Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Die Thusnelde. Einer meiner Freunde, er hieß Waldrich, hatte die hohe Schule kaum seit zwei Jahren verlassen und sich in einer Provinzialhauptstadt als überzähliger und unbesoldeter Gerichtsassessor oder dergleichen herumgetrieben, da eben in die Posaune des heiligen Krieges gestoßen ward. Es galt die Befreiung Deutschlands vom Joche des französischen Eroberers. Ein frommer Eifer bemächtigte sich alles Volks, wie man weiß. Freiheit und Vaterland war das Feldgeschrei in Städten und Dörfern. Tausend und tausend Jünglinge flogen freudig zu den Fahnen. Es galt Deutschlands Ehre und die Hoffnung, dann auch auf Hermanns Boden vielleicht ein edleres Leben zu finden, in gesetzlich geregelten, des gebildeten Zeitalters würdigern Verhältnissen. Mein lieber Waldrich hatte an dem frommen Eifer und der schönen Hoffnung seinen guten Theil. Kurz, er empfahl sich seinem Gerichtspräsidenten zu Gnaden und wählte statt der Feder das Schwert. Weil er noch nicht das volle Alter gesetzlicher Mündigkeit besaß, schrieb er, da er keine Eltern mehr Die Thusnelde. Einer meiner Freunde, er hieß Waldrich, hatte die hohe Schule kaum seit zwei Jahren verlassen und sich in einer Provinzialhauptstadt als überzähliger und unbesoldeter Gerichtsassessor oder dergleichen herumgetrieben, da eben in die Posaune des heiligen Krieges gestoßen ward. Es galt die Befreiung Deutschlands vom Joche des französischen Eroberers. Ein frommer Eifer bemächtigte sich alles Volks, wie man weiß. Freiheit und Vaterland war das Feldgeschrei in Städten und Dörfern. Tausend und tausend Jünglinge flogen freudig zu den Fahnen. Es galt Deutschlands Ehre und die Hoffnung, dann auch auf Hermanns Boden vielleicht ein edleres Leben zu finden, in gesetzlich geregelten, des gebildeten Zeitalters würdigern Verhältnissen. Mein lieber Waldrich hatte an dem frommen Eifer und der schönen Hoffnung seinen guten Theil. Kurz, er empfahl sich seinem Gerichtspräsidenten zu Gnaden und wählte statt der Feder das Schwert. Weil er noch nicht das volle Alter gesetzlicher Mündigkeit besaß, schrieb er, da er keine Eltern mehr <TEI> <text> <pb facs="#f0007"/> <body> <div type="chapter" n="1"> <head>Die Thusnelde.</head> <p>Einer meiner Freunde, er hieß Waldrich, hatte die hohe Schule kaum seit zwei Jahren verlassen und sich in einer Provinzialhauptstadt als überzähliger und unbesoldeter Gerichtsassessor oder dergleichen herumgetrieben, da eben in die Posaune des heiligen Krieges gestoßen ward. Es galt die Befreiung Deutschlands vom Joche des französischen Eroberers. Ein frommer Eifer bemächtigte sich alles Volks, wie man weiß. Freiheit und Vaterland war das Feldgeschrei in Städten und Dörfern. Tausend und tausend Jünglinge flogen freudig zu den Fahnen. Es galt Deutschlands Ehre und die Hoffnung, dann auch auf Hermanns Boden vielleicht ein edleres Leben zu finden, in gesetzlich geregelten, des gebildeten Zeitalters würdigern Verhältnissen. Mein lieber Waldrich hatte an dem frommen Eifer und der schönen Hoffnung seinen guten Theil. Kurz, er empfahl sich seinem Gerichtspräsidenten zu Gnaden und wählte statt der Feder das Schwert.</p><lb/> <p>Weil er noch nicht das volle Alter gesetzlicher Mündigkeit besaß, schrieb er, da er keine Eltern mehr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0007]
Die Thusnelde. Einer meiner Freunde, er hieß Waldrich, hatte die hohe Schule kaum seit zwei Jahren verlassen und sich in einer Provinzialhauptstadt als überzähliger und unbesoldeter Gerichtsassessor oder dergleichen herumgetrieben, da eben in die Posaune des heiligen Krieges gestoßen ward. Es galt die Befreiung Deutschlands vom Joche des französischen Eroberers. Ein frommer Eifer bemächtigte sich alles Volks, wie man weiß. Freiheit und Vaterland war das Feldgeschrei in Städten und Dörfern. Tausend und tausend Jünglinge flogen freudig zu den Fahnen. Es galt Deutschlands Ehre und die Hoffnung, dann auch auf Hermanns Boden vielleicht ein edleres Leben zu finden, in gesetzlich geregelten, des gebildeten Zeitalters würdigern Verhältnissen. Mein lieber Waldrich hatte an dem frommen Eifer und der schönen Hoffnung seinen guten Theil. Kurz, er empfahl sich seinem Gerichtspräsidenten zu Gnaden und wählte statt der Feder das Schwert.
Weil er noch nicht das volle Alter gesetzlicher Mündigkeit besaß, schrieb er, da er keine Eltern mehr
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