Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Heinrich Hart. Nacht des Märzen, Nacht der Liebe, Euer Schoß gebiert das Licht, Die ihr heiliget die Triebe, Eure Flammen löschen nicht. Lenze keimen und vergehen Und der Erde Bau zerfällt, Doch aus euch wird auferstehen Ewig neu die goldne Welt. Wacht auf. 1876. "Weltpfingsten". Was drängt ihr Felsen in die Wolken ein, Schon rast das Meer und rüttelt Stein von Stein. Was prahlt ihr Wälder stolz mit eurem Grün, Schon seh' im West den Wetterstrahl ich glüh'n. Was ruft ihr Glocken friedlich zum Gebet, Wenn schon die Erde hohl und donnernd geht. Was jauchzt ihr Menschen wie am Feiertag, Schon grinst der Tod euch lüstern ins Gemach. O könntet ihr mit meinen Augen sehn, Wie brünstig würdet ihr zum Himmel flehn. Allweg kriecht Elend wie ein ekel Gift, Und Niemand weiß, wen's heut zu Hause trifft. Allweg hebt Streit sich ehern auf vom Roß, Und klirrend fährt ins Mark sein scharf Geschoß. Allweg weicht Einer schen dem Andern aus, Und schließt, wie vor dem Todfeind, Hof und Haus. O gäb' der Herr mir seines Sturmes Mund, Daß ihr mich hörtet all zur selben Stund. Heinrich Hart. Nacht des Märzen, Nacht der Liebe, Euer Schoß gebiert das Licht, Die ihr heiliget die Triebe, Eure Flammen löſchen nicht. Lenze keimen und vergehen Und der Erde Bau zerfällt, Doch aus euch wird auferſtehen Ewig neu die goldne Welt. Wacht auf. 1876. „Weltpfingſten“. Was drängt ihr Felſen in die Wolken ein, Schon raſt das Meer und rüttelt Stein von Stein. Was prahlt ihr Wälder ſtolz mit eurem Grün, Schon ſeh’ im Weſt den Wetterſtrahl ich glüh’n. Was ruft ihr Glocken friedlich zum Gebet, Wenn ſchon die Erde hohl und donnernd geht. Was jauchzt ihr Menſchen wie am Feiertag, Schon grinſt der Tod euch lüſtern ins Gemach. O könntet ihr mit meinen Augen ſehn, Wie brünſtig würdet ihr zum Himmel flehn. Allweg kriecht Elend wie ein ekel Gift, Und Niemand weiß, wen’s heut zu Hauſe trifft. Allweg hebt Streit ſich ehern auf vom Roß, Und klirrend fährt ins Mark ſein ſcharf Geſchoß. Allweg weicht Einer ſchen dem Andern aus, Und ſchließt, wie vor dem Todfeind, Hof und Haus. O gäb’ der Herr mir ſeines Sturmes Mund, Daß ihr mich hörtet all zur ſelben Stund. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0210" n="192"/> <fw place="top" type="header">Heinrich Hart.</fw><lb/> <lg n="12"> <l>Nacht des Märzen, Nacht der Liebe,</l><lb/> <l>Euer Schoß gebiert das Licht,</l><lb/> <l>Die ihr heiliget die Triebe,</l><lb/> <l>Eure Flammen löſchen nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Lenze keimen und vergehen</l><lb/> <l>Und der Erde Bau zerfällt,</l><lb/> <l>Doch aus euch wird auferſtehen</l><lb/> <l>Ewig neu die goldne Welt.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wacht auf.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">1876. „Weltpfingſten“.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Was drängt ihr Felſen in die Wolken ein,</l><lb/> <l>Schon raſt das Meer und rüttelt Stein von Stein.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Was prahlt ihr Wälder ſtolz mit eurem Grün,</l><lb/> <l>Schon ſeh’ im Weſt den Wetterſtrahl ich glüh’n.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Was ruft ihr Glocken friedlich zum Gebet,</l><lb/> <l>Wenn ſchon die Erde hohl und donnernd geht.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Was jauchzt ihr Menſchen wie am Feiertag,</l><lb/> <l>Schon grinſt der Tod euch lüſtern ins Gemach.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>O könntet ihr mit meinen Augen ſehn,</l><lb/> <l>Wie brünſtig würdet ihr zum Himmel flehn.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Allweg kriecht Elend wie ein ekel Gift,</l><lb/> <l>Und Niemand weiß, wen’s heut zu Hauſe trifft.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Allweg hebt Streit ſich ehern auf vom Roß,</l><lb/> <l>Und klirrend fährt ins Mark ſein ſcharf Geſchoß.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Allweg weicht Einer ſchen dem Andern aus,</l><lb/> <l>Und ſchließt, wie vor dem Todfeind, Hof und Haus.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>O gäb’ der Herr mir ſeines Sturmes Mund,</l><lb/> <l>Daß ihr mich hörtet all zur ſelben Stund.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0210]
Heinrich Hart.
Nacht des Märzen, Nacht der Liebe,
Euer Schoß gebiert das Licht,
Die ihr heiliget die Triebe,
Eure Flammen löſchen nicht.
Lenze keimen und vergehen
Und der Erde Bau zerfällt,
Doch aus euch wird auferſtehen
Ewig neu die goldne Welt.
Wacht auf.
1876. „Weltpfingſten“.
Was drängt ihr Felſen in die Wolken ein,
Schon raſt das Meer und rüttelt Stein von Stein.
Was prahlt ihr Wälder ſtolz mit eurem Grün,
Schon ſeh’ im Weſt den Wetterſtrahl ich glüh’n.
Was ruft ihr Glocken friedlich zum Gebet,
Wenn ſchon die Erde hohl und donnernd geht.
Was jauchzt ihr Menſchen wie am Feiertag,
Schon grinſt der Tod euch lüſtern ins Gemach.
O könntet ihr mit meinen Augen ſehn,
Wie brünſtig würdet ihr zum Himmel flehn.
Allweg kriecht Elend wie ein ekel Gift,
Und Niemand weiß, wen’s heut zu Hauſe trifft.
Allweg hebt Streit ſich ehern auf vom Roß,
Und klirrend fährt ins Mark ſein ſcharf Geſchoß.
Allweg weicht Einer ſchen dem Andern aus,
Und ſchließt, wie vor dem Todfeind, Hof und Haus.
O gäb’ der Herr mir ſeines Sturmes Mund,
Daß ihr mich hörtet all zur ſelben Stund.
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