Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.VI. Allein zurückgeblieben auf der öden Heide, ließ Und Alles um einen Schatten! Und diesen VI. Allein zurückgeblieben auf der öden Heide, ließ Und Alles um einen Schatten! Und dieſen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0098" n="[86]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">VI.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Allein zurückgeblieben auf der öden Heide, ließ<lb/> ich unendlichen Thränen freien Lauf, mein armes<lb/> Herz von namenloſer banger Laſt erleichternd.<lb/> Aber ich ſah meinem unüberſchwenglichen Elend<lb/> keine Grenzen, keinen Ausgang, kein Ziel, und<lb/> ich ſog beſonders mit grimmigem Durſt an dem<lb/> neuen Gifte, das der Unbekannte in meine Wun-<lb/> den gegoſſen. Als ich <hi rendition="#g">Mina’s</hi> Bild vor meine<lb/> Seele rief, und die geliebte, ſüße Geſtalt bleich<lb/> und in Thränen mir erſchien, wie ich ſie zuletzt<lb/> in meiner Schmach geſehen, da trat frech und<lb/> höhnend <hi rendition="#g">Rascal’s</hi> Schemen zwiſchen ſie und<lb/> mich, ich verhüllte mein Geſicht und floh durch<lb/> die Einöde, aber die ſcheußliche Erſcheinung gab<lb/> mich nicht frei, ſondern verfolgte mich im Laufe,<lb/> bis ich athemlos an den Boden ſank, und die<lb/> Erde mit erneuertem Thränenquell befeuchtete.</p><lb/> <p>Und Alles um einen Schatten! Und dieſen<lb/> Schatten hätte mir ein Federzug wieder erwor-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[86]/0098]
VI.
Allein zurückgeblieben auf der öden Heide, ließ
ich unendlichen Thränen freien Lauf, mein armes
Herz von namenloſer banger Laſt erleichternd.
Aber ich ſah meinem unüberſchwenglichen Elend
keine Grenzen, keinen Ausgang, kein Ziel, und
ich ſog beſonders mit grimmigem Durſt an dem
neuen Gifte, das der Unbekannte in meine Wun-
den gegoſſen. Als ich Mina’s Bild vor meine
Seele rief, und die geliebte, ſüße Geſtalt bleich
und in Thränen mir erſchien, wie ich ſie zuletzt
in meiner Schmach geſehen, da trat frech und
höhnend Rascal’s Schemen zwiſchen ſie und
mich, ich verhüllte mein Geſicht und floh durch
die Einöde, aber die ſcheußliche Erſcheinung gab
mich nicht frei, ſondern verfolgte mich im Laufe,
bis ich athemlos an den Boden ſank, und die
Erde mit erneuertem Thränenquell befeuchtete.
Und Alles um einen Schatten! Und dieſen
Schatten hätte mir ein Federzug wieder erwor-
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