Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Wilhelm Arent. Wirr braut der Nebel auf dem Fluß, Verrauscht ist längst der Liebe Kuß, Wie schwand der Lenz so balde! Rauh breitet nun sein Leichentuch Der Winter. Und ein düst'rer Fluch Legt sich auf Flur und Halde. Thaufrischer Mai. Originalbeitrag (1882.) Aus der Gassen wüstem Lärmgedränge, Aus der Großstadt staubig-dumpfer Enge Wall' ich wonnigfroh zu dir, Natur! Tausend Träume trunken mich umweben, Ueber mir die Lerchen jubelnd schweben, Jauchzend wandle ich der Sonne Spur. Und ein Meer von süßen Melodien Fühl' ich wogend mir im Busen glühen! Meine Seele athmet seligfrei: Plötzlich stirbt der Sinne Gluthverlangen, Gottes ewiger Hauch hat mich umfangen, Frieden spendest du, thaufrischer Mai. Das Ziel. Aus tiefster Seele S. 65. Schon als ich noch ein Knabe war, zog es mich hin zu ander'm Stern, Tiefheißes Sehnen faßte mich, doch blieb mir die Erfüllung fern. Ich fieberte all' meine Tag'. Oft stürmt' ich in das Feld hinaus ... Der brünstige Leib verkühlte sich in Regenschaum und Sturmgebraus. Der Seele Schrei: ich hörte ihn in tausendstimmigen Melodien, Ich sah auf dunklen Fittichen die todten Leidgenossen zieh'n. Die ewige Dämmerung zerstob: die Nebel theilten sich zu Hauf', Lichtfremde Welten thaten sich vor meinen Geisteraugen auf. Nicht Lust noch Schmerz barg mehr die Brust: zu Ende war gekämpft die Schlacht, Das All war ich: ich war das All: so ward mir Friede in der Nacht. Wilhelm Arent. Wirr braut der Nebel auf dem Fluß, Verrauſcht iſt längſt der Liebe Kuß, Wie ſchwand der Lenz ſo balde! Rauh breitet nun ſein Leichentuch Der Winter. Und ein düſt’rer Fluch Legt ſich auf Flur und Halde. Thaufriſcher Mai. Originalbeitrag (1882.) Aus der Gaſſen wüſtem Lärmgedränge, Aus der Großſtadt ſtaubig-dumpfer Enge Wall’ ich wonnigfroh zu dir, Natur! Tauſend Träume trunken mich umweben, Ueber mir die Lerchen jubelnd ſchweben, Jauchzend wandle ich der Sonne Spur. Und ein Meer von ſüßen Melodien Fühl’ ich wogend mir im Buſen glühen! Meine Seele athmet ſeligfrei: Plötzlich ſtirbt der Sinne Gluthverlangen, Gottes ewiger Hauch hat mich umfangen, Frieden ſpendeſt du, thaufriſcher Mai. Das Ziel. Aus tiefſter Seele S. 65. Schon als ich noch ein Knabe war, zog es mich hin zu ander’m Stern, Tiefheißes Sehnen faßte mich, doch blieb mir die Erfüllung fern. Ich fieberte all’ meine Tag’. Oft ſtürmt’ ich in das Feld hinaus … Der brünſtige Leib verkühlte ſich in Regenſchaum und Sturmgebraus. Der Seele Schrei: ich hörte ihn in tauſendſtimmigen Melodien, Ich ſah auf dunklen Fittichen die todten Leidgenoſſen zieh’n. Die ewige Dämmerung zerſtob: die Nebel theilten ſich zu Hauf’, Lichtfremde Welten thaten ſich vor meinen Geiſteraugen auf. Nicht Luſt noch Schmerz barg mehr die Bruſt: zu Ende war gekämpft die Schlacht, Das All war ich: ich war das All: ſo ward mir Friede in der Nacht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb n="6" facs="#f0024"/> <fw type="header" place="top">Wilhelm Arent.</fw><lb/> <l>Wirr braut der Nebel auf dem Fluß,</l><lb/> <l>Verrauſcht iſt längſt der Liebe Kuß,</l><lb/> <l>Wie ſchwand der Lenz ſo balde!</l><lb/> <l>Rauh breitet nun ſein Leichentuch</l><lb/> <l>Der Winter. 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Wilhelm Arent.
Wirr braut der Nebel auf dem Fluß,
Verrauſcht iſt längſt der Liebe Kuß,
Wie ſchwand der Lenz ſo balde!
Rauh breitet nun ſein Leichentuch
Der Winter. Und ein düſt’rer Fluch
Legt ſich auf Flur und Halde.
Thaufriſcher Mai.
Originalbeitrag (1882.)
Aus der Gaſſen wüſtem Lärmgedränge,
Aus der Großſtadt ſtaubig-dumpfer Enge
Wall’ ich wonnigfroh zu dir, Natur!
Tauſend Träume trunken mich umweben,
Ueber mir die Lerchen jubelnd ſchweben,
Jauchzend wandle ich der Sonne Spur.
Und ein Meer von ſüßen Melodien
Fühl’ ich wogend mir im Buſen glühen!
Meine Seele athmet ſeligfrei:
Plötzlich ſtirbt der Sinne Gluthverlangen,
Gottes ewiger Hauch hat mich umfangen,
Frieden ſpendeſt du, thaufriſcher Mai.
Das Ziel.
Aus tiefſter Seele S. 65.
Schon als ich noch ein Knabe war, zog es mich hin zu ander’m Stern,
Tiefheißes Sehnen faßte mich, doch blieb mir die Erfüllung fern.
Ich fieberte all’ meine Tag’. Oft ſtürmt’ ich in das Feld hinaus …
Der brünſtige Leib verkühlte ſich in Regenſchaum und Sturmgebraus.
Der Seele Schrei: ich hörte ihn in tauſendſtimmigen Melodien,
Ich ſah auf dunklen Fittichen die todten Leidgenoſſen zieh’n.
Die ewige Dämmerung zerſtob: die Nebel theilten ſich zu Hauf’,
Lichtfremde Welten thaten ſich vor meinen Geiſteraugen auf.
Nicht Luſt noch Schmerz barg mehr die Bruſt: zu Ende war gekämpft
die Schlacht,
Das All war ich: ich war das All: ſo ward mir Friede in der Nacht.
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Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/24>, abgerufen am 01.03.2025. |