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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Nachdenken über Sterblichkeit
die darf, die soll der Christ nicht scheuen;
denen kann er mit heiterm Ernst nachhängen;
die können und werden selbst Freude und Zu-
versicht in ihm erwecken.

Oft müssen wir also diese oder derglei-
chen Ueberlegungen bey uns selbst anstellen:
daß ich sterblich bin, das weiß, das fühle
ich; das sagen mir so manche Schwachhei-
ten und Zerrüttungen meiner irrdischen Na-
tur, die ich schon erfahren, so manche
Krankheiten und Schmerzen, die ich schon
empfunden habe; das rufet mir alles, was
mich umgiebt, mit lauter Stimme zu. Wie
viele meiner Freunde, meiner Bekannten,
sind schon vor mir ins Grab gegangen?
Wie viele, die weit jünger, weit gesunder
und stärker waren, als ich bin? Was ist
der ganze Erdboden, auf dem ich wohne und
wandle, anders als ein weites, offenes
Grab, das ein Geschlecht der Sterblichen
nach dem andern in seinen Schoos auf-
nimmt, und da ihren Staub auf tausender-
ley Art mit einander vermischet und verwan-
delt? Ja, auch mein Körper ist Staub,

und

Nachdenken über Sterblichkeit
die darf, die ſoll der Chriſt nicht ſcheuen;
denen kann er mit heiterm Ernſt nachhängen;
die können und werden ſelbſt Freude und Zu-
verſicht in ihm erwecken.

Oft müſſen wir alſo dieſe oder derglei-
chen Ueberlegungen bey uns ſelbſt anſtellen:
daß ich ſterblich bin, das weiß, das fühle
ich; das ſagen mir ſo manche Schwachhei-
ten und Zerrüttungen meiner irrdiſchen Na-
tur, die ich ſchon erfahren, ſo manche
Krankheiten und Schmerzen, die ich ſchon
empfunden habe; das rufet mir alles, was
mich umgiebt, mit lauter Stimme zu. Wie
viele meiner Freunde, meiner Bekannten,
ſind ſchon vor mir ins Grab gegangen?
Wie viele, die weit jünger, weit geſunder
und ſtärker waren, als ich bin? Was iſt
der ganze Erdboden, auf dem ich wohne und
wandle, anders als ein weites, offenes
Grab, das ein Geſchlecht der Sterblichen
nach dem andern in ſeinen Schoos auf-
nimmt, und da ihren Staub auf tauſender-
ley Art mit einander vermiſchet und verwan-
delt? Ja, auch mein Körper iſt Staub,

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[68/0090] Nachdenken über Sterblichkeit die darf, die ſoll der Chriſt nicht ſcheuen; denen kann er mit heiterm Ernſt nachhängen; die können und werden ſelbſt Freude und Zu- verſicht in ihm erwecken. Oft müſſen wir alſo dieſe oder derglei- chen Ueberlegungen bey uns ſelbſt anſtellen: daß ich ſterblich bin, das weiß, das fühle ich; das ſagen mir ſo manche Schwachhei- ten und Zerrüttungen meiner irrdiſchen Na- tur, die ich ſchon erfahren, ſo manche Krankheiten und Schmerzen, die ich ſchon empfunden habe; das rufet mir alles, was mich umgiebt, mit lauter Stimme zu. Wie viele meiner Freunde, meiner Bekannten, ſind ſchon vor mir ins Grab gegangen? Wie viele, die weit jünger, weit geſunder und ſtärker waren, als ich bin? Was iſt der ganze Erdboden, auf dem ich wohne und wandle, anders als ein weites, offenes Grab, das ein Geſchlecht der Sterblichen nach dem andern in ſeinen Schoos auf- nimmt, und da ihren Staub auf tauſender- ley Art mit einander vermiſchet und verwan- delt? Ja, auch mein Körper iſt Staub, und

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/90>, abgerufen am 26.08.2024.