Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.langsam. Ich würde meine Aufwartung schon am Morgen gemacht haben, hätte ich nicht Ruhe von der Reise nöthig gehabt, und Furcht gehabt, Sie und die Ihrigen sogleich nach meiner Ankunft unangenehm zu belästigen. Viel Ehre, viel Ehre! erwiderte Herr Bantes mit einiger Verlegenheit. Aber ... Es überfiel ihn ein unwillkürliches Grausen. Er traute seinen Augen kaum. Er rückte dem Fremden einen Stuhl hin, und wünschte ihn hundert Meilen weit von sich. Der Fremde verneigte sich langsam, nahm Platz und sprach: Sie kennen mich nicht; aber errathen ohne Zweifel, wer ich bin? Es ward dem Herrn Bantes, als sträubten sich unter seiner Perrücke alle Haare bergan. Er schüttelte höflich und ängstlich den Kopf und sagte mit erzwungener Freundlichkeit: Ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen. Ich bin Hahn, der Sohn Ihres alten Freundes! sprach der todte Gast mit hohler Stimme und lächelte den Alten an, dem das Lächeln das Herz erstarrte. Sie haben keinen Brief von meinem alten Freund? fragte Herr Bantes. Jener wickelte eine prächtige Brieftasche auf und übergab ein Schreiben. Es enthielt nur wenige Zeilen zur Empfehlung und die Bitte, dem Ueberbringer Alles zur Eroberung des Herzens der Braut zu erleichtern. Die Schriftzüge hatten wohl viel Aehnlichkeit mit der Hand des alten Banquiers; doch schien etwas Fremdartiges darunter. langsam. Ich würde meine Aufwartung schon am Morgen gemacht haben, hätte ich nicht Ruhe von der Reise nöthig gehabt, und Furcht gehabt, Sie und die Ihrigen sogleich nach meiner Ankunft unangenehm zu belästigen. Viel Ehre, viel Ehre! erwiderte Herr Bantes mit einiger Verlegenheit. Aber ... Es überfiel ihn ein unwillkürliches Grausen. Er traute seinen Augen kaum. Er rückte dem Fremden einen Stuhl hin, und wünschte ihn hundert Meilen weit von sich. Der Fremde verneigte sich langsam, nahm Platz und sprach: Sie kennen mich nicht; aber errathen ohne Zweifel, wer ich bin? Es ward dem Herrn Bantes, als sträubten sich unter seiner Perrücke alle Haare bergan. Er schüttelte höflich und ängstlich den Kopf und sagte mit erzwungener Freundlichkeit: Ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen. Ich bin Hahn, der Sohn Ihres alten Freundes! sprach der todte Gast mit hohler Stimme und lächelte den Alten an, dem das Lächeln das Herz erstarrte. Sie haben keinen Brief von meinem alten Freund? fragte Herr Bantes. Jener wickelte eine prächtige Brieftasche auf und übergab ein Schreiben. Es enthielt nur wenige Zeilen zur Empfehlung und die Bitte, dem Ueberbringer Alles zur Eroberung des Herzens der Braut zu erleichtern. Die Schriftzüge hatten wohl viel Aehnlichkeit mit der Hand des alten Banquiers; doch schien etwas Fremdartiges darunter. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="13"> <p><pb facs="#f0117"/> langsam. Ich würde meine Aufwartung schon am Morgen gemacht haben, hätte ich nicht Ruhe von der Reise nöthig gehabt, und Furcht gehabt, Sie und die Ihrigen sogleich nach meiner Ankunft unangenehm zu belästigen.</p><lb/> <p>Viel Ehre, viel Ehre! erwiderte Herr Bantes mit einiger Verlegenheit. Aber ... Es überfiel ihn ein unwillkürliches Grausen. Er traute seinen Augen kaum. Er rückte dem Fremden einen Stuhl hin, und wünschte ihn hundert Meilen weit von sich.</p><lb/> <p>Der Fremde verneigte sich langsam, nahm Platz und sprach: Sie kennen mich nicht; aber errathen ohne Zweifel, wer ich bin?</p><lb/> <p>Es ward dem Herrn Bantes, als sträubten sich unter seiner Perrücke alle Haare bergan. Er schüttelte höflich und ängstlich den Kopf und sagte mit erzwungener Freundlichkeit: Ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen.</p><lb/> <p>Ich bin Hahn, der Sohn Ihres alten Freundes! sprach der todte Gast mit hohler Stimme und lächelte den Alten an, dem das Lächeln das Herz erstarrte.</p><lb/> <p>Sie haben keinen Brief von meinem alten Freund? fragte Herr Bantes. Jener wickelte eine prächtige Brieftasche auf und übergab ein Schreiben. Es enthielt nur wenige Zeilen zur Empfehlung und die Bitte, dem Ueberbringer Alles zur Eroberung des Herzens der Braut zu erleichtern. Die Schriftzüge hatten wohl viel Aehnlichkeit mit der Hand des alten Banquiers; doch schien etwas Fremdartiges darunter.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
langsam. Ich würde meine Aufwartung schon am Morgen gemacht haben, hätte ich nicht Ruhe von der Reise nöthig gehabt, und Furcht gehabt, Sie und die Ihrigen sogleich nach meiner Ankunft unangenehm zu belästigen.
Viel Ehre, viel Ehre! erwiderte Herr Bantes mit einiger Verlegenheit. Aber ... Es überfiel ihn ein unwillkürliches Grausen. Er traute seinen Augen kaum. Er rückte dem Fremden einen Stuhl hin, und wünschte ihn hundert Meilen weit von sich.
Der Fremde verneigte sich langsam, nahm Platz und sprach: Sie kennen mich nicht; aber errathen ohne Zweifel, wer ich bin?
Es ward dem Herrn Bantes, als sträubten sich unter seiner Perrücke alle Haare bergan. Er schüttelte höflich und ängstlich den Kopf und sagte mit erzwungener Freundlichkeit: Ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen.
Ich bin Hahn, der Sohn Ihres alten Freundes! sprach der todte Gast mit hohler Stimme und lächelte den Alten an, dem das Lächeln das Herz erstarrte.
Sie haben keinen Brief von meinem alten Freund? fragte Herr Bantes. Jener wickelte eine prächtige Brieftasche auf und übergab ein Schreiben. Es enthielt nur wenige Zeilen zur Empfehlung und die Bitte, dem Ueberbringer Alles zur Eroberung des Herzens der Braut zu erleichtern. Die Schriftzüge hatten wohl viel Aehnlichkeit mit der Hand des alten Banquiers; doch schien etwas Fremdartiges darunter.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/117 |
Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/117>, abgerufen am 16.02.2025. |