Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Ernst von Wildenbruch. Vater bleibe Deinen Kindern, Gott der Deutschen, bleib' uns treu! Schüttle Deine heil'gen Locken, wecke die allmächt'ge Hand, Daß der Eindringling erschrocken weiche aus dem Deutschen Land, Daß er zagen lerne, zittern vor urew'ger Majestät, Wenn in heil'gen Ungewittern Deutsche Gottheit aufersteht, Daß das Herz uns muthig werde, stark in neuer Zuversicht: Vater-Gott und Vater-Erde raubt uns Macht der Menschen nicht. Daniel in der Löwengrube. Wende Dein Antlitz mir zu, o Herr, Denn mich dürstet nach seinem Lichte! Mich umnachtet Entsetzen und Grau'n. Schick' Deinen Odem mir zu, o Herr, Denn mich verlangt nach seinem Wehen, In mir ringet Leben und Tod! Du hörst mein Rufen, ich weiß es! Ob ich stehe in Wolken des Himmels Weit entrückt den Gefilden der Flur, Auf des Gebirges zackigem Haupt -- Oder liege, umgähnt von Schlünden, In der Erde gräßlichem Bauche, Du vernimmst meine Stimme, o Herr! Dein Blick ist auf mir, ich weiß es! Ob Deine Sonne den Himmel durchwandelt, Tränkend die Welten mit Licht, Oder Orion die Nacht durchflammet Und des Wagens siebenstirnige Pracht, -- Du siehst meine Nöthe, o Herr! -- Schrecken waffnen sich wider mich! Brüllend lechzet nach mir der Tod! 16
Ernſt von Wildenbruch. Vater bleibe Deinen Kindern, Gott der Deutſchen, bleib’ uns treu! Schüttle Deine heil’gen Locken, wecke die allmächt’ge Hand, Daß der Eindringling erſchrocken weiche aus dem Deutſchen Land, Daß er zagen lerne, zittern vor urew’ger Majeſtät, Wenn in heil’gen Ungewittern Deutſche Gottheit auferſteht, Daß das Herz uns muthig werde, ſtark in neuer Zuverſicht: Vater-Gott und Vater-Erde raubt uns Macht der Menſchen nicht. Daniel in der Löwengrube. Wende Dein Antlitz mir zu, o Herr, Denn mich dürſtet nach ſeinem Lichte! Mich umnachtet Entſetzen und Grau’n. Schick’ Deinen Odem mir zu, o Herr, Denn mich verlangt nach ſeinem Wehen, In mir ringet Leben und Tod! Du hörſt mein Rufen, ich weiß es! Ob ich ſtehe in Wolken des Himmels Weit entrückt den Gefilden der Flur, Auf des Gebirges zackigem Haupt — Oder liege, umgähnt von Schlünden, In der Erde gräßlichem Bauche, Du vernimmſt meine Stimme, o Herr! Dein Blick iſt auf mir, ich weiß es! Ob Deine Sonne den Himmel durchwandelt, Tränkend die Welten mit Licht, Oder Orion die Nacht durchflammet Und des Wagens ſiebenſtirnige Pracht, — Du ſiehſt meine Nöthe, o Herr! — Schrecken waffnen ſich wider mich! Brüllend lechzet nach mir der Tod! 16
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Ernſt von Wildenbruch.
Vater bleibe Deinen Kindern,
Gott der Deutſchen, bleib’ uns treu!
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Daß der Eindringling erſchrocken
weiche aus dem Deutſchen Land,
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vor urew’ger Majeſtät,
Wenn in heil’gen Ungewittern
Deutſche Gottheit auferſteht,
Daß das Herz uns muthig werde,
ſtark in neuer Zuverſicht:
Vater-Gott und Vater-Erde
raubt uns Macht der Menſchen nicht.
Daniel in der Löwengrube.
Wende Dein Antlitz mir zu, o Herr,
Denn mich dürſtet nach ſeinem Lichte!
Mich umnachtet Entſetzen und Grau’n.
Schick’ Deinen Odem mir zu, o Herr,
Denn mich verlangt nach ſeinem Wehen,
In mir ringet Leben und Tod!
Du hörſt mein Rufen, ich weiß es!
Ob ich ſtehe in Wolken des Himmels
Weit entrückt den Gefilden der Flur,
Auf des Gebirges zackigem Haupt —
Oder liege, umgähnt von Schlünden,
In der Erde gräßlichem Bauche,
Du vernimmſt meine Stimme, o Herr!
Dein Blick iſt auf mir, ich weiß es!
Ob Deine Sonne den Himmel durchwandelt,
Tränkend die Welten mit Licht,
Oder Orion die Nacht durchflammet
Und des Wagens ſiebenſtirnige Pracht, —
Du ſiehſt meine Nöthe, o Herr! —
Schrecken waffnen ſich wider mich!
Brüllend lechzet nach mir der Tod!
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