Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite
Georg Gradnauer.
III.
Leuchtet mir nicht allein des Taghimmels flammende Stirne,
Krönt sich mir nicht die Nacht mit des Mondes silbernem Reife?
Waren des dunkelen Waldes melodische Stimmen
Nicht nur ein Wiederhall dieser wundersam strömenden Klänge,
Die Seligkeit athmend meines Herzens Kirche durchwallten?
Stammte aus himmlischen Höhen der befiederte Pfeil nicht,
Der mir die Brust durchbohrte und die rosige Wunde mir schlug,
Der entquollen mein Glaube, die Kraft und das Wagniß? --
Schon schaute ich mich mit dem Pfluge des Geistes
Die Lande durchfurchend, die Seelen der Menschen,
Brennender Worte lohende Fackel tief in die Herzen versenkend,
In saphirnem Gewande hinschreitend zum sonnigen Aether, zum Lichte. --
Alles zerschlagen nun, alles zerrüttet;
Traumgleich verschäumen die blendenden Bilder
In entmastetem Boote treib' ich auf uferloser, unendlicher See,
Düstre Gestalten saugen sich fest mit spitzigen Nägeln
An meiner Seele zum kühn aufstrebenden Schwunge geöffneten Fittich;
Bitterer Zweifel schleicht sich heran mit blutleerem Auge,
In fahler Finsterniß versanken meines Lichtes Strahlengarben,
Zwerghaft verschrumpft ist meines Muthes stolzer Stamm,
Aus schmerzzerrissenem Herzen fleh' ich Rettungshülfe,
Und bebend stammeln meine Lippen auf zu der Sterne goldenen Räthselzeichen!
Warum -- warum bin ich so tief herniedergesunken? -- -- --
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
Nein, nein, es soll nicht sein, es darf nicht sein!
Zerschlag', mein ermattetes Herz, mit wagendem Schwerte
Des Zagens bänglich bedrückende Sargesumhüllung,
Schüttele von dir den aschgrauen Staubesmantel,
Dessen Falten zu Falle gebracht deinen Muth.
Bin ich doch Herr meiner selber geworden,
Hab' ich nicht gesühnet all' meine sündigen Thaten?
Schritt ich nicht büßendes Fußes über sonnengeschmolzene Sandeseinöde?
Ist mein Wille nicht stark und mächtig wie des Sturmwinds Gewalt,
Der tändelnden Spiels Oceane zum Himmel emporstäubt
Und ihre Tiefe aufwühlt dem Auge des Tages!
Wozu denn in schwankendem Kleinmuth erzittern,
Mit trüblichen Nebeln umschleiern das Morgenroth,
Das gewißlich erscheinende?
Georg Gradnauer.
III.
Leuchtet mir nicht allein des Taghimmels flammende Stirne,
Krönt ſich mir nicht die Nacht mit des Mondes ſilbernem Reife?
Waren des dunkelen Waldes melodiſche Stimmen
Nicht nur ein Wiederhall dieſer wunderſam ſtrömenden Klänge,
Die Seligkeit athmend meines Herzens Kirche durchwallten?
Stammte aus himmliſchen Höhen der befiederte Pfeil nicht,
Der mir die Bruſt durchbohrte und die roſige Wunde mir ſchlug,
Der entquollen mein Glaube, die Kraft und das Wagniß? —
Schon ſchaute ich mich mit dem Pfluge des Geiſtes
Die Lande durchfurchend, die Seelen der Menſchen,
Brennender Worte lohende Fackel tief in die Herzen verſenkend,
In ſaphirnem Gewande hinſchreitend zum ſonnigen Aether, zum Lichte. —
Alles zerſchlagen nun, alles zerrüttet;
Traumgleich verſchäumen die blendenden Bilder
In entmaſtetem Boote treib’ ich auf uferloſer, unendlicher See,
Düſtre Geſtalten ſaugen ſich feſt mit ſpitzigen Nägeln
An meiner Seele zum kühn aufſtrebenden Schwunge geöffneten Fittich;
Bitterer Zweifel ſchleicht ſich heran mit blutleerem Auge,
In fahler Finſterniß verſanken meines Lichtes Strahlengarben,
Zwerghaft verſchrumpft iſt meines Muthes ſtolzer Stamm,
Aus ſchmerzzerriſſenem Herzen fleh’ ich Rettungshülfe,
Und bebend ſtammeln meine Lippen auf zu der Sterne goldenen Räthſelzeichen!
Warum — warum bin ich ſo tief herniedergeſunken? — — —
— — — — — — — — — — — — — — — — — — — —
Nein, nein, es ſoll nicht ſein, es darf nicht ſein!
Zerſchlag’, mein ermattetes Herz, mit wagendem Schwerte
Des Zagens bänglich bedrückende Sargesumhüllung,
Schüttele von dir den aſchgrauen Staubesmantel,
Deſſen Falten zu Falle gebracht deinen Muth.
Bin ich doch Herr meiner ſelber geworden,
Hab’ ich nicht geſühnet all’ meine ſündigen Thaten?
Schritt ich nicht büßendes Fußes über ſonnengeſchmolzene Sandeseinöde?
Iſt mein Wille nicht ſtark und mächtig wie des Sturmwinds Gewalt,
Der tändelnden Spiels Oceane zum Himmel emporſtäubt
Und ihre Tiefe aufwühlt dem Auge des Tages!
Wozu denn in ſchwankendem Kleinmuth erzittern,
Mit trüblichen Nebeln umſchleiern das Morgenroth,
Das gewißlich erſcheinende?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0232" n="214"/>
          <fw place="top" type="header">Georg Gradnauer.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">III.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Leuchtet mir nicht allein des Taghimmels flammende Stirne,</l><lb/>
                <l>Krönt &#x017F;ich mir nicht die Nacht mit des Mondes &#x017F;ilbernem Reife?</l><lb/>
                <l>Waren des dunkelen Waldes melodi&#x017F;che Stimmen</l><lb/>
                <l>Nicht nur ein Wiederhall die&#x017F;er wunder&#x017F;am &#x017F;trömenden Klänge,</l><lb/>
                <l>Die Seligkeit athmend meines Herzens Kirche durchwallten?</l><lb/>
                <l>Stammte aus himmli&#x017F;chen Höhen der befiederte Pfeil nicht,</l><lb/>
                <l>Der mir die Bru&#x017F;t durchbohrte und die ro&#x017F;ige Wunde mir &#x017F;chlug,</l><lb/>
                <l>Der entquollen mein Glaube, die Kraft und das Wagniß? &#x2014;</l><lb/>
                <l>Schon &#x017F;chaute ich mich mit dem Pfluge des Gei&#x017F;tes</l><lb/>
                <l>Die Lande durchfurchend, die Seelen der Men&#x017F;chen,</l><lb/>
                <l>Brennender Worte lohende Fackel tief in die Herzen ver&#x017F;enkend,</l><lb/>
                <l>In &#x017F;aphirnem Gewande hin&#x017F;chreitend zum &#x017F;onnigen Aether, zum Lichte. &#x2014;</l><lb/>
                <l>Alles zer&#x017F;chlagen nun, alles zerrüttet;</l><lb/>
                <l>Traumgleich ver&#x017F;chäumen die blendenden Bilder</l><lb/>
                <l>In entma&#x017F;tetem Boote treib&#x2019; ich auf uferlo&#x017F;er, unendlicher See,</l><lb/>
                <l>&#x017F;tre Ge&#x017F;talten &#x017F;augen &#x017F;ich fe&#x017F;t mit &#x017F;pitzigen Nägeln</l><lb/>
                <l>An meiner Seele zum kühn auf&#x017F;trebenden Schwunge geöffneten Fittich;</l><lb/>
                <l>Bitterer Zweifel &#x017F;chleicht &#x017F;ich heran mit blutleerem Auge,</l><lb/>
                <l>In fahler Fin&#x017F;terniß ver&#x017F;anken meines Lichtes Strahlengarben,</l><lb/>
                <l>Zwerghaft ver&#x017F;chrumpft i&#x017F;t meines Muthes &#x017F;tolzer Stamm,</l><lb/>
                <l>Aus &#x017F;chmerzzerri&#x017F;&#x017F;enem Herzen fleh&#x2019; ich Rettungshülfe,</l><lb/>
                <l>Und bebend &#x017F;tammeln meine Lippen auf zu der Sterne goldenen Räth&#x017F;elzeichen!</l><lb/>
                <l>Warum &#x2014; warum bin ich &#x017F;o tief herniederge&#x017F;unken? &#x2014; &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
                <l>&#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
                <l>Nein, nein, es &#x017F;oll nicht &#x017F;ein, es darf nicht &#x017F;ein!</l><lb/>
                <l>Zer&#x017F;chlag&#x2019;, mein ermattetes Herz, mit wagendem Schwerte</l><lb/>
                <l>Des Zagens bänglich bedrückende Sargesumhüllung,</l><lb/>
                <l>Schüttele von dir den a&#x017F;chgrauen Staubesmantel,</l><lb/>
                <l>De&#x017F;&#x017F;en Falten zu Falle gebracht deinen Muth.</l><lb/>
                <l>Bin ich doch Herr meiner &#x017F;elber geworden,</l><lb/>
                <l>Hab&#x2019; ich nicht ge&#x017F;ühnet all&#x2019; meine &#x017F;ündigen Thaten?</l><lb/>
                <l>Schritt ich nicht büßendes Fußes über &#x017F;onnenge&#x017F;chmolzene Sandeseinöde?</l><lb/>
                <l>I&#x017F;t mein Wille nicht &#x017F;tark und mächtig wie des Sturmwinds Gewalt,</l><lb/>
                <l>Der tändelnden Spiels Oceane zum Himmel empor&#x017F;täubt</l><lb/>
                <l>Und ihre Tiefe aufwühlt dem Auge des Tages!</l><lb/>
                <l>Wozu denn in &#x017F;chwankendem Kleinmuth erzittern,</l><lb/>
                <l>Mit trüblichen Nebeln um&#x017F;chleiern das Morgenroth,</l><lb/>
                <l>Das gewißlich er&#x017F;cheinende?</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0232] Georg Gradnauer. III. Leuchtet mir nicht allein des Taghimmels flammende Stirne, Krönt ſich mir nicht die Nacht mit des Mondes ſilbernem Reife? Waren des dunkelen Waldes melodiſche Stimmen Nicht nur ein Wiederhall dieſer wunderſam ſtrömenden Klänge, Die Seligkeit athmend meines Herzens Kirche durchwallten? Stammte aus himmliſchen Höhen der befiederte Pfeil nicht, Der mir die Bruſt durchbohrte und die roſige Wunde mir ſchlug, Der entquollen mein Glaube, die Kraft und das Wagniß? — Schon ſchaute ich mich mit dem Pfluge des Geiſtes Die Lande durchfurchend, die Seelen der Menſchen, Brennender Worte lohende Fackel tief in die Herzen verſenkend, In ſaphirnem Gewande hinſchreitend zum ſonnigen Aether, zum Lichte. — Alles zerſchlagen nun, alles zerrüttet; Traumgleich verſchäumen die blendenden Bilder In entmaſtetem Boote treib’ ich auf uferloſer, unendlicher See, Düſtre Geſtalten ſaugen ſich feſt mit ſpitzigen Nägeln An meiner Seele zum kühn aufſtrebenden Schwunge geöffneten Fittich; Bitterer Zweifel ſchleicht ſich heran mit blutleerem Auge, In fahler Finſterniß verſanken meines Lichtes Strahlengarben, Zwerghaft verſchrumpft iſt meines Muthes ſtolzer Stamm, Aus ſchmerzzerriſſenem Herzen fleh’ ich Rettungshülfe, Und bebend ſtammeln meine Lippen auf zu der Sterne goldenen Räthſelzeichen! Warum — warum bin ich ſo tief herniedergeſunken? — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Nein, nein, es ſoll nicht ſein, es darf nicht ſein! Zerſchlag’, mein ermattetes Herz, mit wagendem Schwerte Des Zagens bänglich bedrückende Sargesumhüllung, Schüttele von dir den aſchgrauen Staubesmantel, Deſſen Falten zu Falle gebracht deinen Muth. Bin ich doch Herr meiner ſelber geworden, Hab’ ich nicht geſühnet all’ meine ſündigen Thaten? Schritt ich nicht büßendes Fußes über ſonnengeſchmolzene Sandeseinöde? Iſt mein Wille nicht ſtark und mächtig wie des Sturmwinds Gewalt, Der tändelnden Spiels Oceane zum Himmel emporſtäubt Und ihre Tiefe aufwühlt dem Auge des Tages! Wozu denn in ſchwankendem Kleinmuth erzittern, Mit trüblichen Nebeln umſchleiern das Morgenroth, Das gewißlich erſcheinende?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/232
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/232>, abgerufen am 22.12.2024.