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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Dreizehntes Kapitel.
Blicke aus eines Ministers Fenster in's Volksleben.

Die Thür schlug hinter ihm zu. -- War das
eine Rechtfertigung, daß der Minister dem jungen,
ihm fremden Manne das Heiligthum seines Arbeits¬
zimmers mit den offen stehenden Schränken überließ?
Walter konnte wieder lächeln, als aus einem halb
geöffneten Schubfach ein Körbchen mit Goldstücken
ihm entgegenblitzte. Da lag auch ein versiegeltes
Packet mit der Aufschrift: "Nach meinem Tode zu
verbrennen." Vornehme Leute haben oft eigne Vor¬
stellungen, wie sie die von ihnen verletzte Ehre ihrer
Untergebenen herstellen. Jedenfalls war es nur eine
halbe Rechtfertigung; der Minister wollte ihn durch
die neue Aufgabe prüfen, ob er im Stande sei,
selbstständig Gedanken zu entwickeln und auszuar¬
beiten.

Das Concept, das ihm übergeben war, enthielt
flüchtige, von des Ministers Hand hingeworfene
Sätze, etwa folgender Art: Was allgemeine Stim¬
mung, wenn kein gesetzliches Organ dafür existirt! --

Dreizehntes Kapitel.
Blicke aus eines Miniſters Fenſter in's Volksleben.

Die Thür ſchlug hinter ihm zu. — War das
eine Rechtfertigung, daß der Miniſter dem jungen,
ihm fremden Manne das Heiligthum ſeines Arbeits¬
zimmers mit den offen ſtehenden Schränken überließ?
Walter konnte wieder lächeln, als aus einem halb
geöffneten Schubfach ein Körbchen mit Goldſtücken
ihm entgegenblitzte. Da lag auch ein verſiegeltes
Packet mit der Aufſchrift: „Nach meinem Tode zu
verbrennen.“ Vornehme Leute haben oft eigne Vor¬
ſtellungen, wie ſie die von ihnen verletzte Ehre ihrer
Untergebenen herſtellen. Jedenfalls war es nur eine
halbe Rechtfertigung; der Miniſter wollte ihn durch
die neue Aufgabe prüfen, ob er im Stande ſei,
ſelbſtſtändig Gedanken zu entwickeln und auszuar¬
beiten.

Das Concept, das ihm übergeben war, enthielt
flüchtige, von des Miniſters Hand hingeworfene
Sätze, etwa folgender Art: Was allgemeine Stim¬
mung, wenn kein geſetzliches Organ dafür exiſtirt! —

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[[194]/0204] Dreizehntes Kapitel. Blicke aus eines Miniſters Fenſter in's Volksleben. Die Thür ſchlug hinter ihm zu. — War das eine Rechtfertigung, daß der Miniſter dem jungen, ihm fremden Manne das Heiligthum ſeines Arbeits¬ zimmers mit den offen ſtehenden Schränken überließ? Walter konnte wieder lächeln, als aus einem halb geöffneten Schubfach ein Körbchen mit Goldſtücken ihm entgegenblitzte. Da lag auch ein verſiegeltes Packet mit der Aufſchrift: „Nach meinem Tode zu verbrennen.“ Vornehme Leute haben oft eigne Vor¬ ſtellungen, wie ſie die von ihnen verletzte Ehre ihrer Untergebenen herſtellen. Jedenfalls war es nur eine halbe Rechtfertigung; der Miniſter wollte ihn durch die neue Aufgabe prüfen, ob er im Stande ſei, ſelbſtſtändig Gedanken zu entwickeln und auszuar¬ beiten. Das Concept, das ihm übergeben war, enthielt flüchtige, von des Miniſters Hand hingeworfene Sätze, etwa folgender Art: Was allgemeine Stim¬ mung, wenn kein geſetzliches Organ dafür exiſtirt! —

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. [194]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/204>, abgerufen am 21.11.2024.