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Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907.

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Locki (? = Hephaest) lahm, Hödr blind, Vidar stumm, nicht
anders Hagano einäugig, Walkeri einhändig, Günthari und
Wieland lahm; blinde und stumme Helden gibt es viele. Aber
das scheint heldenmäßig, daß die Kindheit und erste Jugend
ein Fehler verunstalte und aus solchem Dunkel hernach
plötzlich die leuchtende Erscheinung, gleichsam die zurück-
gehaltene Kraft vortrete
. Hierher gehört schon die Blindgeburt der
Welfe und die volksmäßige der Hessen und Schwaben."

Biologische Gesichtspunkte in der Minderwertigkeitslehre.

Seine deutlichste Ausprägung gewinnt das minderwertige Organ
im Phänomen der angeborenen Mißbildung. Nicht viel weniger deutlich
zeichnet sich das Wesen der Minderwertigkeit in den äußeren Stigmen
ab. Die Zusammenhänge der anderen Minderwertigkeitszeichen mit diesen
beiden sind in dieser Studie so deutlich beleuchtet worden, daß sich
der Schluß von selbst ergibt: die Minderwertigkeit des Organes
ist embryonalen Ursprunges
.

Desgleichen ist die Variabilität, die Wachstumsenergie und Fähig-
keit zur Kompensation stark genug betont worden. Sie sind es ja, die
die Möglichkeit einer Anpassung garantieren, vorausgesetzt, daß die
Lebensfähigkeit und Lebensdauer durch die ursprüngliche Wachstums-
hemmung nicht gefährdet erscheint, vorausgesetzt ferner, daß der Her-
anziehung von Reservekräften nicht allzu große Hindernisse entgegen
stehen. Der endgültige Erfolg des Kampfes um den Bestand des Or-
ganes geht aus der Relation zwischen vorhandenem, bildungsfähigem
Material und der geforderten Arbeit hervor. Die dabei zutage tretenden
Wachstumsanstrengungen und Erfolge sind mit denen normaler Organe
nicht zu vergleichen. Sie führen uns vielmehr einen Teil jener Kraft
vor Augen, die sich in der Lebhaftigkeit und Variabilität embryonalen
Wachstums äußert. Dadurch nun rechtfertigt sich eine zweite Behaup-
tung: das minderwertige Organ trägt in Morphologie und
Funktion den embryonalen Charakter an sich
.

Von den Ursachen der Organminderwertigkeit läßt sich nach
Analogie der Ursachen von Mißbildungen folgendes Schema entwerfen:

1. Primärer Mangel an Bildungsmaterial. Man wird dabei beson-
ders deutlich familiäres Auftreten beobachten können oder erschöpfende
Krankheiten, Lues, Alkoholismus, Vergiftungen der Eltern zur Zeit der
Zeugung vorfinden. Im letzteren Falle wird jedoch häufig die Auswahl
des Organes durch eine primäre Minderwertigkeit desselben weiter de-
terminiert sein.

Locki (? = Hephaest) lahm, Hödr blind, Vidar stumm, nicht
anders Hagano einäugig, Walkeri einhändig, Günthari und
Wieland lahm; blinde und stumme Helden gibt es viele. Aber
das scheint heldenmäßig, daß die Kindheit und erste Jugend
ein Fehler verunstalte und aus solchem Dunkel hernach
plötzlich die leuchtende Erscheinung, gleichsam die zurück-
gehaltene Kraft vortrete
. Hierher gehört schon die Blindgeburt der
Welfe und die volksmäßige der Hessen und Schwaben.“

Biologische Gesichtspunkte in der Minderwertigkeitslehre.

Seine deutlichste Ausprägung gewinnt das minderwertige Organ
im Phänomen der angeborenen Mißbildung. Nicht viel weniger deutlich
zeichnet sich das Wesen der Minderwertigkeit in den äußeren Stigmen
ab. Die Zusammenhänge der anderen Minderwertigkeitszeichen mit diesen
beiden sind in dieser Studie so deutlich beleuchtet worden, daß sich
der Schluß von selbst ergibt: die Minderwertigkeit des Organes
ist embryonalen Ursprunges
.

Desgleichen ist die Variabilität, die Wachstumsenergie und Fähig-
keit zur Kompensation stark genug betont worden. Sie sind es ja, die
die Möglichkeit einer Anpassung garantieren, vorausgesetzt, daß die
Lebensfähigkeit und Lebensdauer durch die ursprüngliche Wachstums-
hemmung nicht gefährdet erscheint, vorausgesetzt ferner, daß der Her-
anziehung von Reservekräften nicht allzu große Hindernisse entgegen
stehen. Der endgültige Erfolg des Kampfes um den Bestand des Or-
ganes geht aus der Relation zwischen vorhandenem, bildungsfähigem
Material und der geforderten Arbeit hervor. Die dabei zutage tretenden
Wachstumsanstrengungen und Erfolge sind mit denen normaler Organe
nicht zu vergleichen. Sie führen uns vielmehr einen Teil jener Kraft
vor Augen, die sich in der Lebhaftigkeit und Variabilität embryonalen
Wachstums äußert. Dadurch nun rechtfertigt sich eine zweite Behaup-
tung: das minderwertige Organ trägt in Morphologie und
Funktion den embryonalen Charakter an sich
.

Von den Ursachen der Organminderwertigkeit läßt sich nach
Analogie der Ursachen von Mißbildungen folgendes Schema entwerfen:

1. Primärer Mangel an Bildungsmaterial. Man wird dabei beson-
ders deutlich familiäres Auftreten beobachten können oder erschöpfende
Krankheiten, Lues, Alkoholismus, Vergiftungen der Eltern zur Zeit der
Zeugung vorfinden. Im letzteren Falle wird jedoch häufig die Auswahl
des Organes durch eine primäre Minderwertigkeit desselben weiter de-
terminiert sein.

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[72/0084] Locki (? = Hephaest) lahm, Hödr blind, Vidar stumm, nicht anders Hagano einäugig, Walkeri einhändig, Günthari und Wieland lahm; blinde und stumme Helden gibt es viele. Aber das scheint heldenmäßig, daß die Kindheit und erste Jugend ein Fehler verunstalte und aus solchem Dunkel hernach plötzlich die leuchtende Erscheinung, gleichsam die zurück- gehaltene Kraft vortrete. Hierher gehört schon die Blindgeburt der Welfe und die volksmäßige der Hessen und Schwaben.“ Biologische Gesichtspunkte in der Minderwertigkeitslehre. Seine deutlichste Ausprägung gewinnt das minderwertige Organ im Phänomen der angeborenen Mißbildung. Nicht viel weniger deutlich zeichnet sich das Wesen der Minderwertigkeit in den äußeren Stigmen ab. Die Zusammenhänge der anderen Minderwertigkeitszeichen mit diesen beiden sind in dieser Studie so deutlich beleuchtet worden, daß sich der Schluß von selbst ergibt: die Minderwertigkeit des Organes ist embryonalen Ursprunges. Desgleichen ist die Variabilität, die Wachstumsenergie und Fähig- keit zur Kompensation stark genug betont worden. Sie sind es ja, die die Möglichkeit einer Anpassung garantieren, vorausgesetzt, daß die Lebensfähigkeit und Lebensdauer durch die ursprüngliche Wachstums- hemmung nicht gefährdet erscheint, vorausgesetzt ferner, daß der Her- anziehung von Reservekräften nicht allzu große Hindernisse entgegen stehen. Der endgültige Erfolg des Kampfes um den Bestand des Or- ganes geht aus der Relation zwischen vorhandenem, bildungsfähigem Material und der geforderten Arbeit hervor. Die dabei zutage tretenden Wachstumsanstrengungen und Erfolge sind mit denen normaler Organe nicht zu vergleichen. Sie führen uns vielmehr einen Teil jener Kraft vor Augen, die sich in der Lebhaftigkeit und Variabilität embryonalen Wachstums äußert. Dadurch nun rechtfertigt sich eine zweite Behaup- tung: das minderwertige Organ trägt in Morphologie und Funktion den embryonalen Charakter an sich. Von den Ursachen der Organminderwertigkeit läßt sich nach Analogie der Ursachen von Mißbildungen folgendes Schema entwerfen: 1. Primärer Mangel an Bildungsmaterial. Man wird dabei beson- ders deutlich familiäres Auftreten beobachten können oder erschöpfende Krankheiten, Lues, Alkoholismus, Vergiftungen der Eltern zur Zeit der Zeugung vorfinden. Im letzteren Falle wird jedoch häufig die Auswahl des Organes durch eine primäre Minderwertigkeit desselben weiter de- terminiert sein.

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Zitationshilfe: Adler, Alfred: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Berlin u. a., 1907, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_studie_1907/84>, abgerufen am 21.11.2024.