Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Ernst von Wildenbruch. Ist's nicht sein Donner, der aus euch grollt? Seid ihr nicht Kraft seiner Kraft? Zorn seines Zornes? Beugt euch vor mir, der ich Geist seines Geistes! (Das Löwengebrüll verstummt.) Und sieh, die Gewaltigen beugen das Haupt, Es schleifet im Sande die lockige Mähne, Sie wälzen die trotzigen Leiber im Staub -- Ihr Gebrüll verstummt und horch -- es wird still. Ich fühle dich Odem des Herrn, du umfließ't mich. Erfüllst diese Schlünde, ich spüre dein Weh'n. Gnädiger Vater, o Du mein Gott, Der Du hörtest den Schrei des Kindes, Mich befreitest von Tod und Verderben Danken möcht' ich, wie dank' ich Dir? Ach, wie faßt' ich in dürftiges Wort Meines Herzens brünstige Fülle? Stumme Zeugen des Menschen-Innern, Fließet Thränen, redet für mich, Gott-gespendeter, friedlicher Schlaf, Schlägst du die Flügel um meine Schläfen? Gerne sink' ich in deine Arme -- Unheil entschlief, so ruhe auch Du. (Er entschlummert.) Homer. Auf Olympos' hohem Haupte saß der Götter seel'ge Schaar, dunklen Wein in lichtem Golde brachte Hebe ihnen dar. Schweigen herrschte in der Runde und kein Lächeln war erlaubt, denn Kronion beugte trauernd das umlockte heil'ge Haupt. Heiß und roth in seinem Becher schwamm des Weines dunkle Fluth, Flammenschein von Trojas Brande, Widerschein von Priams Blut. 16*
Ernſt von Wildenbruch. Iſt’s nicht ſein Donner, der aus euch grollt? Seid ihr nicht Kraft ſeiner Kraft? Zorn ſeines Zornes? Beugt euch vor mir, der ich Geiſt ſeines Geiſtes! (Das Löwengebrüll verſtummt.) Und ſieh, die Gewaltigen beugen das Haupt, Es ſchleifet im Sande die lockige Mähne, Sie wälzen die trotzigen Leiber im Staub — Ihr Gebrüll verſtummt und horch — es wird ſtill. Ich fühle dich Odem des Herrn, du umfließ’t mich. Erfüllſt dieſe Schlünde, ich ſpüre dein Weh’n. Gnädiger Vater, o Du mein Gott, Der Du hörteſt den Schrei des Kindes, Mich befreiteſt von Tod und Verderben Danken möcht’ ich, wie dank’ ich Dir? Ach, wie faßt’ ich in dürftiges Wort Meines Herzens brünſtige Fülle? Stumme Zeugen des Menſchen-Innern, Fließet Thränen, redet für mich, Gott-geſpendeter, friedlicher Schlaf, Schlägſt du die Flügel um meine Schläfen? Gerne ſink’ ich in deine Arme — Unheil entſchlief, ſo ruhe auch Du. (Er entſchlummert.) Homer. Auf Olympos’ hohem Haupte ſaß der Götter ſeel’ge Schaar, dunklen Wein in lichtem Golde brachte Hebe ihnen dar. Schweigen herrſchte in der Runde und kein Lächeln war erlaubt, denn Kronion beugte trauernd das umlockte heil’ge Haupt. Heiß und roth in ſeinem Becher ſchwamm des Weines dunkle Fluth, Flammenſchein von Trojas Brande, Widerſchein von Priams Blut. 16*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb n="243" facs="#f0261"/> <fw type="header" place="top">Ernſt von Wildenbruch.</fw><lb/> <l>Iſt’s nicht ſein Donner, der aus euch grollt?</l><lb/> <l>Seid ihr nicht Kraft ſeiner Kraft? Zorn ſeines Zornes?</l><lb/> <l>Beugt euch vor mir, der ich Geiſt ſeines Geiſtes!</l> </lg> </lg><lb/> <p> <hi rendition="#c">(Das Löwengebrüll verſtummt.)</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Und ſieh, die Gewaltigen beugen das Haupt,</l><lb/> <l>Es ſchleifet im Sande die lockige Mähne,</l><lb/> <l>Sie wälzen die trotzigen Leiber im Staub —</l><lb/> <l>Ihr Gebrüll verſtummt und horch — es wird ſtill.</l><lb/> <l>Ich fühle dich Odem des Herrn, du umfließ’t mich.</l><lb/> <l>Erfüllſt dieſe Schlünde, ich ſpüre dein Weh’n.</l><lb/> <l>Gnädiger Vater, o Du mein Gott,</l><lb/> <l>Der Du hörteſt den Schrei des Kindes,</l><lb/> <l>Mich befreiteſt von Tod und Verderben</l><lb/> <l>Danken möcht’ ich, wie dank’ ich Dir?</l><lb/> <l>Ach, wie faßt’ ich in dürftiges Wort</l><lb/> <l>Meines Herzens brünſtige Fülle?</l><lb/> <l>Stumme Zeugen des Menſchen-Innern,</l><lb/> <l>Fließet Thränen, redet für mich,</l><lb/> <l>Gott-geſpendeter, friedlicher Schlaf,</l><lb/> <l>Schlägſt du die Flügel um meine Schläfen?</l><lb/> <l>Gerne ſink’ ich in deine Arme —</l><lb/> <l>Unheil entſchlief, ſo ruhe auch Du.</l> </lg> </lg><lb/> <p> <hi rendition="#c">(Er entſchlummert.)</hi> </p> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Homer</hi>.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Auf Olympos’ hohem Haupte</l><lb/> <l>ſaß der Götter ſeel’ge Schaar,</l><lb/> <l>dunklen Wein in lichtem Golde</l><lb/> <l>brachte Hebe ihnen dar.</l><lb/> <l>Schweigen herrſchte in der Runde</l><lb/> <l>und kein Lächeln war erlaubt,</l><lb/> <l>denn Kronion beugte trauernd</l><lb/> <l>das umlockte heil’ge Haupt.</l><lb/> <l>Heiß und roth in ſeinem Becher</l><lb/> <l>ſchwamm des Weines dunkle Fluth,</l><lb/> <l>Flammenſchein von Trojas Brande,</l><lb/> <l>Widerſchein von Priams Blut.</l><lb/> <fw type="sig" place="bottom">16*</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [243/0261]
Ernſt von Wildenbruch.
Iſt’s nicht ſein Donner, der aus euch grollt?
Seid ihr nicht Kraft ſeiner Kraft? Zorn ſeines Zornes?
Beugt euch vor mir, der ich Geiſt ſeines Geiſtes!
(Das Löwengebrüll verſtummt.)
Und ſieh, die Gewaltigen beugen das Haupt,
Es ſchleifet im Sande die lockige Mähne,
Sie wälzen die trotzigen Leiber im Staub —
Ihr Gebrüll verſtummt und horch — es wird ſtill.
Ich fühle dich Odem des Herrn, du umfließ’t mich.
Erfüllſt dieſe Schlünde, ich ſpüre dein Weh’n.
Gnädiger Vater, o Du mein Gott,
Der Du hörteſt den Schrei des Kindes,
Mich befreiteſt von Tod und Verderben
Danken möcht’ ich, wie dank’ ich Dir?
Ach, wie faßt’ ich in dürftiges Wort
Meines Herzens brünſtige Fülle?
Stumme Zeugen des Menſchen-Innern,
Fließet Thränen, redet für mich,
Gott-geſpendeter, friedlicher Schlaf,
Schlägſt du die Flügel um meine Schläfen?
Gerne ſink’ ich in deine Arme —
Unheil entſchlief, ſo ruhe auch Du.
(Er entſchlummert.)
Homer.
Auf Olympos’ hohem Haupte
ſaß der Götter ſeel’ge Schaar,
dunklen Wein in lichtem Golde
brachte Hebe ihnen dar.
Schweigen herrſchte in der Runde
und kein Lächeln war erlaubt,
denn Kronion beugte trauernd
das umlockte heil’ge Haupt.
Heiß und roth in ſeinem Becher
ſchwamm des Weines dunkle Fluth,
Flammenſchein von Trojas Brande,
Widerſchein von Priams Blut.
16*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/261 |
Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/261>, abgerufen am 01.03.2025. |