Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite
An
meinen alten Freund Peter Schlemihl.


Da fällt nun deine Schrift nach vielen Jahren
Mir wieder in die Hand, und -- wundersam! --
Der Zeit gedenk' ich, wo wir Freunde waren,
Als erst die Welt uns in die Schule nahm.
Ich bin ein alter Mann in grauen Haaren,
Ich überwinde schon die falsche Scham,
Ich will mich deinen Freund wie eh'mals nennen
Und mich als solchen vor der Welt bekennen.
Mein armer, armer Freund, es hat der Schlaue
Mir nicht, wie dir, so übel mitgespielt;
Gestrebet hab' ich und gehofft in's Blaue,
Und gar am Ende wenig nur erzielt;
Doch schwerlich wird berühmen sich der Graue,
Daß er mich jemals fest am Schatten hielt;
Den Schatten hab' ich, der mir angeboren,
Ich habe meinen Schatten nie verloren.
Mich traf, obgleich unschuldig wie das Kind,
Der Hohn, den sie für deine Blöße hatten. --
Ob wir einander denn so ähnlich sind?! --
Sie schrie'n mir nach: Schlemihl, wo ist dein Schatten?
An
meinen alten Freund Peter Schlemihl.


Da faͤllt nun deine Schrift nach vielen Jahren
Mir wieder in die Hand, und — wunderſam! —
Der Zeit gedenk’ ich, wo wir Freunde waren,
Als erſt die Welt uns in die Schule nahm.
Ich bin ein alter Mann in grauen Haaren,
Ich uͤberwinde ſchon die falſche Scham,
Ich will mich deinen Freund wie eh’mals nennen
Und mich als ſolchen vor der Welt bekennen.
Mein armer, armer Freund, es hat der Schlaue
Mir nicht, wie dir, ſo uͤbel mitgeſpielt;
Geſtrebet hab’ ich und gehofft in’s Blaue,
Und gar am Ende wenig nur erzielt;
Doch ſchwerlich wird beruͤhmen ſich der Graue,
Daß er mich jemals feſt am Schatten hielt;
Den Schatten hab’ ich, der mir angeboren,
Ich habe meinen Schatten nie verloren.
Mich traf, obgleich unſchuldig wie das Kind,
Der Hohn, den ſie fuͤr deine Bloͤße hatten. —
Ob wir einander denn ſo aͤhnlich ſind?! —
Sie ſchrie’n mir nach: Schlemihl, wo iſt dein Schatten?
<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0009"/>
    </front>
    <body>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">An</hi><lb/> <hi rendition="#b">meinen alten Freund Peter Schlemihl.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Da fa&#x0364;llt nun deine Schrift nach vielen Jahren</l><lb/>
            <l>Mir wieder in die Hand, und &#x2014; wunder&#x017F;am! &#x2014;</l><lb/>
            <l>Der Zeit gedenk&#x2019; ich, wo wir Freunde waren,</l><lb/>
            <l>Als er&#x017F;t die Welt uns in die Schule nahm.</l><lb/>
            <l>Ich bin ein alter Mann in grauen Haaren,</l><lb/>
            <l>Ich u&#x0364;berwinde &#x017F;chon die fal&#x017F;che Scham,</l><lb/>
            <l>Ich will mich deinen Freund wie eh&#x2019;mals nennen</l><lb/>
            <l>Und mich als &#x017F;olchen vor der Welt bekennen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="2">
            <l>Mein armer, armer Freund, es hat der Schlaue </l><lb/>
            <l>Mir nicht, wie dir, &#x017F;o u&#x0364;bel mitge&#x017F;pielt;</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;trebet hab&#x2019; ich und gehofft in&#x2019;s Blaue,</l><lb/>
            <l>Und gar am Ende wenig nur erzielt;</l><lb/>
            <l>Doch &#x017F;chwerlich wird beru&#x0364;hmen &#x017F;ich der Graue,</l><lb/>
            <l>Daß er mich jemals fe&#x017F;t am Schatten hielt;</l><lb/>
            <l>Den Schatten hab&#x2019; ich, der mir angeboren,</l><lb/>
            <l>Ich habe meinen Schatten nie verloren.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="3">
            <l>Mich traf, obgleich un&#x017F;chuldig wie das Kind,</l><lb/>
            <l>Der Hohn, den &#x017F;ie fu&#x0364;r deine Blo&#x0364;ße hatten. &#x2014;</l><lb/>
            <l>Ob wir einander denn &#x017F;o a&#x0364;hnlich &#x017F;ind?! &#x2014;</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;chrie&#x2019;n mir nach: Schlemihl, wo i&#x017F;t dein Schatten?</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0009] An meinen alten Freund Peter Schlemihl. Da faͤllt nun deine Schrift nach vielen Jahren Mir wieder in die Hand, und — wunderſam! — Der Zeit gedenk’ ich, wo wir Freunde waren, Als erſt die Welt uns in die Schule nahm. Ich bin ein alter Mann in grauen Haaren, Ich uͤberwinde ſchon die falſche Scham, Ich will mich deinen Freund wie eh’mals nennen Und mich als ſolchen vor der Welt bekennen. Mein armer, armer Freund, es hat der Schlaue Mir nicht, wie dir, ſo uͤbel mitgeſpielt; Geſtrebet hab’ ich und gehofft in’s Blaue, Und gar am Ende wenig nur erzielt; Doch ſchwerlich wird beruͤhmen ſich der Graue, Daß er mich jemals feſt am Schatten hielt; Den Schatten hab’ ich, der mir angeboren, Ich habe meinen Schatten nie verloren. Mich traf, obgleich unſchuldig wie das Kind, Der Hohn, den ſie fuͤr deine Bloͤße hatten. — Ob wir einander denn ſo aͤhnlich ſind?! — Sie ſchrie’n mir nach: Schlemihl, wo iſt dein Schatten?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/9
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/9>, abgerufen am 21.12.2024.