Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Arno Holz. Von Ewigkeit zu Ewigkeit. Deutsche Weisen. Der Schöpfung nie begriffne Herrlichkeit Entfacht noch stündlich den Prometheusfunken, Und doch ist ihre goldne Blüthezeit Schon längst ins Grab der Ewigkeit gesunken. Denn jene Welt der Sagenpoesie Ist nicht nur Traum, ist Wirklichkeit gewesen, Und wem das Schicksal Seherkraft verlieh, Kann das noch heute aus den Sternen lesen. Wer zählt die Sprossen, die zertrümmert sind, Aus jener gotterbauten Himmelsleiter? Die Sonne glüht und kühlend weht der Wind Und unaufhaltsam rollt das Rad sich weiter. Die leuchtend kreisen durch das dunkle All, Erhaben groß ist noch die Zahl der Welten; Und kommt allnächtlich eine auch zu Fall, Was kann dem Meere wohl ein Tropfen gelten? Doch wem sich das Geheimniß der Natur Nicht unterm Sternenzelt mag offenbaren, Der wandle mit mir durch die Erdenflur, So wie sie war vor hunderttausend Jahren. Noch stritt kein Jason um das goldne Vließ, Die Menschheit knechtete kein Triumphator, Doch endlos dehnte sich ein Paradies Vom Nordpol bis hinunter zum Aequator. Wo heute sich durch eisumstarrten Belt Die Walfischfahrer ihre Straße bahnen, Erhub sich ehmals eine Inselwelt Beblüht von üppig wuchernden Bananen. Und lächelnd kränzte sich die Meeresfee Mit bunten Perlenmuscheln und Korallen, Wo längst verweht vom Wüstenkörnerschnee Die Isistempel in sich selbst zerfallen. Nicht trübte schon den funkelnden Azur Der Riesenschlote schmutzigfeuchter Brodem, Denn unentweiht noch träumte die Natur Und jeder Windhauch war ein Gottesodem. Arno Holz. Von Ewigkeit zu Ewigkeit. Deutſche Weiſen. Der Schöpfung nie begriffne Herrlichkeit Entfacht noch ſtündlich den Prometheusfunken, Und doch iſt ihre goldne Blüthezeit Schon längſt ins Grab der Ewigkeit geſunken. Denn jene Welt der Sagenpoeſie Iſt nicht nur Traum, iſt Wirklichkeit geweſen, Und wem das Schickſal Seherkraft verlieh, Kann das noch heute aus den Sternen leſen. Wer zählt die Sproſſen, die zertrümmert ſind, Aus jener gotterbauten Himmelsleiter? Die Sonne glüht und kühlend weht der Wind Und unaufhaltſam rollt das Rad ſich weiter. Die leuchtend kreiſen durch das dunkle All, Erhaben groß iſt noch die Zahl der Welten; Und kommt allnächtlich eine auch zu Fall, Was kann dem Meere wohl ein Tropfen gelten? Doch wem ſich das Geheimniß der Natur Nicht unterm Sternenzelt mag offenbaren, Der wandle mit mir durch die Erdenflur, So wie ſie war vor hunderttauſend Jahren. Noch ſtritt kein Jaſon um das goldne Vließ, Die Menſchheit knechtete kein Triumphator, Doch endlos dehnte ſich ein Paradies Vom Nordpol bis hinunter zum Aequator. Wo heute ſich durch eisumſtarrten Belt Die Walfiſchfahrer ihre Straße bahnen, Erhub ſich ehmals eine Inſelwelt Beblüht von üppig wuchernden Bananen. Und lächelnd kränzte ſich die Meeresfee Mit bunten Perlenmuſcheln und Korallen, Wo längſt verweht vom Wüſtenkörnerſchnee Die Iſistempel in ſich ſelbſt zerfallen. Nicht trübte ſchon den funkelnden Azur Der Rieſenſchlote ſchmutzigfeuchter Brodem, Denn unentweiht noch träumte die Natur Und jeder Windhauch war ein Gottesodem. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0177" n="159"/> <fw place="top" type="header">Arno Holz.</fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Von Ewigkeit zu Ewigkeit.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Deutſche Weiſen.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Schöpfung nie begriffne Herrlichkeit</l><lb/> <l>Entfacht noch ſtündlich den Prometheusfunken,</l><lb/> <l>Und doch iſt ihre goldne Blüthezeit</l><lb/> <l>Schon längſt ins Grab der Ewigkeit geſunken.</l><lb/> <l>Denn jene Welt der Sagenpoeſie</l><lb/> <l>Iſt nicht nur Traum, iſt Wirklichkeit geweſen,</l><lb/> <l>Und wem das Schickſal Seherkraft verlieh,</l><lb/> <l>Kann das noch heute aus den Sternen leſen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wer zählt die Sproſſen, die zertrümmert ſind,</l><lb/> <l>Aus jener gotterbauten Himmelsleiter?</l><lb/> <l>Die Sonne glüht und kühlend weht der Wind</l><lb/> <l>Und unaufhaltſam rollt das Rad ſich weiter.</l><lb/> <l>Die leuchtend kreiſen durch das dunkle All,</l><lb/> <l>Erhaben groß iſt noch die Zahl der Welten;</l><lb/> <l>Und kommt allnächtlich eine auch zu Fall,</l><lb/> <l>Was kann dem Meere wohl ein Tropfen gelten?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch wem ſich das Geheimniß der Natur</l><lb/> <l>Nicht unterm Sternenzelt mag offenbaren,</l><lb/> <l>Der wandle mit mir durch die Erdenflur,</l><lb/> <l>So wie ſie war vor hunderttauſend Jahren.</l><lb/> <l>Noch ſtritt kein Jaſon um das goldne Vließ,</l><lb/> <l>Die Menſchheit knechtete kein Triumphator,</l><lb/> <l>Doch endlos dehnte ſich ein Paradies</l><lb/> <l>Vom Nordpol bis hinunter zum Aequator.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wo heute ſich durch eisumſtarrten Belt</l><lb/> <l>Die Walfiſchfahrer ihre Straße bahnen,</l><lb/> <l>Erhub ſich ehmals eine Inſelwelt</l><lb/> <l>Beblüht von üppig wuchernden Bananen.</l><lb/> <l>Und lächelnd kränzte ſich die Meeresfee</l><lb/> <l>Mit bunten Perlenmuſcheln und Korallen,</l><lb/> <l>Wo längſt verweht vom Wüſtenkörnerſchnee</l><lb/> <l>Die Iſistempel in ſich ſelbſt zerfallen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Nicht trübte ſchon den funkelnden Azur</l><lb/> <l>Der Rieſenſchlote ſchmutzigfeuchter Brodem,</l><lb/> <l>Denn unentweiht noch träumte die Natur</l><lb/> <l>Und jeder Windhauch war ein Gottesodem.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0177]
Arno Holz.
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Deutſche Weiſen.
Der Schöpfung nie begriffne Herrlichkeit
Entfacht noch ſtündlich den Prometheusfunken,
Und doch iſt ihre goldne Blüthezeit
Schon längſt ins Grab der Ewigkeit geſunken.
Denn jene Welt der Sagenpoeſie
Iſt nicht nur Traum, iſt Wirklichkeit geweſen,
Und wem das Schickſal Seherkraft verlieh,
Kann das noch heute aus den Sternen leſen.
Wer zählt die Sproſſen, die zertrümmert ſind,
Aus jener gotterbauten Himmelsleiter?
Die Sonne glüht und kühlend weht der Wind
Und unaufhaltſam rollt das Rad ſich weiter.
Die leuchtend kreiſen durch das dunkle All,
Erhaben groß iſt noch die Zahl der Welten;
Und kommt allnächtlich eine auch zu Fall,
Was kann dem Meere wohl ein Tropfen gelten?
Doch wem ſich das Geheimniß der Natur
Nicht unterm Sternenzelt mag offenbaren,
Der wandle mit mir durch die Erdenflur,
So wie ſie war vor hunderttauſend Jahren.
Noch ſtritt kein Jaſon um das goldne Vließ,
Die Menſchheit knechtete kein Triumphator,
Doch endlos dehnte ſich ein Paradies
Vom Nordpol bis hinunter zum Aequator.
Wo heute ſich durch eisumſtarrten Belt
Die Walfiſchfahrer ihre Straße bahnen,
Erhub ſich ehmals eine Inſelwelt
Beblüht von üppig wuchernden Bananen.
Und lächelnd kränzte ſich die Meeresfee
Mit bunten Perlenmuſcheln und Korallen,
Wo längſt verweht vom Wüſtenkörnerſchnee
Die Iſistempel in ſich ſelbſt zerfallen.
Nicht trübte ſchon den funkelnden Azur
Der Rieſenſchlote ſchmutzigfeuchter Brodem,
Denn unentweiht noch träumte die Natur
Und jeder Windhauch war ein Gottesodem.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |