Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dem Helden aus unserer Herbesheimer Schreckenshistorie eine ganz eigene Aehnlichkeit haben. Vorausgesetzt, Sie haben mit mir nicht etwa einen allfälligen Scherz fortsetzen wollen und wissen durchaus nichts von der Geschichte des todten Gastes, will ich sie Ihnen so erzählen, wie ich sie mir habe von Mehreren erzählen lassen. Herr von Hahn gab die lebhaftesten Aeußerungen seiner Neugier. Der Bürgermeister sagte: Es ist Wohl das erste Mal, daß man ein Ammenmärchen ganz officiell vorträgt. Und nun hob er lachend die Erzählung vom todten Gaste an. Jetzt erklär' ich mir Alles! sagte lachend Herr von Hahn, als die Geschichte beendet war: den schönen Herbesheimerinnen ist um ihre Hälse bange. Scherz bei Seite, Herr von Hahn, mir ist noch Mancherlei dunkel. Ich glaube zwar auch an die buntesten Spiele des Zufalls; aber hier spielt dieser launenhafte Schicksalsgott fast zu grob, als daß ich nicht wirklich einen kleinen Verdacht gegen Sie fassen sollte. Wie, Herr Bürgermeister, Sie sind doch nicht in der Stimmung, mich für den Mann Ihrer Fabel zu halten, der Herbesheim nur alle hundert Jahre besucht, um arme Täubchen zu schlachten? Das wohl nicht. Aber etwas von dem Gespenstermärchen könnten Sie doch zufällig gehört und Ihre Gestalt benutzt haben, um sich an dem Schrecken unserer dem Helden aus unserer Herbesheimer Schreckenshistorie eine ganz eigene Aehnlichkeit haben. Vorausgesetzt, Sie haben mit mir nicht etwa einen allfälligen Scherz fortsetzen wollen und wissen durchaus nichts von der Geschichte des todten Gastes, will ich sie Ihnen so erzählen, wie ich sie mir habe von Mehreren erzählen lassen. Herr von Hahn gab die lebhaftesten Aeußerungen seiner Neugier. Der Bürgermeister sagte: Es ist Wohl das erste Mal, daß man ein Ammenmärchen ganz officiell vorträgt. Und nun hob er lachend die Erzählung vom todten Gaste an. Jetzt erklär' ich mir Alles! sagte lachend Herr von Hahn, als die Geschichte beendet war: den schönen Herbesheimerinnen ist um ihre Hälse bange. Scherz bei Seite, Herr von Hahn, mir ist noch Mancherlei dunkel. Ich glaube zwar auch an die buntesten Spiele des Zufalls; aber hier spielt dieser launenhafte Schicksalsgott fast zu grob, als daß ich nicht wirklich einen kleinen Verdacht gegen Sie fassen sollte. Wie, Herr Bürgermeister, Sie sind doch nicht in der Stimmung, mich für den Mann Ihrer Fabel zu halten, der Herbesheim nur alle hundert Jahre besucht, um arme Täubchen zu schlachten? Das wohl nicht. Aber etwas von dem Gespenstermärchen könnten Sie doch zufällig gehört und Ihre Gestalt benutzt haben, um sich an dem Schrecken unserer <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="16"> <p><pb facs="#f0142"/> dem Helden aus unserer Herbesheimer Schreckenshistorie eine ganz eigene Aehnlichkeit haben. Vorausgesetzt, Sie haben mit mir nicht etwa einen allfälligen Scherz fortsetzen wollen und wissen durchaus nichts von der Geschichte des todten Gastes, will ich sie Ihnen so erzählen, wie ich sie mir habe von Mehreren erzählen lassen.</p><lb/> <p>Herr von Hahn gab die lebhaftesten Aeußerungen seiner Neugier. Der Bürgermeister sagte: Es ist Wohl das erste Mal, daß man ein Ammenmärchen ganz officiell vorträgt. Und nun hob er lachend die Erzählung vom todten Gaste an.</p><lb/> <p>Jetzt erklär' ich mir Alles! sagte lachend Herr von Hahn, als die Geschichte beendet war: den schönen Herbesheimerinnen ist um ihre Hälse bange.</p><lb/> <p>Scherz bei Seite, Herr von Hahn, mir ist noch Mancherlei dunkel. Ich glaube zwar auch an die buntesten Spiele des Zufalls; aber hier spielt dieser launenhafte Schicksalsgott fast zu grob, als daß ich nicht wirklich einen kleinen Verdacht gegen Sie fassen sollte.</p><lb/> <p>Wie, Herr Bürgermeister, Sie sind doch nicht in der Stimmung, mich für den Mann Ihrer Fabel zu halten, der Herbesheim nur alle hundert Jahre besucht, um arme Täubchen zu schlachten?</p><lb/> <p>Das wohl nicht. Aber etwas von dem Gespenstermärchen könnten Sie doch zufällig gehört und Ihre Gestalt benutzt haben, um sich an dem Schrecken unserer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
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Herr von Hahn gab die lebhaftesten Aeußerungen seiner Neugier. Der Bürgermeister sagte: Es ist Wohl das erste Mal, daß man ein Ammenmärchen ganz officiell vorträgt. Und nun hob er lachend die Erzählung vom todten Gaste an.
Jetzt erklär' ich mir Alles! sagte lachend Herr von Hahn, als die Geschichte beendet war: den schönen Herbesheimerinnen ist um ihre Hälse bange.
Scherz bei Seite, Herr von Hahn, mir ist noch Mancherlei dunkel. Ich glaube zwar auch an die buntesten Spiele des Zufalls; aber hier spielt dieser launenhafte Schicksalsgott fast zu grob, als daß ich nicht wirklich einen kleinen Verdacht gegen Sie fassen sollte.
Wie, Herr Bürgermeister, Sie sind doch nicht in der Stimmung, mich für den Mann Ihrer Fabel zu halten, der Herbesheim nur alle hundert Jahre besucht, um arme Täubchen zu schlachten?
Das wohl nicht. Aber etwas von dem Gespenstermärchen könnten Sie doch zufällig gehört und Ihre Gestalt benutzt haben, um sich an dem Schrecken unserer
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/142>, abgerufen am 16.02.2025. |