Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

verschüttet scheint. Nicht die Frivolität ist begraben,
aber in dem luftigen Kleide von damals darf sie
sich der Gesellschaft, in keinem ihrer Kreise, mehr
zeigen. --

Enthusiasmus, wohin man sah, aber es fehlte
noch etwas; ein Schluß, der dem Anfang entsprach,
ein Siegel auf die fertige Urkunde gedrückt. Wozu
die ganze Aufregung ohne ein Ziel? Aus dem Theater
sind später Revolutionen hervorgegangen, aus der
"Stummen von Portici" stürzten die berauschten Zu¬
schauer, um die Funken des Bühnenfeuers als Brand
auf den Markt zu tragen. Dazu war hier nicht der
Ort, nicht die Zeit, nicht die Menschen. In den ge¬
schlossenen Theaterräumen hallte der Ruf: "Krieg!
Krieg! Zu den Waffen!" trefflich; aber wären sie
hinausgestürzt, was dann? Wie klein wäre die Zahl
gewesen, wie bald zerstreut auf den breiten Straßen!
Hätte jeder sich gern in der Gesellschaft der andern
erblickt, derer, die vielleicht ihnen da zuströmten?
Und was sollten sie thun? Vor das Palais des
Königs rücken, dort Fackeln schwingen, wild schreien:
Krieg! Krieg! Was würde dieser König, der, dem
Ungewöhnlichen, Exaltirten abhold, seine Person scheu
von aller Repräsentation zurückzog, zu einem brül¬
lenden Haufen sagen, der ihn zu einer Handlung
zwingen wollte, die er vielleicht schon beschlossen hatte!
Würde es nicht grade das Mittel gewesen sein,
das Wort, das sich von den Lippen lösen wollte,
in die tiefste Brust zurück zu schrecken? Er mußte

verſchüttet ſcheint. Nicht die Frivolität iſt begraben,
aber in dem luftigen Kleide von damals darf ſie
ſich der Geſellſchaft, in keinem ihrer Kreiſe, mehr
zeigen. —

Enthuſiasmus, wohin man ſah, aber es fehlte
noch etwas; ein Schluß, der dem Anfang entſprach,
ein Siegel auf die fertige Urkunde gedrückt. Wozu
die ganze Aufregung ohne ein Ziel? Aus dem Theater
ſind ſpäter Revolutionen hervorgegangen, aus der
„Stummen von Portici“ ſtürzten die berauſchten Zu¬
ſchauer, um die Funken des Bühnenfeuers als Brand
auf den Markt zu tragen. Dazu war hier nicht der
Ort, nicht die Zeit, nicht die Menſchen. In den ge¬
ſchloſſenen Theaterräumen hallte der Ruf: „Krieg!
Krieg! Zu den Waffen!“ trefflich; aber wären ſie
hinausgeſtürzt, was dann? Wie klein wäre die Zahl
geweſen, wie bald zerſtreut auf den breiten Straßen!
Hätte jeder ſich gern in der Geſellſchaft der andern
erblickt, derer, die vielleicht ihnen da zuſtrömten?
Und was ſollten ſie thun? Vor das Palais des
Königs rücken, dort Fackeln ſchwingen, wild ſchreien:
Krieg! Krieg! Was würde dieſer König, der, dem
Ungewöhnlichen, Exaltirten abhold, ſeine Perſon ſcheu
von aller Repräſentation zurückzog, zu einem brül¬
lenden Haufen ſagen, der ihn zu einer Handlung
zwingen wollte, die er vielleicht ſchon beſchloſſen hatte!
Würde es nicht grade das Mittel geweſen ſein,
das Wort, das ſich von den Lippen löſen wollte,
in die tiefſte Bruſt zurück zu ſchrecken? Er mußte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0271" n="261"/>
ver&#x017F;chüttet &#x017F;cheint. Nicht die Frivolität i&#x017F;t begraben,<lb/>
aber in dem luftigen Kleide von damals darf &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, in keinem ihrer Krei&#x017F;e, mehr<lb/>
zeigen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Enthu&#x017F;iasmus, wohin man &#x017F;ah, aber es fehlte<lb/>
noch etwas; ein Schluß, der dem Anfang ent&#x017F;prach,<lb/>
ein Siegel auf die fertige Urkunde gedrückt. Wozu<lb/>
die ganze Aufregung ohne ein Ziel? Aus dem Theater<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;päter Revolutionen hervorgegangen, aus der<lb/>
&#x201E;Stummen von Portici&#x201C; &#x017F;türzten die berau&#x017F;chten Zu¬<lb/>
&#x017F;chauer, um die Funken des Bühnenfeuers als Brand<lb/>
auf den Markt zu tragen. Dazu war hier nicht der<lb/>
Ort, nicht die Zeit, nicht die Men&#x017F;chen. In den ge¬<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Theaterräumen hallte der Ruf: &#x201E;Krieg!<lb/>
Krieg! Zu den Waffen!&#x201C; trefflich; aber wären &#x017F;ie<lb/>
hinausge&#x017F;türzt, was dann? Wie klein wäre die Zahl<lb/>
gewe&#x017F;en, wie bald zer&#x017F;treut auf den breiten Straßen!<lb/>
Hätte jeder &#x017F;ich gern in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der andern<lb/>
erblickt, derer, die vielleicht ihnen da zu&#x017F;trömten?<lb/>
Und was &#x017F;ollten &#x017F;ie thun? Vor das Palais des<lb/>
Königs rücken, dort Fackeln &#x017F;chwingen, wild &#x017F;chreien:<lb/>
Krieg! Krieg! Was würde die&#x017F;er König, der, dem<lb/>
Ungewöhnlichen, Exaltirten abhold, &#x017F;eine Per&#x017F;on &#x017F;cheu<lb/>
von aller Reprä&#x017F;entation zurückzog, zu einem brül¬<lb/>
lenden Haufen &#x017F;agen, der ihn zu einer Handlung<lb/>
zwingen wollte, die er vielleicht &#x017F;chon be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte!<lb/>
Würde es nicht grade das Mittel gewe&#x017F;en &#x017F;ein,<lb/>
das Wort, das &#x017F;ich von den Lippen lö&#x017F;en wollte,<lb/>
in die tief&#x017F;te Bru&#x017F;t zurück zu &#x017F;chrecken? Er mußte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0271] verſchüttet ſcheint. Nicht die Frivolität iſt begraben, aber in dem luftigen Kleide von damals darf ſie ſich der Geſellſchaft, in keinem ihrer Kreiſe, mehr zeigen. — Enthuſiasmus, wohin man ſah, aber es fehlte noch etwas; ein Schluß, der dem Anfang entſprach, ein Siegel auf die fertige Urkunde gedrückt. Wozu die ganze Aufregung ohne ein Ziel? Aus dem Theater ſind ſpäter Revolutionen hervorgegangen, aus der „Stummen von Portici“ ſtürzten die berauſchten Zu¬ ſchauer, um die Funken des Bühnenfeuers als Brand auf den Markt zu tragen. Dazu war hier nicht der Ort, nicht die Zeit, nicht die Menſchen. In den ge¬ ſchloſſenen Theaterräumen hallte der Ruf: „Krieg! Krieg! Zu den Waffen!“ trefflich; aber wären ſie hinausgeſtürzt, was dann? Wie klein wäre die Zahl geweſen, wie bald zerſtreut auf den breiten Straßen! Hätte jeder ſich gern in der Geſellſchaft der andern erblickt, derer, die vielleicht ihnen da zuſtrömten? Und was ſollten ſie thun? Vor das Palais des Königs rücken, dort Fackeln ſchwingen, wild ſchreien: Krieg! Krieg! Was würde dieſer König, der, dem Ungewöhnlichen, Exaltirten abhold, ſeine Perſon ſcheu von aller Repräſentation zurückzog, zu einem brül¬ lenden Haufen ſagen, der ihn zu einer Handlung zwingen wollte, die er vielleicht ſchon beſchloſſen hatte! Würde es nicht grade das Mittel geweſen ſein, das Wort, das ſich von den Lippen löſen wollte, in die tiefſte Bruſt zurück zu ſchrecken? Er mußte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/271
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/271>, abgerufen am 26.04.2024.