Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.IV. Ich werde in meiner Erzählung schnell über eine Zeit IV. Ich werde in meiner Erzaͤhlung ſchnell uͤber eine Zeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0048"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi> </head><lb/> <p>Ich werde in meiner Erzaͤhlung ſchnell uͤber eine Zeit<lb/> hineilen muͤſſen, bei der ich wie gerne! verweilen wuͤrde,<lb/> wenn ich ihren lebendigen Geiſt in der Erinnerung herauf<lb/> zu beſchwoͤren vermoͤchte. Aber die Farbe, die ſie belebte,<lb/> und nur wieder beleben kann, iſt in mir verloſchen, und<lb/> wenn ich in meiner Bruſt wieder finden will, was ſie<lb/> damals ſo maͤchtig erhob, die Schmerzen und das Gluͤck,<lb/> den frommen Wahn, — da ſchlag’ ich vergebens an einen<lb/> Felſen, der keinen lebendigen Quell mehr gewaͤhrt, und der<lb/> Gott iſt von mir gewichen. Wie veraͤndert blickt ſie mich<lb/> jetzt an, dieſe vergangene Zeit! — Ich ſollte dort in dem<lb/> Bade eine heroiſche Rolle tragiren, ſchlecht einſtudirt, und<lb/> ein Neuling auf der Buͤhne, vergaff’ ich mich aus dem<lb/> Stuͤcke heraus in ein Paar blaue Augen. Die Eltern,<lb/> vom Spiele getaͤuſcht, bieten Alles auf, den Handel nur<lb/> ſchnell feſt zu machen, und die gemeine Poſſe beſchließt<lb/> eine Verhoͤhnung. Und das iſt Alles, Alles! — Das<lb/> kommt mir albern und abgeſchmackt vor, und ſchrecklich<lb/> wiederum, daß ſo mir vorkommen kann, was damals ſo<lb/> reich, ſo groß, die Bruſt mir ſchwellte. <hi rendition="#g">Mina</hi>, wie ich<lb/> damals weinte, als ich dich verlor, ſo wein’ ich jetzt, dich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
IV.
Ich werde in meiner Erzaͤhlung ſchnell uͤber eine Zeit
hineilen muͤſſen, bei der ich wie gerne! verweilen wuͤrde,
wenn ich ihren lebendigen Geiſt in der Erinnerung herauf
zu beſchwoͤren vermoͤchte. Aber die Farbe, die ſie belebte,
und nur wieder beleben kann, iſt in mir verloſchen, und
wenn ich in meiner Bruſt wieder finden will, was ſie
damals ſo maͤchtig erhob, die Schmerzen und das Gluͤck,
den frommen Wahn, — da ſchlag’ ich vergebens an einen
Felſen, der keinen lebendigen Quell mehr gewaͤhrt, und der
Gott iſt von mir gewichen. Wie veraͤndert blickt ſie mich
jetzt an, dieſe vergangene Zeit! — Ich ſollte dort in dem
Bade eine heroiſche Rolle tragiren, ſchlecht einſtudirt, und
ein Neuling auf der Buͤhne, vergaff’ ich mich aus dem
Stuͤcke heraus in ein Paar blaue Augen. Die Eltern,
vom Spiele getaͤuſcht, bieten Alles auf, den Handel nur
ſchnell feſt zu machen, und die gemeine Poſſe beſchließt
eine Verhoͤhnung. Und das iſt Alles, Alles! — Das
kommt mir albern und abgeſchmackt vor, und ſchrecklich
wiederum, daß ſo mir vorkommen kann, was damals ſo
reich, ſo groß, die Bruſt mir ſchwellte. Mina, wie ich
damals weinte, als ich dich verlor, ſo wein’ ich jetzt, dich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |