Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Heinrich Hart. Gott. 1884. Originalbeitrag. Der Du nicht Stein bist, doch des Steines Kraft, Die Kern und Schale hält in enger Haft. Der Du nicht Rose bist, doch ihre Pracht, Ihr Duft, ihr Auge, das zur Sonne lacht. Der Du nicht Eiche bist, doch wohl ihr Mark, Der Stolz, der aus ihr athmet, lebensstark. Die Welt ist nichts als Form, in der Du prägst, Ist nichts als die Gewandung, die Du trägst. Ist nichts als Spiegelbild von Deinem Sein; Nur Du bist Wahrheit, doch das Bild ist Schein. Ich bin ein Mensch, mein Geist umspannt das All, Durch meine Seele rauscht der Sphären Hall. Ich höre was der Lerche Jubel sagt, Ich höre was des Meeres Brandung klagt. Ich sehe was des Feuers Auge glüht, Ich sehe was im Schoß der Lilie blüht. Ich fühle was im Blut der Erde ringt, Den Hauch, der von den Sternen niederdringt. Nein, nein, nicht ich; was gilt dem Fleische Duft, Was gilt dem Leibe reine Himmelsluft! Was gilt dem Staubkorn unermess'ner Raum, Was gilt der Fäulniß ewigen Lebens Traum! Nicht ich, nicht ich; mein Ich, dem Tod geweiht, Ist lauter Elend, lauter Niedrigkeit. Heinrich Hart. Gott. 1884. Originalbeitrag. Der Du nicht Stein biſt, doch des Steines Kraft, Die Kern und Schale hält in enger Haft. Der Du nicht Roſe biſt, doch ihre Pracht, Ihr Duft, ihr Auge, das zur Sonne lacht. Der Du nicht Eiche biſt, doch wohl ihr Mark, Der Stolz, der aus ihr athmet, lebensſtark. Die Welt iſt nichts als Form, in der Du prägſt, Iſt nichts als die Gewandung, die Du trägſt. Iſt nichts als Spiegelbild von Deinem Sein; Nur Du biſt Wahrheit, doch das Bild iſt Schein. Ich bin ein Menſch, mein Geiſt umſpannt das All, Durch meine Seele rauſcht der Sphären Hall. Ich höre was der Lerche Jubel ſagt, Ich höre was des Meeres Brandung klagt. Ich ſehe was des Feuers Auge glüht, Ich ſehe was im Schoß der Lilie blüht. Ich fühle was im Blut der Erde ringt, Den Hauch, der von den Sternen niederdringt. Nein, nein, nicht ich; was gilt dem Fleiſche Duft, Was gilt dem Leibe reine Himmelsluft! Was gilt dem Staubkorn unermeſſ’ner Raum, Was gilt der Fäulniß ewigen Lebens Traum! Nicht ich, nicht ich; mein Ich, dem Tod geweiht, Iſt lauter Elend, lauter Niedrigkeit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0204" n="186"/> <fw place="top" type="header">Heinrich Hart.</fw><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Gott</hi>.</hi><lb/> 1884.</head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Du nicht Stein biſt, doch des Steines Kraft,</l><lb/> <l>Die Kern und Schale hält in enger Haft.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der Du nicht Roſe biſt, doch ihre Pracht,</l><lb/> <l>Ihr Duft, ihr Auge, das zur Sonne lacht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Der Du nicht Eiche biſt, doch wohl ihr Mark,</l><lb/> <l>Der Stolz, der aus ihr athmet, lebensſtark.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Die Welt iſt nichts als Form, in der Du prägſt,</l><lb/> <l>Iſt nichts als die Gewandung, die Du trägſt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Iſt nichts als Spiegelbild von Deinem Sein;</l><lb/> <l>Nur Du biſt Wahrheit, doch das Bild iſt Schein.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ich bin ein Menſch, mein Geiſt umſpannt das All,</l><lb/> <l>Durch meine Seele rauſcht der Sphären Hall.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Ich höre was der Lerche Jubel ſagt,</l><lb/> <l>Ich höre was des Meeres Brandung klagt.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ich ſehe was des Feuers Auge glüht,</l><lb/> <l>Ich ſehe was im Schoß der Lilie blüht.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Ich fühle was im Blut der Erde ringt,</l><lb/> <l>Den Hauch, der von den Sternen niederdringt.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Nein, nein, nicht ich; was gilt dem Fleiſche Duft,</l><lb/> <l>Was gilt dem Leibe reine Himmelsluft!</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Was gilt dem Staubkorn unermeſſ’ner Raum,</l><lb/> <l>Was gilt der Fäulniß ewigen Lebens Traum!</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Nicht ich, nicht ich; mein Ich, dem Tod geweiht,</l><lb/> <l>Iſt lauter Elend, lauter Niedrigkeit.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0204]
Heinrich Hart.
Gott.
1884.
Originalbeitrag.
Der Du nicht Stein biſt, doch des Steines Kraft,
Die Kern und Schale hält in enger Haft.
Der Du nicht Roſe biſt, doch ihre Pracht,
Ihr Duft, ihr Auge, das zur Sonne lacht.
Der Du nicht Eiche biſt, doch wohl ihr Mark,
Der Stolz, der aus ihr athmet, lebensſtark.
Die Welt iſt nichts als Form, in der Du prägſt,
Iſt nichts als die Gewandung, die Du trägſt.
Iſt nichts als Spiegelbild von Deinem Sein;
Nur Du biſt Wahrheit, doch das Bild iſt Schein.
Ich bin ein Menſch, mein Geiſt umſpannt das All,
Durch meine Seele rauſcht der Sphären Hall.
Ich höre was der Lerche Jubel ſagt,
Ich höre was des Meeres Brandung klagt.
Ich ſehe was des Feuers Auge glüht,
Ich ſehe was im Schoß der Lilie blüht.
Ich fühle was im Blut der Erde ringt,
Den Hauch, der von den Sternen niederdringt.
Nein, nein, nicht ich; was gilt dem Fleiſche Duft,
Was gilt dem Leibe reine Himmelsluft!
Was gilt dem Staubkorn unermeſſ’ner Raum,
Was gilt der Fäulniß ewigen Lebens Traum!
Nicht ich, nicht ich; mein Ich, dem Tod geweiht,
Iſt lauter Elend, lauter Niedrigkeit.
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