Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite
Alfred Hugenberg.


Im Himmel.

Originalbeitrag.

Gen Himmel fühlt' ich meine Seele schweben
Und in das Reich der Engel ging ich ein.
Geblendet wagt' ich kaum den Blick zu heben --
O Glanz! O Glück! Das Alles war nun mein!
Und unwillkürlich kam mir ein Gedanke,
Der ach! so schön, so gut, so menschlich war --
Mir kam der Liebe seliger Gedanke -- --
O Du, o meiner Mutter Augenpaar!
Von Ferne schien sie lächelnd mich zu grüßen,
Die meiner Jugend erste Freuden sah;
Und auch den Vater fand ich Gott zu Füßen:
Verklärten Angesichtes stand er da.
"So soll ich hier Euch wirklich alle finden,
Die mich in Lieb' an ihre Brust gepreßt?
Ich hört' es in der Jugend mir verkünden,
Und zweifelnd hielt ich an der Hoffnung fest!"
Ich trat heran -- ich wollte sie umarmen.
"Mein Vater! Meine Mutter!" rief ich laut --
O laßt an Eurer Brust mich hold erwarmen,
Selig das Kind, das Euch nun wiederschaut!
Wie? War es möglich? Ihres einzigen Sohnes
Erinnert eine Mutter sich nicht mehr? --
Ich fuhr empor: unwillig dumpfen Tones
Lief ein Gemurmel durch der Engel Heer.
Ich sah bestürzt umher im weiten Raume:
Versunken war in Andacht Jedermann.
Plötzlich erwachten wie aus tiefem Traume
Alle und blickten mich erschrocken an.
Alfred Hugenberg.


Im Himmel.

Originalbeitrag.

Gen Himmel fühlt’ ich meine Seele ſchweben
Und in das Reich der Engel ging ich ein.
Geblendet wagt’ ich kaum den Blick zu heben —
O Glanz! O Glück! Das Alles war nun mein!
Und unwillkürlich kam mir ein Gedanke,
Der ach! ſo ſchön, ſo gut, ſo menſchlich war —
Mir kam der Liebe ſeliger Gedanke — —
O Du, o meiner Mutter Augenpaar!
Von Ferne ſchien ſie lächelnd mich zu grüßen,
Die meiner Jugend erſte Freuden ſah;
Und auch den Vater fand ich Gott zu Füßen:
Verklärten Angeſichtes ſtand er da.
„So ſoll ich hier Euch wirklich alle finden,
Die mich in Lieb’ an ihre Bruſt gepreßt?
Ich hört’ es in der Jugend mir verkünden,
Und zweifelnd hielt ich an der Hoffnung feſt!“
Ich trat heran — ich wollte ſie umarmen.
„Mein Vater! Meine Mutter!“ rief ich laut —
O laßt an Eurer Bruſt mich hold erwarmen,
Selig das Kind, das Euch nun wiederſchaut!
Wie? War es möglich? Ihres einzigen Sohnes
Erinnert eine Mutter ſich nicht mehr? —
Ich fuhr empor: unwillig dumpfen Tones
Lief ein Gemurmel durch der Engel Heer.
Ich ſah beſtürzt umher im weiten Raume:
Verſunken war in Andacht Jedermann.
Plötzlich erwachten wie aus tiefem Traume
Alle und blickten mich erſchrocken an.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0225" n="[207]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Alfred Hugenberg.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Im Himmel.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">G</hi>en Himmel fühlt&#x2019; ich meine Seele &#x017F;chweben</l><lb/>
              <l>Und in das Reich der Engel ging ich ein.</l><lb/>
              <l>Geblendet wagt&#x2019; ich kaum den Blick zu heben &#x2014;</l><lb/>
              <l>O Glanz! O Glück! Das Alles war nun mein!</l><lb/>
              <l>Und unwillkürlich kam mir ein Gedanke,</l><lb/>
              <l>Der ach! &#x017F;o &#x017F;chön, &#x017F;o gut, &#x017F;o men&#x017F;chlich war &#x2014;</l><lb/>
              <l>Mir kam der Liebe &#x017F;eliger Gedanke &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
              <l>O Du, o meiner Mutter Augenpaar!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Von Ferne &#x017F;chien &#x017F;ie lächelnd mich zu grüßen,</l><lb/>
              <l>Die meiner Jugend er&#x017F;te Freuden &#x017F;ah;</l><lb/>
              <l>Und auch den Vater fand ich Gott zu Füßen:</l><lb/>
              <l>Verklärten Ange&#x017F;ichtes &#x017F;tand er da.</l><lb/>
              <l>&#x201E;So &#x017F;oll ich hier Euch wirklich alle finden,</l><lb/>
              <l>Die mich in Lieb&#x2019; an ihre Bru&#x017F;t gepreßt?</l><lb/>
              <l>Ich hört&#x2019; es in der Jugend mir verkünden,</l><lb/>
              <l>Und zweifelnd hielt ich an der Hoffnung fe&#x017F;t!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ich trat heran &#x2014; ich wollte &#x017F;ie umarmen.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mein Vater! Meine Mutter!&#x201C; rief ich laut &#x2014;</l><lb/>
              <l>O laßt an Eurer Bru&#x017F;t mich hold erwarmen,</l><lb/>
              <l>Selig das Kind, das Euch nun wieder&#x017F;chaut!</l><lb/>
              <l>Wie? War es möglich? Ihres einzigen Sohnes</l><lb/>
              <l>Erinnert eine Mutter &#x017F;ich nicht mehr? &#x2014;</l><lb/>
              <l>Ich fuhr empor: unwillig dumpfen Tones</l><lb/>
              <l>Lief ein Gemurmel durch der Engel Heer.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Ich &#x017F;ah be&#x017F;türzt umher im weiten Raume:</l><lb/>
              <l>Ver&#x017F;unken war in Andacht Jedermann.</l><lb/>
              <l>Plötzlich erwachten wie aus tiefem Traume</l><lb/>
              <l>Alle und blickten mich er&#x017F;chrocken an.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[207]/0225] Alfred Hugenberg. Im Himmel. Originalbeitrag. Gen Himmel fühlt’ ich meine Seele ſchweben Und in das Reich der Engel ging ich ein. Geblendet wagt’ ich kaum den Blick zu heben — O Glanz! O Glück! Das Alles war nun mein! Und unwillkürlich kam mir ein Gedanke, Der ach! ſo ſchön, ſo gut, ſo menſchlich war — Mir kam der Liebe ſeliger Gedanke — — O Du, o meiner Mutter Augenpaar! Von Ferne ſchien ſie lächelnd mich zu grüßen, Die meiner Jugend erſte Freuden ſah; Und auch den Vater fand ich Gott zu Füßen: Verklärten Angeſichtes ſtand er da. „So ſoll ich hier Euch wirklich alle finden, Die mich in Lieb’ an ihre Bruſt gepreßt? Ich hört’ es in der Jugend mir verkünden, Und zweifelnd hielt ich an der Hoffnung feſt!“ Ich trat heran — ich wollte ſie umarmen. „Mein Vater! Meine Mutter!“ rief ich laut — O laßt an Eurer Bruſt mich hold erwarmen, Selig das Kind, das Euch nun wiederſchaut! Wie? War es möglich? Ihres einzigen Sohnes Erinnert eine Mutter ſich nicht mehr? — Ich fuhr empor: unwillig dumpfen Tones Lief ein Gemurmel durch der Engel Heer. Ich ſah beſtürzt umher im weiten Raume: Verſunken war in Andacht Jedermann. Plötzlich erwachten wie aus tiefem Traume Alle und blickten mich erſchrocken an.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/225
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. [207]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/225>, abgerufen am 03.12.2024.