Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.goldene Kette über die Brust zur Sackuhr. An den Fingern funkelnde Brillantringe. Prächtige Equipage. Extrapost. Herr Bantes sah den Buchhalter lange mit starrem Blick an, worin Unglauben und Befremden zu kämpfen schienen; lachte endlich laut und übermäßig, und rief: Treibt denn der Teufel seinen Spaß mit uns, daß der gerade am ersten Adventssonntage einpassiren muß? Und gerade wie die Kirche aus war, sagte der Buchhalter, gerade wie die Leute über die Gasse liefen und Wind und Regen, so zu sagen, am allerschrecklichsten stürmten. Wie heißt denn der Fremde? fragte Herr Bantes. Mir nicht bekannt, antwortete der Buchhalter: der aber giebt sich am Ende Namen, wie er will. Bald ist er ein Herr von Gräbern, bald ein Graf von Altenkreuz. Es ist mir, so zu sagen, bedenklich, daß er geradezu ins schwarze Kreuz einkehrt. Der Name scheint ihn angezogen zu haben. Herr Bantes schwieg eine Zeit lang ganz ernsthaft und nachdenkend, fuhr sich endlich mit der Hand rasch über das Gesicht und sagte: Ist nichts, als Zufall, sonderbarer Spaß des Ungefährs. Denkt doch nicht an den todten Gast und dergleichen. Possen! Aber ein eigener Zufall ist es, ein toller Streich! Gerade am Adventssonntag, im schrecklichsten Wetter, lang, schwarz, blaß, die Fingerringe, die Equipage, -- ich würde kein Wort davon glauben, Buchhalterchen, wenn goldene Kette über die Brust zur Sackuhr. An den Fingern funkelnde Brillantringe. Prächtige Equipage. Extrapost. Herr Bantes sah den Buchhalter lange mit starrem Blick an, worin Unglauben und Befremden zu kämpfen schienen; lachte endlich laut und übermäßig, und rief: Treibt denn der Teufel seinen Spaß mit uns, daß der gerade am ersten Adventssonntage einpassiren muß? Und gerade wie die Kirche aus war, sagte der Buchhalter, gerade wie die Leute über die Gasse liefen und Wind und Regen, so zu sagen, am allerschrecklichsten stürmten. Wie heißt denn der Fremde? fragte Herr Bantes. Mir nicht bekannt, antwortete der Buchhalter: der aber giebt sich am Ende Namen, wie er will. Bald ist er ein Herr von Gräbern, bald ein Graf von Altenkreuz. Es ist mir, so zu sagen, bedenklich, daß er geradezu ins schwarze Kreuz einkehrt. Der Name scheint ihn angezogen zu haben. Herr Bantes schwieg eine Zeit lang ganz ernsthaft und nachdenkend, fuhr sich endlich mit der Hand rasch über das Gesicht und sagte: Ist nichts, als Zufall, sonderbarer Spaß des Ungefährs. Denkt doch nicht an den todten Gast und dergleichen. Possen! Aber ein eigener Zufall ist es, ein toller Streich! Gerade am Adventssonntag, im schrecklichsten Wetter, lang, schwarz, blaß, die Fingerringe, die Equipage, — ich würde kein Wort davon glauben, Buchhalterchen, wenn <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="12"> <p><pb facs="#f0114"/> goldene Kette über die Brust zur Sackuhr. An den Fingern funkelnde Brillantringe. Prächtige Equipage. Extrapost.</p><lb/> <p>Herr Bantes sah den Buchhalter lange mit starrem Blick an, worin Unglauben und Befremden zu kämpfen schienen; lachte endlich laut und übermäßig, und rief: Treibt denn der Teufel seinen Spaß mit uns, daß der gerade am ersten Adventssonntage einpassiren muß?</p><lb/> <p>Und gerade wie die Kirche aus war, sagte der Buchhalter, gerade wie die Leute über die Gasse liefen und Wind und Regen, so zu sagen, am allerschrecklichsten stürmten.</p><lb/> <p>Wie heißt denn der Fremde? fragte Herr Bantes.</p><lb/> <p>Mir nicht bekannt, antwortete der Buchhalter: der aber giebt sich am Ende Namen, wie er will. Bald ist er ein Herr von Gräbern, bald ein Graf von Altenkreuz. Es ist mir, so zu sagen, bedenklich, daß er geradezu ins schwarze Kreuz einkehrt. Der Name scheint ihn angezogen zu haben.</p><lb/> <p>Herr Bantes schwieg eine Zeit lang ganz ernsthaft und nachdenkend, fuhr sich endlich mit der Hand rasch über das Gesicht und sagte: Ist nichts, als Zufall, sonderbarer Spaß des Ungefährs. Denkt doch nicht an den todten Gast und dergleichen. Possen! Aber ein eigener Zufall ist es, ein toller Streich! Gerade am Adventssonntag, im schrecklichsten Wetter, lang, schwarz, blaß, die Fingerringe, die Equipage, — ich würde kein Wort davon glauben, Buchhalterchen, wenn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
goldene Kette über die Brust zur Sackuhr. An den Fingern funkelnde Brillantringe. Prächtige Equipage. Extrapost.
Herr Bantes sah den Buchhalter lange mit starrem Blick an, worin Unglauben und Befremden zu kämpfen schienen; lachte endlich laut und übermäßig, und rief: Treibt denn der Teufel seinen Spaß mit uns, daß der gerade am ersten Adventssonntage einpassiren muß?
Und gerade wie die Kirche aus war, sagte der Buchhalter, gerade wie die Leute über die Gasse liefen und Wind und Regen, so zu sagen, am allerschrecklichsten stürmten.
Wie heißt denn der Fremde? fragte Herr Bantes.
Mir nicht bekannt, antwortete der Buchhalter: der aber giebt sich am Ende Namen, wie er will. Bald ist er ein Herr von Gräbern, bald ein Graf von Altenkreuz. Es ist mir, so zu sagen, bedenklich, daß er geradezu ins schwarze Kreuz einkehrt. Der Name scheint ihn angezogen zu haben.
Herr Bantes schwieg eine Zeit lang ganz ernsthaft und nachdenkend, fuhr sich endlich mit der Hand rasch über das Gesicht und sagte: Ist nichts, als Zufall, sonderbarer Spaß des Ungefährs. Denkt doch nicht an den todten Gast und dergleichen. Possen! Aber ein eigener Zufall ist es, ein toller Streich! Gerade am Adventssonntag, im schrecklichsten Wetter, lang, schwarz, blaß, die Fingerringe, die Equipage, — ich würde kein Wort davon glauben, Buchhalterchen, wenn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |