[Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789.Wilhelm Walter. durch die Laube; es schien, als würde siedann und wann von einem matten Schimmer erhellt; plötzlich rollte es wie ein fernes Don- nerwetter über ihn weg, es grauste ihm das Haar vor Entsezzen und vor seinen Augen schwebte eine sonderbare Figur, halb dunkel, halb licht, die immer anderthalb Schritt um- den magischen Kreis that. R** redete sie zwar an, doch hörte man keine Antwort zu- rük; sie glich einem Frauensbilde aus den 13ten und 14ten Jahrhundert, in verschliessener, altfränkischer Tracht, das Gesicht schien nur halb hinter dem grauen Schleier hervor. -- Zuweilen sah sie sich um und hob die linke Hand empor, in welcher sie einen Zettel, oder dergleichen, hielt; der Nekromantist frag- te, wer sie wäre? was sie in der Hand trü- ge? ob sie etwas verlangte? -- Der Schat- ten starrte ihn aber mit holen Augen an, wandte sich und ward in eben dem Augen- blikke unsichtbar. So sehr wahrscheinlich sich auch diese wollen
Wilhelm Walter. durch die Laube; es ſchien, als wuͤrde ſiedann und wann von einem matten Schimmer erhellt; ploͤtzlich rollte es wie ein fernes Don- nerwetter uͤber ihn weg, es grauſte ihm das Haar vor Entſezzen und vor ſeinen Augen ſchwebte eine ſonderbare Figur, halb dunkel, halb licht, die immer anderthalb Schritt um- den magiſchen Kreis that. R** redete ſie zwar an, doch hoͤrte man keine Antwort zu- ruͤk; ſie glich einem Frauensbilde aus den 13ten und 14ten Jahrhundert, in verſchlieſſener, altfraͤnkiſcher Tracht, das Geſicht ſchien nur halb hinter dem grauen Schleier hervor. — Zuweilen ſah ſie ſich um und hob die linke Hand empor, in welcher ſie einen Zettel, oder dergleichen, hielt; der Nekromantiſt frag- te, wer ſie waͤre? was ſie in der Hand truͤ- ge? ob ſie etwas verlangte? — Der Schat- ten ſtarrte ihn aber mit holen Augen an, wandte ſich und ward in eben dem Augen- blikke unſichtbar. So ſehr wahrſcheinlich ſich auch dieſe wollen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0055" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wilhelm Walter</hi>.</fw><lb/> durch die Laube; es ſchien, als wuͤrde ſie<lb/> dann und wann von einem matten Schimmer<lb/> erhellt; ploͤtzlich rollte es wie ein fernes Don-<lb/> nerwetter uͤber ihn weg, es grauſte ihm das<lb/> Haar vor Entſezzen und vor ſeinen Augen<lb/> ſchwebte eine ſonderbare Figur, halb dunkel,<lb/> halb licht, die immer anderthalb Schritt um-<lb/> den magiſchen Kreis that. R** redete ſie<lb/> zwar an, doch hoͤrte man keine Antwort zu-<lb/> ruͤk; ſie glich einem Frauensbilde aus den<lb/> 13ten und 14ten Jahrhundert, in verſchlieſſener,<lb/> altfraͤnkiſcher Tracht, das Geſicht ſchien nur<lb/> halb hinter dem grauen Schleier hervor. —<lb/> Zuweilen ſah ſie ſich um und hob die linke<lb/> Hand empor, in welcher ſie einen Zettel,<lb/> oder dergleichen, hielt; der Nekromantiſt frag-<lb/> te, wer ſie waͤre? was ſie in der Hand truͤ-<lb/> ge? ob ſie etwas verlangte? — Der Schat-<lb/> ten ſtarrte ihn aber mit holen Augen an,<lb/> wandte ſich und ward in eben dem Augen-<lb/> blikke unſichtbar.</p><lb/> <p>So ſehr wahrſcheinlich ſich auch dieſe<lb/> wunderbare Begebenheit erklaͤren lieſſe, ſo<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wollen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0055]
Wilhelm Walter.
durch die Laube; es ſchien, als wuͤrde ſie
dann und wann von einem matten Schimmer
erhellt; ploͤtzlich rollte es wie ein fernes Don-
nerwetter uͤber ihn weg, es grauſte ihm das
Haar vor Entſezzen und vor ſeinen Augen
ſchwebte eine ſonderbare Figur, halb dunkel,
halb licht, die immer anderthalb Schritt um-
den magiſchen Kreis that. R** redete ſie
zwar an, doch hoͤrte man keine Antwort zu-
ruͤk; ſie glich einem Frauensbilde aus den
13ten und 14ten Jahrhundert, in verſchlieſſener,
altfraͤnkiſcher Tracht, das Geſicht ſchien nur
halb hinter dem grauen Schleier hervor. —
Zuweilen ſah ſie ſich um und hob die linke
Hand empor, in welcher ſie einen Zettel,
oder dergleichen, hielt; der Nekromantiſt frag-
te, wer ſie waͤre? was ſie in der Hand truͤ-
ge? ob ſie etwas verlangte? — Der Schat-
ten ſtarrte ihn aber mit holen Augen an,
wandte ſich und ward in eben dem Augen-
blikke unſichtbar.
So ſehr wahrſcheinlich ſich auch dieſe
wunderbare Begebenheit erklaͤren lieſſe, ſo
wollen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789/55 |
Zitationshilfe: | [Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789/55>, abgerufen am 23.07.2024. |