Der Legationsrath zuckte die Achseln: "Was aus Unentschlossenheit gefehlt und in Thorheit ge¬ sündigt ward, heißt nun sträfliche Hinterlist. -- Warum war man unentschlossen und warum handelte man thöricht!"
"Lesen Sie weiter."
""Der aufgegebene Krieg gegen Frankreich war ein unwürdiges Geständniß von Schwäche, die soge¬ nannte Verwaltung Hannovers bis zum Abschluß des allgemeinen Friedens überdachter Verrath. Er¬ röthet Preußen nicht vor der Entschuldigung, daß die Wahl der Mittel zur Sicherung seiner Ruhe nach der Schlacht von Austerlitz nicht mehr von ihm abhängig gewesen sei? Ziemt eine solche Sprache einem schlagfertigen Staate, wenn es Ruhm und Vaterland gilt? Ziemt sie vor Allem dem Preußischen, der Friedrichs Siege hinter sich hat, Friedrichs Heer vor sich und zur Seite Rußlands Beistand? Preußen prahlt mit gebrachten Aufopferungen. Ja es hat geopfert seine Unabhängigkeit, seine Pflicht, seine alten Besitzungen, seine treusten Unterthanen und seine zuverlässigsten Bundesgenossen. Preußen hat durch den Schönbrunner Vertrag aufgehört als selbstständige Macht, es kann nur noch existiren unter den Flügelschlägen des französischen oder russischen Adlers.""
"Was sagen Sie dazu?"
"Warum fordert man von Epigonen den Muth der Titanen!"
Der Legationsrath zuckte die Achſeln: „Was aus Unentſchloſſenheit gefehlt und in Thorheit ge¬ ſündigt ward, heißt nun ſträfliche Hinterliſt. — Warum war man unentſchloſſen und warum handelte man thöricht!“
„Leſen Sie weiter.“
„„Der aufgegebene Krieg gegen Frankreich war ein unwürdiges Geſtändniß von Schwäche, die ſoge¬ nannte Verwaltung Hannovers bis zum Abſchluß des allgemeinen Friedens überdachter Verrath. Er¬ röthet Preußen nicht vor der Entſchuldigung, daß die Wahl der Mittel zur Sicherung ſeiner Ruhe nach der Schlacht von Auſterlitz nicht mehr von ihm abhängig geweſen ſei? Ziemt eine ſolche Sprache einem ſchlagfertigen Staate, wenn es Ruhm und Vaterland gilt? Ziemt ſie vor Allem dem Preußiſchen, der Friedrichs Siege hinter ſich hat, Friedrichs Heer vor ſich und zur Seite Rußlands Beiſtand? Preußen prahlt mit gebrachten Aufopferungen. Ja es hat geopfert ſeine Unabhängigkeit, ſeine Pflicht, ſeine alten Beſitzungen, ſeine treuſten Unterthanen und ſeine zuverläſſigſten Bundesgenoſſen. Preußen hat durch den Schönbrunner Vertrag aufgehört als ſelbſtſtändige Macht, es kann nur noch exiſtiren unter den Flügelſchlägen des franzöſiſchen oder ruſſiſchen Adlers.““
„Was ſagen Sie dazu?“
„Warum fordert man von Epigonen den Muth der Titanen!“
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Der Legationsrath zuckte die Achſeln: „Was
aus Unentſchloſſenheit gefehlt und in Thorheit ge¬
ſündigt ward, heißt nun ſträfliche Hinterliſt. —
Warum war man unentſchloſſen und warum handelte
man thöricht!“
„Leſen Sie weiter.“
„„Der aufgegebene Krieg gegen Frankreich war
ein unwürdiges Geſtändniß von Schwäche, die ſoge¬
nannte Verwaltung Hannovers bis zum Abſchluß
des allgemeinen Friedens überdachter Verrath. Er¬
röthet Preußen nicht vor der Entſchuldigung, daß
die Wahl der Mittel zur Sicherung ſeiner Ruhe
nach der Schlacht von Auſterlitz nicht mehr von ihm
abhängig geweſen ſei? Ziemt eine ſolche Sprache
einem ſchlagfertigen Staate, wenn es Ruhm und
Vaterland gilt? Ziemt ſie vor Allem dem Preußiſchen,
der Friedrichs Siege hinter ſich hat, Friedrichs Heer
vor ſich und zur Seite Rußlands Beiſtand? Preußen
prahlt mit gebrachten Aufopferungen. Ja es hat
geopfert ſeine Unabhängigkeit, ſeine Pflicht, ſeine
alten Beſitzungen, ſeine treuſten Unterthanen und
ſeine zuverläſſigſten Bundesgenoſſen. Preußen hat
durch den Schönbrunner Vertrag aufgehört als
ſelbſtſtändige Macht, es kann nur noch exiſtiren unter
den Flügelſchlägen des franzöſiſchen oder ruſſiſchen
Adlers.““
„Was ſagen Sie dazu?“
„Warum fordert man von Epigonen den Muth
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/38>, abgerufen am 27.04.2024.
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