Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Hatte der Herr Pathe seine Schrift gelesen?

"Mein Vater muß sehr freundliche Gesinnungen
gegen mich verrathen haben."

"Das hat er. Das ist ein kluger Mann. Die
Jugend muß ihre tollen Hörner ablaufen, hat er
gesagt. Ich Dummkopf glaubte, daß man seinen
Sohn zum Studieren auf die Universität schickt,
hielt meinen deshalb kurz. Und der Junge war nur
zu gehorsam, er "püffelte", gab zu wenig aus, und
nahm zu viel ein, nämlich fixe Ideen, sagte der
Herr Vater. Nun haben wir die Bescheerung. Das
tolle Feuer, was 'raus schwören sollte, steckt noch
drin, und's bricht an der unrechten Stelle los. Dem
Jungen mache ich keine Vorwürfe, mir mache ich sie."

"Und der Herr Pathe legten gewiß ein freundlich
Wort ein. Will man mich vielleicht noch ein Mal auf die
Universität schicken, um das Versäumte nachzuholen?"

"Erlauben Sie mir, ich sagte ihm: das Leben
ist ja auch eine Universität. Er kann ja auch hier
seine Hörner abstoßen; je toller er drauf los geht,
um so eher wird er stumpf. Wie ist er da beim
Minister angelaufen. Wird auch noch öfters an¬
laufen! Sind nicht alle Minister so human, daß sie
die Rappelköpfe nach Karlsbad schicken. 's ist
mancher eingesperrt worden, der sich die Zunge
verbrannt hat. Schadet auch nichts. Der Sohn vom
Geheimenrath Bovillard, wie oft hat der gesessen!
Man kanns gar nicht zählen. Der Vater war so
klug, hat sich nicht um ihn gekümmert; nun ist er

Hatte der Herr Pathe ſeine Schrift geleſen?

„Mein Vater muß ſehr freundliche Geſinnungen
gegen mich verrathen haben.“

„Das hat er. Das iſt ein kluger Mann. Die
Jugend muß ihre tollen Hörner ablaufen, hat er
geſagt. Ich Dummkopf glaubte, daß man ſeinen
Sohn zum Studieren auf die Univerſität ſchickt,
hielt meinen deshalb kurz. Und der Junge war nur
zu gehorſam, er „püffelte“, gab zu wenig aus, und
nahm zu viel ein, nämlich fixe Ideen, ſagte der
Herr Vater. Nun haben wir die Beſcheerung. Das
tolle Feuer, was 'raus ſchwören ſollte, ſteckt noch
drin, und's bricht an der unrechten Stelle los. Dem
Jungen mache ich keine Vorwürfe, mir mache ich ſie.“

„Und der Herr Pathe legten gewiß ein freundlich
Wort ein. Will man mich vielleicht noch ein Mal auf die
Univerſität ſchicken, um das Verſäumte nachzuholen?“

„Erlauben Sie mir, ich ſagte ihm: das Leben
iſt ja auch eine Univerſität. Er kann ja auch hier
ſeine Hörner abſtoßen; je toller er drauf los geht,
um ſo eher wird er ſtumpf. Wie iſt er da beim
Miniſter angelaufen. Wird auch noch öfters an¬
laufen! Sind nicht alle Miniſter ſo human, daß ſie
die Rappelköpfe nach Karlsbad ſchicken. 's iſt
mancher eingeſperrt worden, der ſich die Zunge
verbrannt hat. Schadet auch nichts. Der Sohn vom
Geheimenrath Bovillard, wie oft hat der geſeſſen!
Man kanns gar nicht zählen. Der Vater war ſo
klug, hat ſich nicht um ihn gekümmert; nun iſt er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0149" n="139"/>
        <p>Hatte der Herr Pathe &#x017F;eine Schrift gele&#x017F;en?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Vater muß &#x017F;ehr freundliche Ge&#x017F;innungen<lb/>
gegen mich verrathen haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das hat er. Das i&#x017F;t ein kluger Mann. Die<lb/>
Jugend muß ihre tollen Hörner ablaufen, hat er<lb/>
ge&#x017F;agt. Ich Dummkopf glaubte, daß man &#x017F;einen<lb/>
Sohn zum Studieren auf die Univer&#x017F;ität &#x017F;chickt,<lb/>
hielt meinen deshalb kurz. Und der Junge war nur<lb/>
zu gehor&#x017F;am, er &#x201E;püffelte&#x201C;, gab zu wenig aus, und<lb/>
nahm zu viel ein, nämlich fixe Ideen, &#x017F;agte der<lb/>
Herr Vater. Nun haben wir die Be&#x017F;cheerung. Das<lb/>
tolle Feuer, was 'raus &#x017F;chwören &#x017F;ollte, &#x017F;teckt noch<lb/>
drin, und's bricht an der unrechten Stelle los. Dem<lb/>
Jungen mache ich keine Vorwürfe, mir mache ich &#x017F;ie.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und der Herr Pathe legten gewiß ein freundlich<lb/>
Wort ein. Will man mich vielleicht noch ein Mal auf die<lb/>
Univer&#x017F;ität &#x017F;chicken, um das Ver&#x017F;äumte nachzuholen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Erlauben Sie mir, ich &#x017F;agte ihm: das Leben<lb/>
i&#x017F;t ja auch eine Univer&#x017F;ität. Er kann ja auch hier<lb/>
&#x017F;eine Hörner ab&#x017F;toßen; je toller er drauf los geht,<lb/>
um &#x017F;o eher wird er &#x017F;tumpf. Wie i&#x017F;t er da beim<lb/>
Mini&#x017F;ter angelaufen. Wird auch noch öfters an¬<lb/>
laufen! Sind nicht alle Mini&#x017F;ter &#x017F;o human, daß &#x017F;ie<lb/>
die Rappelköpfe nach Karlsbad &#x017F;chicken. 's i&#x017F;t<lb/>
mancher einge&#x017F;perrt worden, der &#x017F;ich die Zunge<lb/>
verbrannt hat. Schadet auch nichts. Der Sohn vom<lb/>
Geheimenrath Bovillard, wie oft hat der ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en!<lb/>
Man kanns gar nicht zählen. Der Vater war &#x017F;o<lb/>
klug, hat &#x017F;ich nicht um ihn gekümmert; nun i&#x017F;t er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0149] Hatte der Herr Pathe ſeine Schrift geleſen? „Mein Vater muß ſehr freundliche Geſinnungen gegen mich verrathen haben.“ „Das hat er. Das iſt ein kluger Mann. Die Jugend muß ihre tollen Hörner ablaufen, hat er geſagt. Ich Dummkopf glaubte, daß man ſeinen Sohn zum Studieren auf die Univerſität ſchickt, hielt meinen deshalb kurz. Und der Junge war nur zu gehorſam, er „püffelte“, gab zu wenig aus, und nahm zu viel ein, nämlich fixe Ideen, ſagte der Herr Vater. Nun haben wir die Beſcheerung. Das tolle Feuer, was 'raus ſchwören ſollte, ſteckt noch drin, und's bricht an der unrechten Stelle los. Dem Jungen mache ich keine Vorwürfe, mir mache ich ſie.“ „Und der Herr Pathe legten gewiß ein freundlich Wort ein. Will man mich vielleicht noch ein Mal auf die Univerſität ſchicken, um das Verſäumte nachzuholen?“ „Erlauben Sie mir, ich ſagte ihm: das Leben iſt ja auch eine Univerſität. Er kann ja auch hier ſeine Hörner abſtoßen; je toller er drauf los geht, um ſo eher wird er ſtumpf. Wie iſt er da beim Miniſter angelaufen. Wird auch noch öfters an¬ laufen! Sind nicht alle Miniſter ſo human, daß ſie die Rappelköpfe nach Karlsbad ſchicken. 's iſt mancher eingeſperrt worden, der ſich die Zunge verbrannt hat. Schadet auch nichts. Der Sohn vom Geheimenrath Bovillard, wie oft hat der geſeſſen! Man kanns gar nicht zählen. Der Vater war ſo klug, hat ſich nicht um ihn gekümmert; nun iſt er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/149
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/149>, abgerufen am 26.04.2024.