Zschackwitz, Johann Ehrenfried: Historisch-Genealogischer Schau-Platz. Lemgo, 1724.dann auch eine solche Lebens-Art/ als die Bojer und andere Völcker von dem führeten / nohtwendig ein Oberhaupt hat haben müssen. Die allerälteste Familie aber/ aus welcher die Bojer ihre Könige nahmen/ war der Agilothieger ihre/ von dieser der Theodo, und der in den Geschichten so berühmte Thassilo ihren Uhrsprung her hatten. Nachdem die Francken in Teutschland mächtig zu werden und ihre Benachbarte zu bezwingen anfingen/ griffen sie auch die Bojer an/ die bey den Historicis derselben Zeiten bald Bajoarii, Bojuarii, bald Bajari hiessen/ bis endlich das heutige Bavaria, oder Bayern daraus gemachet worden/ daher es gantz irrig ist/ was sonst von einigen vorgegeben werden wil/ als ob der Nahme Bavaria von denen Bojis, und dem Sclavischen Volcke / denen Avaren wäre zusammen gesetzet worden/ weil beyde nie in ein Volck zusammen erwachsen. Solchergestalt/ musten die Bayern jure belli denen Francken unterthänig seyn/ wiewohl es keine völlige Unterwerffung zu nennen/ indem sie ihre eigene Hertzoge behielten. Nachdem aber die Ober-Hoffmeister der Fränckischen Könige/ dieser ihrer Lässigkeit sich bedienten/ und sonderlich der Pipinus seinen rechtmässigen König/ den Chilpericum, auf des Pabsts Genehmhaltung/ in ein Kloster stieß; jenes sein Sohn aber/ der so genannte Carolus M. vermöge seines unersättlichen Länder-Geitzes/ und Begierde/ Blut zu vergiessen/ Bayern lieber vollkommen gehabt/ und dessen rechtmässigen Besitzer daraus verjagt hätte; Als suchte er verschiedene Uhrsachen an ihm/ von denen aber keine ihm seinen Zweck recht wolte erreichen helffen/ bis Thassilo aus rechtmäßigen Verdruß/ daß Carolus seiner Gemahlin Schwester/ blos auf des Pabsts anstiften/ verstossen/ auch den Schwieger-Vater seines Reiches beraubet hatte/ die Waffen ergriffen/ und besagten Carolum zu paaren zu treiben suchte. Doch die Päbstliche Intriguen wusten die Sache so zu spielen/ daß die meisten Bayern von ihrem rechtmässigen Herrn abfielen/ weswegen selbiger auch überwunden/ und von dem Carolo gefangen ward/ der ein Blut-Gerichte/ das bloß aus Bayerischen Unterthanen bestunde/ über ihn halten ließ/ welches diesem armen Printzen das Leben aberkannte/ welch Todes-Urthel aber der Carolus, sonder Zweifel aus Trieb seines bösen Gewissens/ in die damahls grand mode gewesene Kloster Straffe verwandelte/ und den Thassilonem in dem Kloster Lorch zu einem Münch scheren ließ. Wann man die gantzen Umstände dieser Begebenheiten / ohne Vorurtheil ansiehet/ so findet sich/ daß der Carolus M. mit dem höchsten Unrechte wider den Thassilonem verfahren/ und daß er diesen vielmehr per indirectum zu Ergreiffung der Waffen angereitzet gehabt. Alle Autores selbiger Zeiten/ seynd Münche oder Geistliche/ ein folglich solche Leute/ die dem Römischen Hofe auf das äusserste ergeben gewesen. Nun war so wohl die Ver- vid. Adelz. l. 6. & 7. v. Eund. l. 1. vid. Regin. ad. a. 788. Herm. Contract. adh. a.
dann auch eine solche Lebens-Art/ als die Bojer und andere Völcker von dem führeten / nohtwendig ein Oberhaupt hat haben müssen. Die allerälteste Familie aber/ aus welcher die Bojer ihre Könige nahmen/ war der Agilothieger ihre/ von dieser der Theodo, und der in den Geschichten so berühmte Thassilo ihren Uhrsprung her hatten. Nachdem die Francken in Teutschland mächtig zu werden und ihre Benachbarte zu bezwingen anfingen/ griffen sie auch die Bojer an/ die bey den Historicis derselben Zeiten bald Bajoarii, Bojuarii, bald Bajari hiessen/ bis endlich das heutige Bavaria, oder Bayern daraus gemachet worden/ daher es gantz irrig ist/ was sonst von einigen vorgegeben werden wil/ als ob der Nahme Bavaria von denen Bojis, und dem Sclavischen Volcke / denen Avaren wäre zusammen gesetzet worden/ weil beyde nie in ein Volck zusammen erwachsen. Solchergestalt/ musten die Bayern jure belli denen Francken unterthänig seyn/ wiewohl es keine völlige Unterwerffung zu nennen/ indem sie ihre eigene Hertzoge behielten. Nachdem aber die Ober-Hoffmeister der Fränckischen Könige/ dieser ihrer Lässigkeit sich bedienten/ und sonderlich der Pipinus seinen rechtmässigen König/ den Chilpericum, auf des Pabsts Genehmhaltung/ in ein Kloster stieß; jenes sein Sohn aber/ der so genannte Carolus M. vermöge seines unersättlichen Länder-Geitzes/ und Begierde/ Blut zu vergiessen/ Bayern lieber vollkommen gehabt/ und dessen rechtmässigen Besitzer daraus verjagt hätte; Als suchte er verschiedene Uhrsachen an ihm/ von denen aber keine ihm seinen Zweck recht wolte erreichen helffen/ bis Thassilo aus rechtmäßigen Verdruß/ daß Carolus seiner Gemahlin Schwester/ blos auf des Pabsts anstiften/ verstossen/ auch den Schwieger-Vater seines Reiches beraubet hatte/ die Waffen ergriffen/ und besagten Carolum zu paaren zu treiben suchte. Doch die Päbstliche Intriguen wusten die Sache so zu spielen/ daß die meisten Bayern von ihrem rechtmässigen Herrn abfielen/ weswegen selbiger auch überwunden/ und von dem Carolo gefangen ward/ der ein Blut-Gerichte/ das bloß aus Bayerischen Unterthanen bestunde/ über ihn halten ließ/ welches diesem armen Printzen das Leben aberkannte/ welch Todes-Urthel aber der Carolus, sonder Zweifel aus Trieb seines bösen Gewissens/ in die damahls grand mode gewesene Kloster Straffe verwandelte/ und den Thassilonem in dem Kloster Lorch zu einem Münch scheren ließ. Wann man die gantzen Umstände dieser Begebenheiten / ohne Vorurtheil ansiehet/ so findet sich/ daß der Carolus M. mit dem höchsten Unrechte wider den Thassilonem verfahren/ und daß er diesen vielmehr per indirectum zu Ergreiffung der Waffen angereitzet gehabt. Alle Autores selbiger Zeiten/ seynd Münche oder Geistliche/ ein folglich solche Leute/ die dem Römischen Hofe auf das äusserste ergeben gewesen. Nun war so wohl die Ver- vid. Adelz. l. 6. & 7. v. Eund. l. 1. vid. Regin. ad. a. 788. Herm. Contract. adh. a.
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dann auch eine solche Lebens-Art/ als die Bojer und andere Völcker von dem führeten / nohtwendig ein Oberhaupt hat haben müssen. Die allerälteste Familie aber/ aus welcher die Bojer ihre Könige nahmen/ war der Agilothieger ihre/ von dieser der Theodo, und der in den Geschichten so berühmte Thassilo ihren Uhrsprung her hatten. Nachdem die Francken in Teutschland mächtig zu werden und ihre Benachbarte zu bezwingen anfingen/ griffen sie auch die Bojer an/ die bey den Historicis derselben Zeiten bald Bajoarii, Bojuarii, bald Bajari hiessen/ bis endlich das heutige Bavaria, oder Bayern daraus gemachet worden/ daher es gantz irrig ist/ was sonst von einigen vorgegeben werden wil/ als ob der Nahme Bavaria von denen Bojis, und dem Sclavischen Volcke / denen Avaren wäre zusammen gesetzet worden/ weil beyde nie in ein Volck zusammen erwachsen. Solchergestalt/ musten die Bayern jure belli denen Francken unterthänig seyn/ wiewohl es keine völlige Unterwerffung zu nennen/ indem sie ihre eigene Hertzoge behielten. Nachdem aber die Ober-Hoffmeister der Fränckischen Könige/ dieser ihrer Lässigkeit sich bedienten/ und sonderlich der Pipinus seinen rechtmässigen König/ den Chilpericum, auf des Pabsts Genehmhaltung/ in ein Kloster stieß; jenes sein Sohn aber/ der so genannte Carolus M. vermöge seines unersättlichen Länder-Geitzes/ und Begierde/ Blut zu vergiessen/ Bayern lieber vollkommen gehabt/ und dessen rechtmässigen Besitzer daraus verjagt hätte; Als suchte er verschiedene Uhrsachen an ihm/ von denen aber keine ihm seinen Zweck recht wolte erreichen helffen/ bis Thassilo aus rechtmäßigen Verdruß/ daß Carolus seiner Gemahlin Schwester/ blos auf des Pabsts anstiften/ verstossen/ auch den Schwieger-Vater seines Reiches beraubet hatte/ die Waffen ergriffen/ und besagten Carolum zu paaren zu treiben suchte. Doch die Päbstliche Intriguen wusten die Sache so zu spielen/ daß die meisten Bayern von ihrem rechtmässigen Herrn abfielen/ weswegen selbiger auch überwunden/ und von dem Carolo gefangen ward/ der ein Blut-Gerichte/ das bloß aus Bayerischen Unterthanen bestunde/ über ihn halten ließ/ welches diesem armen Printzen das Leben aberkannte/ welch Todes-Urthel aber der Carolus, sonder Zweifel aus Trieb seines bösen Gewissens/ in die damahls grand mode gewesene Kloster Straffe verwandelte/ und den Thassilonem in dem Kloster Lorch zu einem Münch scheren ließ. Wann man die gantzen Umstände dieser Begebenheiten / ohne Vorurtheil ansiehet/ so findet sich/ daß der Carolus M. mit dem höchsten Unrechte wider den Thassilonem verfahren/ und daß er diesen vielmehr per indirectum zu Ergreiffung der Waffen angereitzet gehabt. Alle Autores selbiger Zeiten/ seynd Münche oder Geistliche/ ein folglich solche Leute/ die dem Römischen Hofe auf das äusserste ergeben gewesen. Nun war so wohl die Ver-
vid. Adelz. l. 6. & 7.
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Zitationshilfe: | Zschackwitz, Johann Ehrenfried: Historisch-Genealogischer Schau-Platz. Lemgo, 1724, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschackwitz_schauplatz_1724/247>, abgerufen am 16.02.2025. |