die Echo.
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Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/324>, abgerufen am 01.03.2025. |