Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Aber sehen Sie auch hinaus, Mama, wie es in der Luft wüthet! wie schwarz der Himmel! Sehen Sie doch, zwischen dem Regen große Hagelsteine! Frau Bantes lächelte, denn es kam ihr ein Einfall, von dem sie anfangs nicht wußte, ob sie ihn mittheilen sollte. Endlich sagte sie: Friederike, weißt du's? Heut ist der erste Adventssonntag, wo die Regierung des todten Gastes beginnen soll. Der wüste Prinz meldet sich, scheint's, immer mit Sturm an. Ich wette, Mama, der Regensturz macht unsern Herbesheimern himmelangst. Die verriegeln vielleicht schon am hellen Mittag die Hausthüren, damit das lange, bleiche Gesicht nicht eindringe. In diesem Augenblicke trat Herr Bantes eilfertig mit einem lauten, doch etwas sonderbaren Gelächter in die Stube; sonderbar war es, weil man nicht wußte, ob es ein willkürliches oder unwillkürliches Lachen war. Tolles Zeug und dergleichen! rief Herr Bantes. Geh in die Küche, Mama, und bringe die Mädel in Ordnung, sonst werfen sie dir den Braten in die Suppe, die Suppe ins Gemüse, das Gemüse in die Milchcreme. Was giebt's denn? fragte Frau Bantes verwundert. Wisset ihr nichts? Die ganze Stadt sagt, der todte Gast sei angekommen. Zwei Fabrikarbeiter kommen mir da athemlos und pudelnaß von der Gasse in die Zahlstube gesprungen und erzählen, was ihnen Aber sehen Sie auch hinaus, Mama, wie es in der Luft wüthet! wie schwarz der Himmel! Sehen Sie doch, zwischen dem Regen große Hagelsteine! Frau Bantes lächelte, denn es kam ihr ein Einfall, von dem sie anfangs nicht wußte, ob sie ihn mittheilen sollte. Endlich sagte sie: Friederike, weißt du's? Heut ist der erste Adventssonntag, wo die Regierung des todten Gastes beginnen soll. Der wüste Prinz meldet sich, scheint's, immer mit Sturm an. Ich wette, Mama, der Regensturz macht unsern Herbesheimern himmelangst. Die verriegeln vielleicht schon am hellen Mittag die Hausthüren, damit das lange, bleiche Gesicht nicht eindringe. In diesem Augenblicke trat Herr Bantes eilfertig mit einem lauten, doch etwas sonderbaren Gelächter in die Stube; sonderbar war es, weil man nicht wußte, ob es ein willkürliches oder unwillkürliches Lachen war. Tolles Zeug und dergleichen! rief Herr Bantes. Geh in die Küche, Mama, und bringe die Mädel in Ordnung, sonst werfen sie dir den Braten in die Suppe, die Suppe ins Gemüse, das Gemüse in die Milchcrême. Was giebt's denn? fragte Frau Bantes verwundert. Wisset ihr nichts? Die ganze Stadt sagt, der todte Gast sei angekommen. Zwei Fabrikarbeiter kommen mir da athemlos und pudelnaß von der Gasse in die Zahlstube gesprungen und erzählen, was ihnen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="12"> <pb facs="#f0109"/> <p>Aber sehen Sie auch hinaus, Mama, wie es in der Luft wüthet! wie schwarz der Himmel! Sehen Sie doch, zwischen dem Regen große Hagelsteine!</p><lb/> <p>Frau Bantes lächelte, denn es kam ihr ein Einfall, von dem sie anfangs nicht wußte, ob sie ihn mittheilen sollte. Endlich sagte sie: Friederike, weißt du's? Heut ist der erste Adventssonntag, wo die Regierung des todten Gastes beginnen soll. Der wüste Prinz meldet sich, scheint's, immer mit Sturm an.</p><lb/> <p>Ich wette, Mama, der Regensturz macht unsern Herbesheimern himmelangst. Die verriegeln vielleicht schon am hellen Mittag die Hausthüren, damit das lange, bleiche Gesicht nicht eindringe.</p><lb/> <p>In diesem Augenblicke trat Herr Bantes eilfertig mit einem lauten, doch etwas sonderbaren Gelächter in die Stube; sonderbar war es, weil man nicht wußte, ob es ein willkürliches oder unwillkürliches Lachen war.</p><lb/> <p>Tolles Zeug und dergleichen! rief Herr Bantes. Geh in die Küche, Mama, und bringe die Mädel in Ordnung, sonst werfen sie dir den Braten in die Suppe, die Suppe ins Gemüse, das Gemüse in die Milchcrême.</p><lb/> <p>Was giebt's denn? fragte Frau Bantes verwundert.</p><lb/> <p>Wisset ihr nichts? Die ganze Stadt sagt, der todte Gast sei angekommen. Zwei Fabrikarbeiter kommen mir da athemlos und pudelnaß von der Gasse in die Zahlstube gesprungen und erzählen, was ihnen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0109]
Aber sehen Sie auch hinaus, Mama, wie es in der Luft wüthet! wie schwarz der Himmel! Sehen Sie doch, zwischen dem Regen große Hagelsteine!
Frau Bantes lächelte, denn es kam ihr ein Einfall, von dem sie anfangs nicht wußte, ob sie ihn mittheilen sollte. Endlich sagte sie: Friederike, weißt du's? Heut ist der erste Adventssonntag, wo die Regierung des todten Gastes beginnen soll. Der wüste Prinz meldet sich, scheint's, immer mit Sturm an.
Ich wette, Mama, der Regensturz macht unsern Herbesheimern himmelangst. Die verriegeln vielleicht schon am hellen Mittag die Hausthüren, damit das lange, bleiche Gesicht nicht eindringe.
In diesem Augenblicke trat Herr Bantes eilfertig mit einem lauten, doch etwas sonderbaren Gelächter in die Stube; sonderbar war es, weil man nicht wußte, ob es ein willkürliches oder unwillkürliches Lachen war.
Tolles Zeug und dergleichen! rief Herr Bantes. Geh in die Küche, Mama, und bringe die Mädel in Ordnung, sonst werfen sie dir den Braten in die Suppe, die Suppe ins Gemüse, das Gemüse in die Milchcrême.
Was giebt's denn? fragte Frau Bantes verwundert.
Wisset ihr nichts? Die ganze Stadt sagt, der todte Gast sei angekommen. Zwei Fabrikarbeiter kommen mir da athemlos und pudelnaß von der Gasse in die Zahlstube gesprungen und erzählen, was ihnen
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/109>, abgerufen am 17.07.2024. |