Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite
Heinrich Hart.
Unser Blut treibt neue Säfte,
Unser Mark trinkt neue Kräfte,
Unsre Adern klopfen weit.
Mit einander so zu bauen,
Einig, einig voll Vertrauen,
Heil dem Tag, der so befreit.
Wirf die Thore auf, Jahrhundert,
Komm herab, begrüßt, bewundert,
Sonnenleuchtend, Morgenklar,
Keine Krone trägst du golden,
Doch ein Kranz von duftigholden
Frühlingsrosen schmückt dein Haar.


Die letzte Nacht.

1874. "Weltpfingsten".

Ich hab' zur Nacht gesessen
Mit euch im goldnen Saal;
Aus blanken Römern schoß der Wein,
Süß duftete das Mahl.
Die Luft ging schwer, die Ampel warf
Trüb ihren letzten Schein -- --
Die Fenster auf! und kühl und scharf
Schlägt Morgenwind herein.
Aufschreckt vom Schoß des Buhlen
Die leichtgeschürzte Dirn,
Der Bursch springt auf und stößt die Faust
Hohnlachend an die Stirn.
Die Dirne reißt er dann empor,
Und küßt sie lang und heiß,
Schwarz fällt sein Haar wie Trauerflor
Auf ihres Nackens Weiß.
"Füllt einmal noch die Becher,
Genossen dieser Nacht.
Stoßt mit mir an, frisch, auf den Tod,
Dies Glas sei ihm gebracht.
Heinrich Hart.
Unſer Blut treibt neue Säfte,
Unſer Mark trinkt neue Kräfte,
Unſre Adern klopfen weit.
Mit einander ſo zu bauen,
Einig, einig voll Vertrauen,
Heil dem Tag, der ſo befreit.
Wirf die Thore auf, Jahrhundert,
Komm herab, begrüßt, bewundert,
Sonnenleuchtend, Morgenklar,
Keine Krone trägſt du golden,
Doch ein Kranz von duftigholden
Frühlingsroſen ſchmückt dein Haar.


Die letzte Nacht.

1874. „Weltpfingſten“.

Ich hab’ zur Nacht geſeſſen
Mit euch im goldnen Saal;
Aus blanken Römern ſchoß der Wein,
Süß duftete das Mahl.
Die Luft ging ſchwer, die Ampel warf
Trüb ihren letzten Schein — —
Die Fenſter auf! und kühl und ſcharf
Schlägt Morgenwind herein.
Aufſchreckt vom Schoß des Buhlen
Die leichtgeſchürzte Dirn,
Der Burſch ſpringt auf und ſtößt die Fauſt
Hohnlachend an die Stirn.
Die Dirne reißt er dann empor,
Und küßt ſie lang und heiß,
Schwarz fällt ſein Haar wie Trauerflor
Auf ihres Nackens Weiß.
„Füllt einmal noch die Becher,
Genoſſen dieſer Nacht.
Stoßt mit mir an, friſch, auf den Tod,
Dies Glas ſei ihm gebracht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0202" n="184"/>
            <fw place="top" type="header">Heinrich Hart.</fw><lb/>
            <lg n="15">
              <l>Un&#x017F;er Blut treibt neue Säfte,</l><lb/>
              <l>Un&#x017F;er Mark trinkt neue Kräfte,</l><lb/>
              <l>Un&#x017F;re Adern klopfen weit.</l><lb/>
              <l>Mit einander &#x017F;o zu bauen,</l><lb/>
              <l>Einig, einig voll Vertrauen,</l><lb/>
              <l>Heil dem Tag, der <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> befreit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l>Wirf die Thore auf, Jahrhundert,</l><lb/>
              <l>Komm herab, begrüßt, bewundert,</l><lb/>
              <l>Sonnenleuchtend, Morgenklar,</l><lb/>
              <l>Keine Krone träg&#x017F;t du golden,</l><lb/>
              <l>Doch ein Kranz von duftigholden</l><lb/>
              <l>Frühlingsro&#x017F;en &#x017F;chmückt dein Haar.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die letzte Nacht</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">1874. &#x201E;Weltpfing&#x017F;ten&#x201C;.</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ich hab&#x2019; zur Nacht ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Mit euch im goldnen Saal;</l><lb/>
              <l>Aus blanken Römern &#x017F;choß der Wein,</l><lb/>
              <l>Süß duftete das Mahl.</l><lb/>
              <l>Die Luft ging &#x017F;chwer, die Ampel warf</l><lb/>
              <l>Trüb ihren letzten Schein &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
              <l>Die Fen&#x017F;ter auf! und kühl und &#x017F;charf</l><lb/>
              <l>Schlägt Morgenwind herein.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Auf&#x017F;chreckt vom Schoß des Buhlen</l><lb/>
              <l>Die leichtge&#x017F;chürzte Dirn,</l><lb/>
              <l>Der Bur&#x017F;ch &#x017F;pringt auf und &#x017F;tößt die Fau&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Hohnlachend an die Stirn.</l><lb/>
              <l>Die Dirne reißt er dann empor,</l><lb/>
              <l>Und küßt &#x017F;ie lang und heiß,</l><lb/>
              <l>Schwarz fällt &#x017F;ein Haar wie Trauerflor</l><lb/>
              <l>Auf ihres Nackens Weiß.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>&#x201E;Füllt einmal noch die Becher,</l><lb/>
              <l>Geno&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;er Nacht.</l><lb/>
              <l>Stoßt mit mir an, fri&#x017F;ch, auf den Tod,</l><lb/>
              <l>Dies Glas &#x017F;ei ihm gebracht.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0202] Heinrich Hart. Unſer Blut treibt neue Säfte, Unſer Mark trinkt neue Kräfte, Unſre Adern klopfen weit. Mit einander ſo zu bauen, Einig, einig voll Vertrauen, Heil dem Tag, der ſo befreit. Wirf die Thore auf, Jahrhundert, Komm herab, begrüßt, bewundert, Sonnenleuchtend, Morgenklar, Keine Krone trägſt du golden, Doch ein Kranz von duftigholden Frühlingsroſen ſchmückt dein Haar. Die letzte Nacht. 1874. „Weltpfingſten“. Ich hab’ zur Nacht geſeſſen Mit euch im goldnen Saal; Aus blanken Römern ſchoß der Wein, Süß duftete das Mahl. Die Luft ging ſchwer, die Ampel warf Trüb ihren letzten Schein — — Die Fenſter auf! und kühl und ſcharf Schlägt Morgenwind herein. Aufſchreckt vom Schoß des Buhlen Die leichtgeſchürzte Dirn, Der Burſch ſpringt auf und ſtößt die Fauſt Hohnlachend an die Stirn. Die Dirne reißt er dann empor, Und küßt ſie lang und heiß, Schwarz fällt ſein Haar wie Trauerflor Auf ihres Nackens Weiß. „Füllt einmal noch die Becher, Genoſſen dieſer Nacht. Stoßt mit mir an, friſch, auf den Tod, Dies Glas ſei ihm gebracht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/202
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/202>, abgerufen am 23.11.2024.