Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Zehntes Kapitel.
Verschlungene Hände.

Ob die Fürstin in der Hedwigskirche ihr Herz
ausgeschüttet, wissen wir nicht, aber einige Stunden,
nachdem wir sie verlassen, finden wir sie schon in
vollständiger Morgentoilette, wie sie mit einiger Ver¬
wunderung die Meldung eines Besuches anhört. Der
Besuch ward angenommen und der Gesandte Herr
von Laforest erschien im Zimmer, um bald darauf
im Fauteuil ihr gegenüber zu sitzen. Die Fürstin hatte
diese -- Aufmerksamkeit, wie sie sagte, nicht erwartet.

"Die Scheidestunde ist so ernst, daß man über
die gewöhnlichen Höflichkeitsformeln wegsieht," setzte
sie hinzu.

"Warum ernster, Fürstin, als jede andre Tren¬
nung?"

"Weil es eine auf immer ist."

"Das Wort immer und ewig ist, dünkt mich,
aus dem Lexicon der Diplomatie gestrichen. Nämlich
aus dem zum Gebrauch der Adepten. In der Aus¬
gabe, die in's Publikum kommt, ist es freilich dick

Zehntes Kapitel.
Verſchlungene Hände.

Ob die Fürſtin in der Hedwigskirche ihr Herz
ausgeſchüttet, wiſſen wir nicht, aber einige Stunden,
nachdem wir ſie verlaſſen, finden wir ſie ſchon in
vollſtändiger Morgentoilette, wie ſie mit einiger Ver¬
wunderung die Meldung eines Beſuches anhört. Der
Beſuch ward angenommen und der Geſandte Herr
von Laforeſt erſchien im Zimmer, um bald darauf
im Fauteuil ihr gegenüber zu ſitzen. Die Fürſtin hatte
dieſe — Aufmerkſamkeit, wie ſie ſagte, nicht erwartet.

„Die Scheideſtunde iſt ſo ernſt, daß man über
die gewöhnlichen Höflichkeitsformeln wegſieht,“ ſetzte
ſie hinzu.

„Warum ernſter, Fürſtin, als jede andre Tren¬
nung?“

„Weil es eine auf immer iſt.“

„Das Wort immer und ewig iſt, dünkt mich,
aus dem Lexicon der Diplomatie geſtrichen. Nämlich
aus dem zum Gebrauch der Adepten. In der Aus¬
gabe, die in's Publikum kommt, iſt es freilich dick

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0217" n="[207]"/>
      <div n="1">
        <head>Zehntes Kapitel.<lb/><hi rendition="#b #g">Ver&#x017F;chlungene Hände.</hi><lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Ob die Für&#x017F;tin in der Hedwigskirche ihr Herz<lb/>
ausge&#x017F;chüttet, wi&#x017F;&#x017F;en wir nicht, aber einige Stunden,<lb/>
nachdem wir &#x017F;ie verla&#x017F;&#x017F;en, finden wir &#x017F;ie &#x017F;chon in<lb/>
voll&#x017F;tändiger Morgentoilette, wie &#x017F;ie mit einiger Ver¬<lb/>
wunderung die Meldung eines Be&#x017F;uches anhört. Der<lb/>
Be&#x017F;uch ward angenommen und der Ge&#x017F;andte Herr<lb/>
von Lafore&#x017F;t er&#x017F;chien im Zimmer, um bald darauf<lb/>
im Fauteuil ihr gegenüber zu &#x017F;itzen. Die Für&#x017F;tin hatte<lb/>
die&#x017F;e &#x2014; Aufmerk&#x017F;amkeit, wie &#x017F;ie &#x017F;agte, nicht erwartet.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Scheide&#x017F;tunde i&#x017F;t &#x017F;o ern&#x017F;t, daß man über<lb/>
die gewöhnlichen Höflichkeitsformeln weg&#x017F;ieht,&#x201C; &#x017F;etzte<lb/>
&#x017F;ie hinzu.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum ern&#x017F;ter, Für&#x017F;tin, als jede andre Tren¬<lb/>
nung?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weil es eine auf immer i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das Wort <hi rendition="#g">immer</hi> und <hi rendition="#g">ewig</hi> i&#x017F;t, dünkt mich,<lb/>
aus dem Lexicon der Diplomatie ge&#x017F;trichen. Nämlich<lb/>
aus dem zum Gebrauch der Adepten. In der Aus¬<lb/>
gabe, die in's Publikum kommt, i&#x017F;t es freilich dick<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[207]/0217] Zehntes Kapitel. Verſchlungene Hände. Ob die Fürſtin in der Hedwigskirche ihr Herz ausgeſchüttet, wiſſen wir nicht, aber einige Stunden, nachdem wir ſie verlaſſen, finden wir ſie ſchon in vollſtändiger Morgentoilette, wie ſie mit einiger Ver¬ wunderung die Meldung eines Beſuches anhört. Der Beſuch ward angenommen und der Geſandte Herr von Laforeſt erſchien im Zimmer, um bald darauf im Fauteuil ihr gegenüber zu ſitzen. Die Fürſtin hatte dieſe — Aufmerkſamkeit, wie ſie ſagte, nicht erwartet. „Die Scheideſtunde iſt ſo ernſt, daß man über die gewöhnlichen Höflichkeitsformeln wegſieht,“ ſetzte ſie hinzu. „Warum ernſter, Fürſtin, als jede andre Tren¬ nung?“ „Weil es eine auf immer iſt.“ „Das Wort immer und ewig iſt, dünkt mich, aus dem Lexicon der Diplomatie geſtrichen. Nämlich aus dem zum Gebrauch der Adepten. In der Aus¬ gabe, die in's Publikum kommt, iſt es freilich dick

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/217
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. [207]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/217>, abgerufen am 21.12.2024.