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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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den Mädchen nach. Na, Jugend hat keine Tugend,
darüber sind wir weggegangen. Aber das Theater,
was hat das ehrbaren Familien schon für Kummer
und Noth gebracht. Erst alle Abend der Herr Sohn
ins Parterre. Das kostet Geld, die jungen Leute
machen Schulden. Ist aber viel schlimmer, wenn's
kein Geld mehr kostet, wenn sie's umsonst haben;
dann haben sie Connexionen hinter den Coulissen,
das sind die schlimmsten und theuersten Connexionen.
Und die Truppe ist einmal abgereist, und der Herr
Sohn ist verschwunden. Ja, ja, das ist manchen
Eltern so gegangen. Den Kummer haben Sie
Ihrem Herrn Vater nicht gemacht. Wissen Sie aber,
Einige meinten, das wäre immer noch nicht so schlimm,
als wenn ein Bürgersohn sich mit der Politik ab¬
giebt. Da kann man noch mal Director werden,
wie der Herr Iffland; der war auch anstän¬
diger Leute Kind. Auf dem großen Welttheater
aber

"Ist für uns nichts zu holen, fiel Walter ein.
Ihre ehrbaren Bürger haben Recht. Erfuhren Herr
Pathe sonst noch etwas?" sprach er zum Abschied die
Hand reichend.

"Mancherlei! Man wird Heirathsannoncen lesen,
über die man sich wundern soll. Mancher Herr Offi¬
cier läßt sich in aller Schnelligkeit copuliren. Lieber
Gott, wenns ins Feld geht, will man den Kindern
doch einen Vaternamen hinterlassen; das Gewissen
schlägt auch unterm blauen Rock. Seine Majestät sind

den Mädchen nach. Na, Jugend hat keine Tugend,
darüber ſind wir weggegangen. Aber das Theater,
was hat das ehrbaren Familien ſchon für Kummer
und Noth gebracht. Erſt alle Abend der Herr Sohn
ins Parterre. Das koſtet Geld, die jungen Leute
machen Schulden. Iſt aber viel ſchlimmer, wenn's
kein Geld mehr koſtet, wenn ſie's umſonſt haben;
dann haben ſie Connexionen hinter den Couliſſen,
das ſind die ſchlimmſten und theuerſten Connexionen.
Und die Truppe iſt einmal abgereiſt, und der Herr
Sohn iſt verſchwunden. Ja, ja, das iſt manchen
Eltern ſo gegangen. Den Kummer haben Sie
Ihrem Herrn Vater nicht gemacht. Wiſſen Sie aber,
Einige meinten, das wäre immer noch nicht ſo ſchlimm,
als wenn ein Bürgerſohn ſich mit der Politik ab¬
giebt. Da kann man noch mal Director werden,
wie der Herr Iffland; der war auch anſtän¬
diger Leute Kind. Auf dem großen Welttheater
aber

„Iſt für uns nichts zu holen, fiel Walter ein.
Ihre ehrbaren Bürger haben Recht. Erfuhren Herr
Pathe ſonſt noch etwas?“ ſprach er zum Abſchied die
Hand reichend.

„Mancherlei! Man wird Heirathsannoncen leſen,
über die man ſich wundern ſoll. Mancher Herr Offi¬
cier läßt ſich in aller Schnelligkeit copuliren. Lieber
Gott, wenns ins Feld geht, will man den Kindern
doch einen Vaternamen hinterlaſſen; das Gewiſſen
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[141/0151] den Mädchen nach. Na, Jugend hat keine Tugend, darüber ſind wir weggegangen. Aber das Theater, was hat das ehrbaren Familien ſchon für Kummer und Noth gebracht. Erſt alle Abend der Herr Sohn ins Parterre. Das koſtet Geld, die jungen Leute machen Schulden. Iſt aber viel ſchlimmer, wenn's kein Geld mehr koſtet, wenn ſie's umſonſt haben; dann haben ſie Connexionen hinter den Couliſſen, das ſind die ſchlimmſten und theuerſten Connexionen. Und die Truppe iſt einmal abgereiſt, und der Herr Sohn iſt verſchwunden. Ja, ja, das iſt manchen Eltern ſo gegangen. Den Kummer haben Sie Ihrem Herrn Vater nicht gemacht. Wiſſen Sie aber, Einige meinten, das wäre immer noch nicht ſo ſchlimm, als wenn ein Bürgerſohn ſich mit der Politik ab¬ giebt. Da kann man noch mal Director werden, wie der Herr Iffland; der war auch anſtän¬ diger Leute Kind. Auf dem großen Welttheater aber „Iſt für uns nichts zu holen, fiel Walter ein. Ihre ehrbaren Bürger haben Recht. Erfuhren Herr Pathe ſonſt noch etwas?“ ſprach er zum Abſchied die Hand reichend. „Mancherlei! Man wird Heirathsannoncen leſen, über die man ſich wundern ſoll. Mancher Herr Offi¬ cier läßt ſich in aller Schnelligkeit copuliren. Lieber Gott, wenns ins Feld geht, will man den Kindern doch einen Vaternamen hinterlaſſen; das Gewiſſen ſchlägt auch unterm blauen Rock. Seine Majeſtät ſind

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/151>, abgerufen am 26.04.2024.