Stechbahn ins Zimmer fiel, nicht wieder von zahl¬ losen Riesenbogen ausgespannter Zeitungen. Zei¬ tungen waren freilich auch hier schon, zwei oder drei vielleicht, bescheidene Blättchen, auf grauem Lösch¬ papier, die wöchentlich zwei oder drei Mal alle Neuig¬ keiten der Welt wieder erzählten, was in der Türkei geschah und am Rheine, und von Berlin brachten sie vornan lange Listen aller angekommenen Fremden, mit ihren Titeln und den Wirthshäusern, darin sie wohnten. Dann alle Ernennungen zu Hof- und Staatsdiensten, zuweilen auch eine Mittheilung, daß ein hoher Herr bei Hofe empfangen und zur Tafel gezogen worden. Und hinterher Theaterrecensionen, Charaden, Fabeln, Anzeigen von Auctionen, Verkäu¬ fen, Büchern, Wohnungen und sehr vielerlei.
Aber bei besondern Gelegenheiten stand auch vornan ein Gedicht, gereimt oder ungereimt, immer jedoch zum Lobe der höchsten Herrschaften. Denn jene Zeiten waren vorbei, wo man sich in den Zeitungen auch wohl einen Spaß erlaubte, wie der wunderliche Gelehrte Philipp Moritz und der erst in diesem Jahre 1805 verstorbene noch wunderlichere Burrmann, welcher die Leser mit Reimereien, so seltsam wie er selbst, beschenkte. So hatte er einst am 21 ten Decem¬ ber die Vossische Zeitung mit dem Vers angefangen:
Gottlob und Dank,
Die Tage werden wieder lang.
Nein, seit jenen Zeiten war ein feiner classischer, fran¬ zösischer Geschmack in die Zeitungen gefahren, wie
Stechbahn ins Zimmer fiel, nicht wieder von zahl¬ loſen Rieſenbogen ausgeſpannter Zeitungen. Zei¬ tungen waren freilich auch hier ſchon, zwei oder drei vielleicht, beſcheidene Blättchen, auf grauem Löſch¬ papier, die wöchentlich zwei oder drei Mal alle Neuig¬ keiten der Welt wieder erzählten, was in der Türkei geſchah und am Rheine, und von Berlin brachten ſie vornan lange Liſten aller angekommenen Fremden, mit ihren Titeln und den Wirthshäuſern, darin ſie wohnten. Dann alle Ernennungen zu Hof- und Staatsdienſten, zuweilen auch eine Mittheilung, daß ein hoher Herr bei Hofe empfangen und zur Tafel gezogen worden. Und hinterher Theaterrecenſionen, Charaden, Fabeln, Anzeigen von Auctionen, Verkäu¬ fen, Büchern, Wohnungen und ſehr vielerlei.
Aber bei beſondern Gelegenheiten ſtand auch vornan ein Gedicht, gereimt oder ungereimt, immer jedoch zum Lobe der höchſten Herrſchaften. Denn jene Zeiten waren vorbei, wo man ſich in den Zeitungen auch wohl einen Spaß erlaubte, wie der wunderliche Gelehrte Philipp Moritz und der erſt in dieſem Jahre 1805 verſtorbene noch wunderlichere Burrmann, welcher die Leſer mit Reimereien, ſo ſeltſam wie er ſelbſt, beſchenkte. So hatte er einſt am 21 ten Decem¬ ber die Voſſiſche Zeitung mit dem Vers angefangen:
Gottlob und Dank,
Die Tage werden wieder lang.
Nein, ſeit jenen Zeiten war ein feiner claſſiſcher, fran¬ zöſiſcher Geſchmack in die Zeitungen gefahren, wie
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Stechbahn ins Zimmer fiel, nicht wieder von zahl¬
loſen Rieſenbogen ausgeſpannter Zeitungen. Zei¬
tungen waren freilich auch hier ſchon, zwei oder drei
vielleicht, beſcheidene Blättchen, auf grauem Löſch¬
papier, die wöchentlich zwei oder drei Mal alle Neuig¬
keiten der Welt wieder erzählten, was in der Türkei
geſchah und am Rheine, und von Berlin brachten ſie
vornan lange Liſten aller angekommenen Fremden,
mit ihren Titeln und den Wirthshäuſern, darin ſie
wohnten. Dann alle Ernennungen zu Hof- und
Staatsdienſten, zuweilen auch eine Mittheilung, daß
ein hoher Herr bei Hofe empfangen und zur Tafel
gezogen worden. Und hinterher Theaterrecenſionen,
Charaden, Fabeln, Anzeigen von Auctionen, Verkäu¬
fen, Büchern, Wohnungen und ſehr vielerlei.
Aber bei beſondern Gelegenheiten ſtand auch
vornan ein Gedicht, gereimt oder ungereimt, immer
jedoch zum Lobe der höchſten Herrſchaften. Denn jene
Zeiten waren vorbei, wo man ſich in den Zeitungen
auch wohl einen Spaß erlaubte, wie der wunderliche
Gelehrte Philipp Moritz und der erſt in dieſem
Jahre 1805 verſtorbene noch wunderlichere Burrmann,
welcher die Leſer mit Reimereien, ſo ſeltſam wie er
ſelbſt, beſchenkte. So hatte er einſt am 21 ten Decem¬
ber die Voſſiſche Zeitung mit dem Vers angefangen:
Gottlob und Dank,
Die Tage werden wieder lang.
Nein, ſeit jenen Zeiten war ein feiner claſſiſcher, fran¬
zöſiſcher Geſchmack in die Zeitungen gefahren, wie
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/64>, abgerufen am 26.04.2024.
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