Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Vorfahr; nehmen Sie vorlieb. Machen Sie sich's bequem, und dann erwarten wir Sie zum Essen und dergleichen. Thun Sie, als wären Sie zu Hause. Unsern Waldrich belustigte sein unerwartetes Inkognito. Er nahm sich auch vor, es erst bei irgend einer passendern Gelegenheit aufzuheben, um dann die Ueberraschung zu vermehren. Sobald er die Kleider gewechselt hatte, ward er zu Tische gerufen. Er fand da, außer Herrn Bantes und dessen Frau Gemahlin und einigen alten Schreibern und Fabrikaufsehern, die er noch alle recht gut kannte, auch ein junges Frauenzimmer, das er nicht kannte. Man setzte sich. Man sprach vom Wetter; vom heutigen Tagmarsch der Compagnie; von dem Bedauern der ganzen Bürgerschaft, daß die bisherige Garnison, mit der man ungemein zufrieden gewesen wäre, in eine andere Stadt verlegt worden sei. Ich hoffe indeß, sagte Waldrich, Sie werden mit mir und meinen Leuten nicht unzufriedener sein. Lassen Sie uns nur heimisch werden bei Ihnen. Um nun heimisch zu werden, war es natürlich, daß der Commandant, der sich schon gewundert hatte, daß seine Jugendgespielin Friederike im Hause fehle, der er immer die fünfzehn Louisd'or schuldig geblieben war -- daß er, sag' ich, seine Wirthe fragte, ob sie keine Kinder hätten. Eine Tochter! antwortete Frau Bantes und zeigte Vorfahr; nehmen Sie vorlieb. Machen Sie sich's bequem, und dann erwarten wir Sie zum Essen und dergleichen. Thun Sie, als wären Sie zu Hause. Unsern Waldrich belustigte sein unerwartetes Inkognito. Er nahm sich auch vor, es erst bei irgend einer passendern Gelegenheit aufzuheben, um dann die Ueberraschung zu vermehren. Sobald er die Kleider gewechselt hatte, ward er zu Tische gerufen. Er fand da, außer Herrn Bantes und dessen Frau Gemahlin und einigen alten Schreibern und Fabrikaufsehern, die er noch alle recht gut kannte, auch ein junges Frauenzimmer, das er nicht kannte. Man setzte sich. Man sprach vom Wetter; vom heutigen Tagmarsch der Compagnie; von dem Bedauern der ganzen Bürgerschaft, daß die bisherige Garnison, mit der man ungemein zufrieden gewesen wäre, in eine andere Stadt verlegt worden sei. Ich hoffe indeß, sagte Waldrich, Sie werden mit mir und meinen Leuten nicht unzufriedener sein. Lassen Sie uns nur heimisch werden bei Ihnen. Um nun heimisch zu werden, war es natürlich, daß der Commandant, der sich schon gewundert hatte, daß seine Jugendgespielin Friederike im Hause fehle, der er immer die fünfzehn Louisd'or schuldig geblieben war — daß er, sag' ich, seine Wirthe fragte, ob sie keine Kinder hätten. Eine Tochter! antwortete Frau Bantes und zeigte <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0012"/> Vorfahr; nehmen Sie vorlieb. Machen Sie sich's bequem, und dann erwarten wir Sie zum Essen und dergleichen. Thun Sie, als wären Sie zu Hause.</p><lb/> <p>Unsern Waldrich belustigte sein unerwartetes Inkognito. Er nahm sich auch vor, es erst bei irgend einer passendern Gelegenheit aufzuheben, um dann die Ueberraschung zu vermehren. Sobald er die Kleider gewechselt hatte, ward er zu Tische gerufen.</p><lb/> <p>Er fand da, außer Herrn Bantes und dessen Frau Gemahlin und einigen alten Schreibern und Fabrikaufsehern, die er noch alle recht gut kannte, auch ein junges Frauenzimmer, das er nicht kannte. Man setzte sich. Man sprach vom Wetter; vom heutigen Tagmarsch der Compagnie; von dem Bedauern der ganzen Bürgerschaft, daß die bisherige Garnison, mit der man ungemein zufrieden gewesen wäre, in eine andere Stadt verlegt worden sei.</p><lb/> <p>Ich hoffe indeß, sagte Waldrich, Sie werden mit mir und meinen Leuten nicht unzufriedener sein. Lassen Sie uns nur heimisch werden bei Ihnen.</p><lb/> <p>Um nun heimisch zu werden, war es natürlich, daß der Commandant, der sich schon gewundert hatte, daß seine Jugendgespielin Friederike im Hause fehle, der er immer die fünfzehn Louisd'or schuldig geblieben war — daß er, sag' ich, seine Wirthe fragte, ob sie keine Kinder hätten.</p><lb/> <p>Eine Tochter! antwortete Frau Bantes und zeigte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
Vorfahr; nehmen Sie vorlieb. Machen Sie sich's bequem, und dann erwarten wir Sie zum Essen und dergleichen. Thun Sie, als wären Sie zu Hause.
Unsern Waldrich belustigte sein unerwartetes Inkognito. Er nahm sich auch vor, es erst bei irgend einer passendern Gelegenheit aufzuheben, um dann die Ueberraschung zu vermehren. Sobald er die Kleider gewechselt hatte, ward er zu Tische gerufen.
Er fand da, außer Herrn Bantes und dessen Frau Gemahlin und einigen alten Schreibern und Fabrikaufsehern, die er noch alle recht gut kannte, auch ein junges Frauenzimmer, das er nicht kannte. Man setzte sich. Man sprach vom Wetter; vom heutigen Tagmarsch der Compagnie; von dem Bedauern der ganzen Bürgerschaft, daß die bisherige Garnison, mit der man ungemein zufrieden gewesen wäre, in eine andere Stadt verlegt worden sei.
Ich hoffe indeß, sagte Waldrich, Sie werden mit mir und meinen Leuten nicht unzufriedener sein. Lassen Sie uns nur heimisch werden bei Ihnen.
Um nun heimisch zu werden, war es natürlich, daß der Commandant, der sich schon gewundert hatte, daß seine Jugendgespielin Friederike im Hause fehle, der er immer die fünfzehn Louisd'or schuldig geblieben war — daß er, sag' ich, seine Wirthe fragte, ob sie keine Kinder hätten.
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/12>, abgerufen am 16.02.2025. |