Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Oskar Jerschke. Sie haben gar lange geschwiegen Von mancher vielköstlichen Mär, Und mußten vergessen liegen In Schutt und Gemäuer umher. Nun kommen sie lächelnd und steigen An's leuchtende Sonnenlicht Und wollen Dir deuten und zeigen Was Deine Geschichte spricht: Daß seit den undenklichsten Tagen Und trotz dem fränkischen Raub Die Eichen im Wasgau getragen Das echte germanische Laub. Und daß allzeiten inmitten Der welschen, werbenden List Dein Volk an Glauben und Sitten Germanisch geblieben ist. An die oberen Zehntausend. Originalbeitrag. O kehrtet einmal Ihr aus den Palästen Im dunstigen Dunkel enger Gassen ein! O kehrtet einmal Ihr von Euren Festen In's vierte Stockwerk, wo beim Oellichtschein Blutarme Nähterinnen um den Bissen Des lieben Brods zehn Stunden nähen müssen! Kröcht' einmal Ihr mit Eurem Schmuck behangen Zur Kellerwohnung, wo der Schuster flickt, Sein armes Weib mit hungerbleichen Wangen Den Säugling an die welken Brüste drückt, Von Einer Mark oft sieben Menschen leben, Die doch dem Kaiser noch den Groschen geben! Oskar Jerſchke. Sie haben gar lange geſchwiegen Von mancher vielköſtlichen Mär, Und mußten vergeſſen liegen In Schutt und Gemäuer umher. Nun kommen ſie lächelnd und ſteigen An’s leuchtende Sonnenlicht Und wollen Dir deuten und zeigen Was Deine Geſchichte ſpricht: Daß ſeit den undenklichſten Tagen Und trotz dem fränkiſchen Raub Die Eichen im Wasgau getragen Das echte germaniſche Laub. Und daß allzeiten inmitten Der welſchen, werbenden Liſt Dein Volk an Glauben und Sitten Germaniſch geblieben iſt. An die oberen Zehntauſend. Originalbeitrag. O kehrtet einmal Ihr aus den Paläſten Im dunſtigen Dunkel enger Gaſſen ein! O kehrtet einmal Ihr von Euren Feſten In’s vierte Stockwerk, wo beim Oellichtſchein Blutarme Nähterinnen um den Biſſen Des lieben Brods zehn Stunden nähen müſſen! Kröcht’ einmal Ihr mit Eurem Schmuck behangen Zur Kellerwohnung, wo der Schuſter flickt, Sein armes Weib mit hungerbleichen Wangen Den Säugling an die welken Brüſte drückt, Von Einer Mark oft ſieben Menſchen leben, Die doch dem Kaiſer noch den Groſchen geben! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0186" n="168"/> <fw place="top" type="header">Oskar Jerſchke.</fw><lb/> <lg n="5"> <l>Sie haben gar lange geſchwiegen</l><lb/> <l>Von mancher vielköſtlichen Mär,</l><lb/> <l>Und mußten vergeſſen liegen</l><lb/> <l>In Schutt und Gemäuer umher.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Nun kommen ſie lächelnd und ſteigen</l><lb/> <l>An’s leuchtende Sonnenlicht</l><lb/> <l>Und wollen Dir deuten und zeigen</l><lb/> <l>Was Deine Geſchichte ſpricht:</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Daß ſeit den undenklichſten Tagen</l><lb/> <l>Und trotz dem fränkiſchen Raub</l><lb/> <l>Die Eichen im Wasgau getragen</l><lb/> <l>Das echte germaniſche Laub.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Und daß allzeiten inmitten</l><lb/> <l>Der welſchen, werbenden Liſt</l><lb/> <l>Dein Volk an <hi rendition="#g">Glauben</hi> und <hi rendition="#g">Sitten</hi></l><lb/> <l><hi rendition="#g">Germaniſch</hi> geblieben iſt.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">An die oberen Zehntauſend.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>O kehrtet einmal Ihr aus den Paläſten</l><lb/> <l>Im dunſtigen Dunkel enger Gaſſen ein!</l><lb/> <l>O kehrtet einmal Ihr von Euren Feſten</l><lb/> <l>In’s vierte Stockwerk, wo beim Oellichtſchein</l><lb/> <l>Blutarme Nähterinnen um den Biſſen</l><lb/> <l>Des lieben Brods zehn Stunden nähen müſſen!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Kröcht’ einmal Ihr mit Eurem Schmuck behangen</l><lb/> <l>Zur Kellerwohnung, wo der Schuſter flickt,</l><lb/> <l>Sein armes Weib mit hungerbleichen Wangen</l><lb/> <l>Den Säugling an die welken Brüſte drückt,</l><lb/> <l>Von Einer Mark oft ſieben Menſchen leben,</l><lb/> <l>Die doch dem Kaiſer noch den Groſchen geben!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0186]
Oskar Jerſchke.
Sie haben gar lange geſchwiegen
Von mancher vielköſtlichen Mär,
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In Schutt und Gemäuer umher.
Nun kommen ſie lächelnd und ſteigen
An’s leuchtende Sonnenlicht
Und wollen Dir deuten und zeigen
Was Deine Geſchichte ſpricht:
Daß ſeit den undenklichſten Tagen
Und trotz dem fränkiſchen Raub
Die Eichen im Wasgau getragen
Das echte germaniſche Laub.
Und daß allzeiten inmitten
Der welſchen, werbenden Liſt
Dein Volk an Glauben und Sitten
Germaniſch geblieben iſt.
An die oberen Zehntauſend.
Originalbeitrag.
O kehrtet einmal Ihr aus den Paläſten
Im dunſtigen Dunkel enger Gaſſen ein!
O kehrtet einmal Ihr von Euren Feſten
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Des lieben Brods zehn Stunden nähen müſſen!
Kröcht’ einmal Ihr mit Eurem Schmuck behangen
Zur Kellerwohnung, wo der Schuſter flickt,
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Die doch dem Kaiſer noch den Groſchen geben!
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