Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.II. Ich kam endlich wieder zu Sinnen, und eilte, diesen Ort Am Thore mußt' ich gleich wieder von der Schildwacht II. Ich kam endlich wieder zu Sinnen, und eilte, dieſen Ort Am Thore mußt’ ich gleich wieder von der Schildwacht <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0028" n="[10]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">II.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Ich kam endlich wieder zu Sinnen, und eilte, dieſen Ort<lb/> zu verlaſſen, wo ich hoffentlich nichts mehr zu thun hatte.<lb/> Ich füllte erſt meine Taſchen mit Gold, dann band ich mir<lb/> die Schnüre des Beutels um den Hals feſt, und verbarg ihn<lb/> ſelbſt auf meiner Bruſt. Ich kam unbeachtet aus dem Park,<lb/> erreichte die Landſtraße, und nahm meinen Weg nach der Stadt.<lb/> Wie ich in Gedanken dem Thore zu ging, hört’ ich hinter mir<lb/> ſchreien: »Junger Herr! he! junger Herr! hören Sie doch!«<lb/> — Ich ſah mich um, ein altes Weib rief mir nach: »Sehe<lb/> ſich der Herr doch vor, Sie haben Ihren Schatten verloren.«<lb/> »Danke, Mütterchen!« ich warf ihr ein Goldſtück für den<lb/> wohlgemeinten Rath hin, und trat unter die Bäume.</p><lb/> <p>Am Thore mußt’ ich gleich wieder von der Schildwacht<lb/> hören: »Wo hat der Herr ſeinen Schatten gelaſſen?« und<lb/> gleich wieder darauf von ein Paar Frauen: »Jeſus Maria!<lb/> der arme Menſch hat keinen Schatten!« Das fing an mich<lb/> zu verdrießen, und ich vermied ſehr ſorgfältig, in die Sonne<lb/> zu treten. Das ging aber nicht überall an, zum Beiſpiel<lb/> nicht über die Breiteſtraße, die ich zunächſt durchkreuzen<lb/> mußte, und zwar, zu meinem Unheil, in eben der Stunde,<lb/> wo die Knaben aus der Schule gingen. Ein verdammter bucke-<lb/> liger Schlingel, ich ſeh’ ihn noch, hatte es gleich weg, daß<lb/> mir ein Schatten fehle. Er verrieth mich mit großem Geſchrei<lb/> der ſämmtlichen literariſchen Straßenjugend der Vorſtadt,<lb/> welche ſofort mich zu rezenſiren und mit Koth zu bewerfen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[10]/0028]
II.
Ich kam endlich wieder zu Sinnen, und eilte, dieſen Ort
zu verlaſſen, wo ich hoffentlich nichts mehr zu thun hatte.
Ich füllte erſt meine Taſchen mit Gold, dann band ich mir
die Schnüre des Beutels um den Hals feſt, und verbarg ihn
ſelbſt auf meiner Bruſt. Ich kam unbeachtet aus dem Park,
erreichte die Landſtraße, und nahm meinen Weg nach der Stadt.
Wie ich in Gedanken dem Thore zu ging, hört’ ich hinter mir
ſchreien: »Junger Herr! he! junger Herr! hören Sie doch!«
— Ich ſah mich um, ein altes Weib rief mir nach: »Sehe
ſich der Herr doch vor, Sie haben Ihren Schatten verloren.«
»Danke, Mütterchen!« ich warf ihr ein Goldſtück für den
wohlgemeinten Rath hin, und trat unter die Bäume.
Am Thore mußt’ ich gleich wieder von der Schildwacht
hören: »Wo hat der Herr ſeinen Schatten gelaſſen?« und
gleich wieder darauf von ein Paar Frauen: »Jeſus Maria!
der arme Menſch hat keinen Schatten!« Das fing an mich
zu verdrießen, und ich vermied ſehr ſorgfältig, in die Sonne
zu treten. Das ging aber nicht überall an, zum Beiſpiel
nicht über die Breiteſtraße, die ich zunächſt durchkreuzen
mußte, und zwar, zu meinem Unheil, in eben der Stunde,
wo die Knaben aus der Schule gingen. Ein verdammter bucke-
liger Schlingel, ich ſeh’ ihn noch, hatte es gleich weg, daß
mir ein Schatten fehle. Er verrieth mich mit großem Geſchrei
der ſämmtlichen literariſchen Straßenjugend der Vorſtadt,
welche ſofort mich zu rezenſiren und mit Koth zu bewerfen
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