Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

gleiches erzehlet worden, ohnerachtet man gut gefunden, es nicht
so sehr bekannt zu machen. Andere um geliebter Kürtze willen zu
geschweigen. Man hat billig Mitleiden mit dem armen Volcke,
welches die heilige Schrift nicht lesen darf, daher auch wenig Freu-
digkeit zum Sterben vorhanden. Dergleichen Leute solten, wo nicht
um das Bette eines Sterbenden von unser Religion herum stehen,
doch zum wenigsten die Erzehlung von dergleichen erbaulichem Le-
bens-Ende vor Augen haben: Die Augen würden ihnen wohl auf-
gehen. Aber auch dieses wird ihnen abgeschnitten.

§. 45.

Ferner solten dieses erwegen alle diejenigen, welche aus der
christlichen Religion nicht viel machen, und lieber den Namen ei-
nes starcken Geists, (esprit fort) führen, als dem Worte GOt-
tes Gehör geben wollen. Das liebe Wort GOttes, welches voll
ist von göttlicher Kraft und Weisheit, ist ihnen viel zu einfäl-
tig, als daß solche Meister von hohen Sinnen sich daran halten
könten. Allein man bedencke das Ende solcher Leute. Jch habe
dreyerley Arten davon angemercket. Einige hat GOtt in ihrer
Dummheit dahin gerissen, daß sie wie ein toller Hund abgefahren,
und ein Ende mit Schrecken genommen. Andern hat es so gut
nicht werden können, daß ihnen ein Christ mit einem Sprüchlein
aus GOttes Wort beygestanden, und sind folglich ohne Trost ab-
gefahren. Die letztere Art hat sich noch in Zeiten besonnen, dem
Wincke GOttes Platz gegeben, und sich bekehret, daß sie hernach
mit Freuden von der Welt Abschied nehmen können. Es wäre
leicht, alle drey Classen mit Exempeln zu erläutern, wenn es Zeit
und Ort erlaubten. Da nun aber solche Leute klüger, als andere,
seyn wollen, so solten sie sich doch bey guter Zeit eines bessern beden-
cken. Denn wenns aufs Ende los gehet, alsdenn sehen sie, daß alle
dergleichen Schlösser, welche man in die Luft gebauet, nichts als Chi-
mären sind, mit welchen sie sich die gantze Zeit ihres Lebens herum
geschleppet haben. Sie haben einen schweinischen Geschmack, da
ihnen der Koth ihrer eitlen Gedancken weit besser schmeckt, als die

mit
E 2

gleiches erzehlet worden, ohnerachtet man gut gefunden, es nicht
ſo ſehr bekannt zu machen. Andere um geliebter Kuͤrtze willen zu
geſchweigen. Man hat billig Mitleiden mit dem armen Volcke,
welches die heilige Schrift nicht leſen darf, daher auch wenig Freu-
digkeit zum Sterben vorhanden. Dergleichen Leute ſolten, wo nicht
um das Bette eines Sterbenden von unſer Religion herum ſtehen,
doch zum wenigſten die Erzehlung von dergleichen erbaulichem Le-
bens-Ende vor Augen haben: Die Augen wuͤrden ihnen wohl auf-
gehen. Aber auch dieſes wird ihnen abgeſchnitten.

§. 45.

Ferner ſolten dieſes erwegen alle diejenigen, welche aus der
chriſtlichen Religion nicht viel machen, und lieber den Namen ei-
nes ſtarcken Geiſts, (eſprit fort) fuͤhren, als dem Worte GOt-
tes Gehoͤr geben wollen. Das liebe Wort GOttes, welches voll
iſt von goͤttlicher Kraft und Weisheit, iſt ihnen viel zu einfaͤl-
tig, als daß ſolche Meiſter von hohen Sinnen ſich daran halten
koͤnten. Allein man bedencke das Ende ſolcher Leute. Jch habe
dreyerley Arten davon angemercket. Einige hat GOtt in ihrer
Dummheit dahin geriſſen, daß ſie wie ein toller Hund abgefahren,
und ein Ende mit Schrecken genommen. Andern hat es ſo gut
nicht werden koͤnnen, daß ihnen ein Chriſt mit einem Spruͤchlein
aus GOttes Wort beygeſtanden, und ſind folglich ohne Troſt ab-
gefahren. Die letztere Art hat ſich noch in Zeiten beſonnen, dem
Wincke GOttes Platz gegeben, und ſich bekehret, daß ſie hernach
mit Freuden von der Welt Abſchied nehmen koͤnnen. Es waͤre
leicht, alle drey Claſſen mit Exempeln zu erlaͤutern, wenn es Zeit
und Ort erlaubten. Da nun aber ſolche Leute kluͤger, als andere,
ſeyn wollen, ſo ſolten ſie ſich doch bey guter Zeit eines beſſern beden-
cken. Denn wenns aufs Ende los gehet, alsdenn ſehen ſie, daß alle
dergleichen Schloͤſſer, welche man in die Luft gebauet, nichts als Chi-
maͤren ſind, mit welchen ſie ſich die gantze Zeit ihres Lebens herum
geſchleppet haben. Sie haben einen ſchweiniſchen Geſchmack, da
ihnen der Koth ihrer eitlen Gedancken weit beſſer ſchmeckt, als die

mit
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="35"/>
gleiches erzehlet worden, ohnerachtet man gut gefunden, es nicht<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr bekannt zu machen. Andere um geliebter Ku&#x0364;rtze willen zu<lb/>
ge&#x017F;chweigen. Man hat billig Mitleiden mit dem armen Volcke,<lb/>
welches die heilige Schrift nicht le&#x017F;en darf, daher auch wenig Freu-<lb/>
digkeit zum Sterben vorhanden. Dergleichen Leute &#x017F;olten, wo nicht<lb/>
um das Bette eines Sterbenden von un&#x017F;er Religion herum &#x017F;tehen,<lb/>
doch zum wenig&#x017F;ten die Erzehlung von dergleichen erbaulichem Le-<lb/>
bens-Ende vor Augen haben: Die Augen wu&#x0364;rden ihnen wohl auf-<lb/>
gehen. Aber auch die&#x017F;es wird ihnen abge&#x017F;chnitten.</p><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 45.</head><lb/>
            <p>Ferner &#x017F;olten die&#x017F;es erwegen alle diejenigen, welche aus der<lb/>
chri&#x017F;tlichen Religion nicht viel machen, und lieber den Namen ei-<lb/>
nes &#x017F;tarcken Gei&#x017F;ts, (<hi rendition="#aq">e&#x017F;prit fort</hi>) fu&#x0364;hren, als dem Worte GOt-<lb/>
tes Geho&#x0364;r geben wollen. Das liebe Wort GOttes, welches voll<lb/>
i&#x017F;t von go&#x0364;ttlicher Kraft und Weisheit, i&#x017F;t ihnen viel zu einfa&#x0364;l-<lb/>
tig, als daß &#x017F;olche Mei&#x017F;ter von hohen Sinnen &#x017F;ich daran halten<lb/>
ko&#x0364;nten. Allein man bedencke das Ende &#x017F;olcher Leute. Jch habe<lb/>
dreyerley Arten davon angemercket. Einige hat GOtt in ihrer<lb/>
Dummheit dahin geri&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie wie ein toller Hund abgefahren,<lb/>
und ein Ende mit Schrecken genommen. Andern hat es &#x017F;o gut<lb/>
nicht werden ko&#x0364;nnen, daß ihnen ein Chri&#x017F;t mit einem Spru&#x0364;chlein<lb/>
aus GOttes Wort beyge&#x017F;tanden, und &#x017F;ind folglich ohne Tro&#x017F;t ab-<lb/>
gefahren. Die letztere Art hat &#x017F;ich noch in Zeiten be&#x017F;onnen, dem<lb/>
Wincke GOttes Platz gegeben, und &#x017F;ich bekehret, daß &#x017F;ie hernach<lb/>
mit Freuden von der Welt Ab&#x017F;chied nehmen ko&#x0364;nnen. Es wa&#x0364;re<lb/>
leicht, alle drey Cla&#x017F;&#x017F;en mit Exempeln zu erla&#x0364;utern, wenn es Zeit<lb/>
und Ort erlaubten. Da nun aber &#x017F;olche Leute klu&#x0364;ger, als andere,<lb/>
&#x017F;eyn wollen, &#x017F;o &#x017F;olten &#x017F;ie &#x017F;ich doch bey guter Zeit eines be&#x017F;&#x017F;ern beden-<lb/>
cken. Denn wenns aufs Ende los gehet, alsdenn &#x017F;ehen &#x017F;ie, daß alle<lb/>
dergleichen Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, welche man in die Luft gebauet, nichts als Chi-<lb/>
ma&#x0364;ren &#x017F;ind, mit welchen &#x017F;ie &#x017F;ich die gantze Zeit ihres Lebens herum<lb/>
ge&#x017F;chleppet haben. Sie haben einen &#x017F;chweini&#x017F;chen Ge&#x017F;chmack, da<lb/>
ihnen der Koth ihrer eitlen Gedancken weit be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chmeckt, als die<lb/>
<fw type="sig" place="bottom">E 2</fw><fw type="catch" place="bottom">mit</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0035] gleiches erzehlet worden, ohnerachtet man gut gefunden, es nicht ſo ſehr bekannt zu machen. Andere um geliebter Kuͤrtze willen zu geſchweigen. Man hat billig Mitleiden mit dem armen Volcke, welches die heilige Schrift nicht leſen darf, daher auch wenig Freu- digkeit zum Sterben vorhanden. Dergleichen Leute ſolten, wo nicht um das Bette eines Sterbenden von unſer Religion herum ſtehen, doch zum wenigſten die Erzehlung von dergleichen erbaulichem Le- bens-Ende vor Augen haben: Die Augen wuͤrden ihnen wohl auf- gehen. Aber auch dieſes wird ihnen abgeſchnitten. §. 45. Ferner ſolten dieſes erwegen alle diejenigen, welche aus der chriſtlichen Religion nicht viel machen, und lieber den Namen ei- nes ſtarcken Geiſts, (eſprit fort) fuͤhren, als dem Worte GOt- tes Gehoͤr geben wollen. Das liebe Wort GOttes, welches voll iſt von goͤttlicher Kraft und Weisheit, iſt ihnen viel zu einfaͤl- tig, als daß ſolche Meiſter von hohen Sinnen ſich daran halten koͤnten. Allein man bedencke das Ende ſolcher Leute. Jch habe dreyerley Arten davon angemercket. Einige hat GOtt in ihrer Dummheit dahin geriſſen, daß ſie wie ein toller Hund abgefahren, und ein Ende mit Schrecken genommen. Andern hat es ſo gut nicht werden koͤnnen, daß ihnen ein Chriſt mit einem Spruͤchlein aus GOttes Wort beygeſtanden, und ſind folglich ohne Troſt ab- gefahren. Die letztere Art hat ſich noch in Zeiten beſonnen, dem Wincke GOttes Platz gegeben, und ſich bekehret, daß ſie hernach mit Freuden von der Welt Abſchied nehmen koͤnnen. Es waͤre leicht, alle drey Claſſen mit Exempeln zu erlaͤutern, wenn es Zeit und Ort erlaubten. Da nun aber ſolche Leute kluͤger, als andere, ſeyn wollen, ſo ſolten ſie ſich doch bey guter Zeit eines beſſern beden- cken. Denn wenns aufs Ende los gehet, alsdenn ſehen ſie, daß alle dergleichen Schloͤſſer, welche man in die Luft gebauet, nichts als Chi- maͤren ſind, mit welchen ſie ſich die gantze Zeit ihres Lebens herum geſchleppet haben. Sie haben einen ſchweiniſchen Geſchmack, da ihnen der Koth ihrer eitlen Gedancken weit beſſer ſchmeckt, als die mit E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/386596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/386596/35
Zitationshilfe: Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/386596/35>, abgerufen am 30.12.2024.