Nach einer glücklichen, jedoch für mich sehr beschwerlichen Seefahrt, erreichten wir endlich den Hafen. Sobald ich mit dem Boote an's Land kam, belud ich mich selbst mit meiner kleinen Habseligkeit, und durch das wimmelnde Volk mich drängend, ging ich in das nächste, geringste Haus hinein, vor welchem ich ein Schild hängen sah. Ich begehrte ein Zimmer, der Hausknecht maß mich mit einem Blick und führte mich unter's Dach. Ich ließ mir frisches Wasser geben, und genau beschreiben, wo ich den Herrn Thomas John auf- zusuchen habe: -- "Vor dem Norderthor, das erste Landhaus zur rechten Hand, ein großes, neues Haus, von roth und wei- ßem Marmor mit vielen Säulen." Gut. -- Es war noch früh an der Zeit, ich schnürte sogleich mein Bündel auf, nahm meinen neu gewandten schwarzen Rock heraus, zog mich rein- lich an in meine besten Kleider, steckte das Empfehlungsschrei- ben zu mir, und setzte mich alsbald auf den Weg zu dem Manne, der mir bei meinen bescheidenen Hoffnungen förderlich sein sollte.
Nachdem ich die lange Norderstraße hinaufgestiegen, und das Thor erreicht, sah ich bald die Säulen durch das Grüne schimmern; -- "also hier," dacht' ich. Ich wischte den Staub von meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, setzte mein Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes Namen die Klin- gel. Die Thür' sprang auf. Auf dem Flur hatt' ich ein Ver-
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I.
Nach einer glücklichen, jedoch für mich ſehr beſchwerlichen Seefahrt, erreichten wir endlich den Hafen. Sobald ich mit dem Boote an’s Land kam, belud ich mich ſelbſt mit meiner kleinen Habſeligkeit, und durch das wimmelnde Volk mich drängend, ging ich in das nächſte, geringſte Haus hinein, vor welchem ich ein Schild hängen ſah. Ich begehrte ein Zimmer, der Hausknecht maß mich mit einem Blick und führte mich unter’s Dach. Ich ließ mir friſches Waſſer geben, und genau beſchreiben, wo ich den Herrn Thomas John auf- zuſuchen habe: — »Vor dem Norderthor, das erſte Landhaus zur rechten Hand, ein großes, neues Haus, von roth und wei- ßem Marmor mit vielen Säulen.« Gut. — Es war noch früh an der Zeit, ich ſchnürte ſogleich mein Bündel auf, nahm meinen neu gewandten ſchwarzen Rock heraus, zog mich rein- lich an in meine beſten Kleider, ſteckte das Empfehlungsſchrei- ben zu mir, und ſetzte mich alsbald auf den Weg zu dem Manne, der mir bei meinen beſcheidenen Hoffnungen förderlich ſein ſollte.
Nachdem ich die lange Norderſtraße hinaufgeſtiegen, und das Thor erreicht, ſah ich bald die Säulen durch das Grüne ſchimmern; — »alſo hier,« dacht’ ich. Ich wiſchte den Staub von meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, ſetzte mein Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes Namen die Klin- gel. Die Thür’ ſprang auf. Auf dem Flur hatt’ ich ein Ver-
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I.
Nach einer glücklichen, jedoch für mich ſehr beſchwerlichen
Seefahrt, erreichten wir endlich den Hafen. Sobald ich mit
dem Boote an’s Land kam, belud ich mich ſelbſt mit meiner
kleinen Habſeligkeit, und durch das wimmelnde Volk mich
drängend, ging ich in das nächſte, geringſte Haus hinein,
vor welchem ich ein Schild hängen ſah. Ich begehrte ein
Zimmer, der Hausknecht maß mich mit einem Blick und führte
mich unter’s Dach. Ich ließ mir friſches Waſſer geben, und
genau beſchreiben, wo ich den Herrn Thomas John auf-
zuſuchen habe: — »Vor dem Norderthor, das erſte Landhaus
zur rechten Hand, ein großes, neues Haus, von roth und wei-
ßem Marmor mit vielen Säulen.« Gut. — Es war noch
früh an der Zeit, ich ſchnürte ſogleich mein Bündel auf, nahm
meinen neu gewandten ſchwarzen Rock heraus, zog mich rein-
lich an in meine beſten Kleider, ſteckte das Empfehlungsſchrei-
ben zu mir, und ſetzte mich alsbald auf den Weg zu dem
Manne, der mir bei meinen beſcheidenen Hoffnungen förderlich
ſein ſollte.
Nachdem ich die lange Norderſtraße hinaufgeſtiegen, und
das Thor erreicht, ſah ich bald die Säulen durch das Grüne
ſchimmern; — »alſo hier,« dacht’ ich. Ich wiſchte den Staub
von meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, ſetzte mein
Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes Namen die Klin-
gel. Die Thür’ ſprang auf. Auf dem Flur hatt’ ich ein Ver-
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/19>, abgerufen am 19.02.2025.
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