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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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sein Gönner, flüsterte dem Könige einige Worte zu,
und -- er traute seinen Ohren nicht, aber es war
so -- er hörte seinen Namen. Der König hatte sich
drauf umgesehen, hatte ihn angesehen und die Worte
gesprochen: "Treuer Diener seines Herrn. Freue
mich." -- Er hatte es gesprochen, wirklich und wahr¬
haftig, und es war noch nicht alles. -- Als die hohen
Herrschaften auf dem Podest sich in Bewegung setzen
wollten, war der König bei ihnen, und sagte der
Königin etwas ins Ohr, und die Königin wandte
auch ihr Gesicht zum Kriegsrath nieder, und er hörte
die Worte: "Ah c'est lui!" -- War das neue
Täuschung, oder war es auch Wahrheit, sie hatte ihm
von oben freundlich zugenickt.

Wie der Kriegsrath nachher von der Treppe
herunter gekommen, wie auf den freien Platz, das
wußte er selbst nicht. Er las nie ein Mährchen,
weil er überhaupt nicht las, aber aus seiner Jugend,
aus der Ammenstube, wußte er doch, was ein Feen¬
mährchen ist. -- Zuerst hatte ihn die Luft wunderbar
angefächelt, wie einen, der nach langer dunkler Haft
ans Sonnenlicht gerissen wird, oder wie den Trinker,
der aus dem Keller ins Freie tritt. Unten hat er es
noch nicht gefühlt, jetzt aber dreht sich die Welt um
ihn, und der Boden wankt unter seinen Füßen. Der
Rippenstoß eines Corporals, dessen Rotte er in seinem
Schwanken vermuthlich zu nahe gekommen war, hatte
ihn wieder zur Besinnung gebracht. Er sah die klir¬
renden Männer an sich vorüberziehen, und die höhni¬

ſein Gönner, flüſterte dem Könige einige Worte zu,
und — er traute ſeinen Ohren nicht, aber es war
ſo — er hörte ſeinen Namen. Der König hatte ſich
drauf umgeſehen, hatte ihn angeſehen und die Worte
geſprochen: „Treuer Diener ſeines Herrn. Freue
mich.“ — Er hatte es geſprochen, wirklich und wahr¬
haftig, und es war noch nicht alles. — Als die hohen
Herrſchaften auf dem Podeſt ſich in Bewegung ſetzen
wollten, war der König bei ihnen, und ſagte der
Königin etwas ins Ohr, und die Königin wandte
auch ihr Geſicht zum Kriegsrath nieder, und er hörte
die Worte: „Ah c'est lui!“ — War das neue
Täuſchung, oder war es auch Wahrheit, ſie hatte ihm
von oben freundlich zugenickt.

Wie der Kriegsrath nachher von der Treppe
herunter gekommen, wie auf den freien Platz, das
wußte er ſelbſt nicht. Er las nie ein Mährchen,
weil er überhaupt nicht las, aber aus ſeiner Jugend,
aus der Ammenſtube, wußte er doch, was ein Feen¬
mährchen iſt. — Zuerſt hatte ihn die Luft wunderbar
angefächelt, wie einen, der nach langer dunkler Haft
ans Sonnenlicht geriſſen wird, oder wie den Trinker,
der aus dem Keller ins Freie tritt. Unten hat er es
noch nicht gefühlt, jetzt aber dreht ſich die Welt um
ihn, und der Boden wankt unter ſeinen Füßen. Der
Rippenſtoß eines Corporals, deſſen Rotte er in ſeinem
Schwanken vermuthlich zu nahe gekommen war, hatte
ihn wieder zur Beſinnung gebracht. Er ſah die klir¬
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[58/0068] ſein Gönner, flüſterte dem Könige einige Worte zu, und — er traute ſeinen Ohren nicht, aber es war ſo — er hörte ſeinen Namen. Der König hatte ſich drauf umgeſehen, hatte ihn angeſehen und die Worte geſprochen: „Treuer Diener ſeines Herrn. Freue mich.“ — Er hatte es geſprochen, wirklich und wahr¬ haftig, und es war noch nicht alles. — Als die hohen Herrſchaften auf dem Podeſt ſich in Bewegung ſetzen wollten, war der König bei ihnen, und ſagte der Königin etwas ins Ohr, und die Königin wandte auch ihr Geſicht zum Kriegsrath nieder, und er hörte die Worte: „Ah c'est lui!“ — War das neue Täuſchung, oder war es auch Wahrheit, ſie hatte ihm von oben freundlich zugenickt. Wie der Kriegsrath nachher von der Treppe herunter gekommen, wie auf den freien Platz, das wußte er ſelbſt nicht. Er las nie ein Mährchen, weil er überhaupt nicht las, aber aus ſeiner Jugend, aus der Ammenſtube, wußte er doch, was ein Feen¬ mährchen iſt. — Zuerſt hatte ihn die Luft wunderbar angefächelt, wie einen, der nach langer dunkler Haft ans Sonnenlicht geriſſen wird, oder wie den Trinker, der aus dem Keller ins Freie tritt. Unten hat er es noch nicht gefühlt, jetzt aber dreht ſich die Welt um ihn, und der Boden wankt unter ſeinen Füßen. Der Rippenſtoß eines Corporals, deſſen Rotte er in ſeinem Schwanken vermuthlich zu nahe gekommen war, hatte ihn wieder zur Beſinnung gebracht. Er ſah die klir¬ renden Männer an ſich vorüberziehen, und die höhni¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/68>, abgerufen am 26.04.2024.