Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite
Hermann Conradi.
Ha! Wie er mich umflattert,
Der Geister toller Schwarm!
Wie er mich preßt mit trunk'ner Lust
In seinen Riesenarm . .
Wie Frage er auf Frage
In meine Seele schreit!
Und ob ich bang verzage,
Die Brust mir blutig schlage,
Und bete, daß es tage --
Wie ist der Tag so weit!


Todtensang.

Originalbeitrag.

Der Nachtwind heult dir den Todtensang --
Nun schlaf, mein Bruder, nun schlaf!
Und wenn deine Seele auch Flammen trank,
Der Hieb des Todes, er traf!
Und wenn deine Seele auch Welten barg,
Und jauchzend zum Lichte sich rang:
Nun liegst du im Grunde, im modernden Sarg --
Der Kelch deiner Seele zersprang!
Mit leuchtender Stirn, mit flammender Brust,
Zog'st du: ein junger Achill!
Und warfest die Hallen, wo feiler Wust
Die heiligen Bilder befiel --
Wo lauernder Schlangen giftspeiender Zahn
Zerrissen, was edel und groß:
Du warfest sie nieder! Auf siegender Bahn
Mit heldenhaft markigem Stoß!
Wir jauchzten dir zu in heiliger Gluth
Und griffen zum blitzenden Schwert!
Der feigen Seelen neidische Brut,
Von eklem Staube genährt:
Wir trieben sie aus! Mit gellendem Schrei
Zerstob die zitternde Schaar! ...
Doch weiter, nur weiter! Durch Nebel und Mai,
Umflogen von wirbelndem Haar:

Hermann Conradi.
Ha! Wie er mich umflattert,
Der Geiſter toller Schwarm!
Wie er mich preßt mit trunk’ner Luſt
In ſeinen Rieſenarm . .
Wie Frage er auf Frage
In meine Seele ſchreit!
Und ob ich bang verzage,
Die Bruſt mir blutig ſchlage,
Und bete, daß es tage —
Wie iſt der Tag ſo weit!


Todtenſang.

Originalbeitrag.

Der Nachtwind heult dir den Todtenſang —
Nun ſchlaf, mein Bruder, nun ſchlaf!
Und wenn deine Seele auch Flammen trank,
Der Hieb des Todes, er traf!
Und wenn deine Seele auch Welten barg,
Und jauchzend zum Lichte ſich rang:
Nun liegſt du im Grunde, im modernden Sarg —
Der Kelch deiner Seele zerſprang!
Mit leuchtender Stirn, mit flammender Bruſt,
Zog’ſt du: ein junger Achill!
Und warfeſt die Hallen, wo feiler Wuſt
Die heiligen Bilder befiel —
Wo lauernder Schlangen giftſpeiender Zahn
Zerriſſen, was edel und groß:
Du warfeſt ſie nieder! Auf ſiegender Bahn
Mit heldenhaft markigem Stoß!
Wir jauchzten dir zu in heiliger Gluth
Und griffen zum blitzenden Schwert!
Der feigen Seelen neidiſche Brut,
Von eklem Staube genährt:
Wir trieben ſie aus! Mit gellendem Schrei
Zerſtob die zitternde Schaar! …
Doch weiter, nur weiter! Durch Nebel und Mai,
Umflogen von wirbelndem Haar:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0122" n="104"/>
            <fw place="top" type="header">Hermann Conradi.</fw><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ha! Wie er mich umflattert,</l><lb/>
              <l>Der Gei&#x017F;ter toller Schwarm!</l><lb/>
              <l>Wie er mich preßt mit trunk&#x2019;ner Lu&#x017F;t</l><lb/>
              <l>In &#x017F;einen Rie&#x017F;enarm . .</l><lb/>
              <l>Wie Frage er auf Frage</l><lb/>
              <l>In meine Seele &#x017F;chreit!</l><lb/>
              <l>Und ob ich bang verzage,</l><lb/>
              <l>Die Bru&#x017F;t mir blutig &#x017F;chlage,</l><lb/>
              <l>Und bete, daß es tage &#x2014;</l><lb/>
              <l>Wie i&#x017F;t der Tag &#x017F;o weit!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Todten&#x017F;ang</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Der Nachtwind heult dir den Todten&#x017F;ang &#x2014;</l><lb/>
              <l>Nun &#x017F;chlaf, mein Bruder, nun &#x017F;chlaf!</l><lb/>
              <l>Und wenn deine Seele auch Flammen trank,</l><lb/>
              <l>Der Hieb des Todes, er traf!</l><lb/>
              <l>Und wenn deine Seele auch Welten barg,</l><lb/>
              <l>Und jauchzend zum Lichte &#x017F;ich rang:</l><lb/>
              <l>Nun lieg&#x017F;t du im Grunde, im modernden Sarg &#x2014;</l><lb/>
              <l>Der Kelch deiner Seele zer&#x017F;prang!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Mit leuchtender Stirn, mit flammender Bru&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Zog&#x2019;&#x017F;t du: ein junger Achill!</l><lb/>
              <l>Und warfe&#x017F;t die Hallen, wo feiler Wu&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Die heiligen Bilder befiel &#x2014;</l><lb/>
              <l>Wo lauernder Schlangen gift&#x017F;peiender Zahn</l><lb/>
              <l>Zerri&#x017F;&#x017F;en, was edel und groß:</l><lb/>
              <l>Du warfe&#x017F;t &#x017F;ie nieder! Auf &#x017F;iegender Bahn</l><lb/>
              <l>Mit heldenhaft markigem Stoß!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Wir jauchzten dir zu in heiliger Gluth</l><lb/>
              <l>Und griffen zum blitzenden Schwert!</l><lb/>
              <l>Der feigen Seelen neidi&#x017F;che Brut,</l><lb/>
              <l>Von eklem Staube genährt:</l><lb/>
              <l>Wir trieben &#x017F;ie aus! Mit gellendem Schrei</l><lb/>
              <l>Zer&#x017F;tob die zitternde Schaar! &#x2026;</l><lb/>
              <l>Doch weiter, nur weiter! Durch Nebel und Mai,</l><lb/>
              <l>Umflogen von wirbelndem Haar:</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0122] Hermann Conradi. Ha! Wie er mich umflattert, Der Geiſter toller Schwarm! Wie er mich preßt mit trunk’ner Luſt In ſeinen Rieſenarm . . Wie Frage er auf Frage In meine Seele ſchreit! Und ob ich bang verzage, Die Bruſt mir blutig ſchlage, Und bete, daß es tage — Wie iſt der Tag ſo weit! Todtenſang. Originalbeitrag. Der Nachtwind heult dir den Todtenſang — Nun ſchlaf, mein Bruder, nun ſchlaf! Und wenn deine Seele auch Flammen trank, Der Hieb des Todes, er traf! Und wenn deine Seele auch Welten barg, Und jauchzend zum Lichte ſich rang: Nun liegſt du im Grunde, im modernden Sarg — Der Kelch deiner Seele zerſprang! Mit leuchtender Stirn, mit flammender Bruſt, Zog’ſt du: ein junger Achill! Und warfeſt die Hallen, wo feiler Wuſt Die heiligen Bilder befiel — Wo lauernder Schlangen giftſpeiender Zahn Zerriſſen, was edel und groß: Du warfeſt ſie nieder! Auf ſiegender Bahn Mit heldenhaft markigem Stoß! Wir jauchzten dir zu in heiliger Gluth Und griffen zum blitzenden Schwert! Der feigen Seelen neidiſche Brut, Von eklem Staube genährt: Wir trieben ſie aus! Mit gellendem Schrei Zerſtob die zitternde Schaar! … Doch weiter, nur weiter! Durch Nebel und Mai, Umflogen von wirbelndem Haar:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/122
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/122>, abgerufen am 22.12.2024.